Rock-, Pop- und Szene-News und mehr....
Interview 2010. Ältere gibt es hier: Interview 2009. Interview 2006.
Bremen.
Überraschung: Der Brite hat sich vom
selbst gewählten „Exil“ verabschiedet und sein neues
Album „Broken Record“
wieder mit einer Band aufgenommen! In den Achtzigern mit seiner Band
The Commotions
erfolgreich geworden, die letzten zwanzig Jahre als Solokünstler
etabliert kam
er mit seinem „Small Ensemble“, mit dem er im vergangenen
Jahr getourt ist,
offensichtlich wieder auf den Geschmack. Und nach den Aufnahmen hat er
festgestellt, dass die letzten zwanzig Jahre auch ganz schön
einsam waren… Mit dem Small Ensemble kommt er am Samstag,
13. November ins Moments.
Das Leben steckt
voller Überraschungen, oder?
Ja, das stimmt wohl. Ich weiß nicht, ob ich darüber so glücklich bin.. manchmal denke ich, ich hatte genügend Überraschungen. Aber es wäre wohl auch langweilig ohne sie. Aber manchmal denke ich auch, ich könnte auch gut einen Plan für den Rest meines Lebens entwerfen – ohne sie.
Du magst
Veränderungen also nicht?
Ich habe so viele Jahre damit verbracht, alleine Musik zu machen, und ich glaube mein Lieblingsalbum ist auch „Music in a Foreign Language“, das ich wirklich ganz allein mit meinem Computer geschrieben habe. Und ich habe Ewigkeiten gebraucht, um genau den Sound hinzubekommen, den ich im Kopf hatte. Und so ein Unternehmen ist mit einer Band fast unmöglich, weil eine Band immer die Kombination aus verschiedenen Menschen, Situationen und Momenten ist. Und jetzt, nachdem ich dieses Album in einer so lebendigen Art gemacht habe, ist mir plötzlich bewusst geworden, wie alleine ich all die letzten Jahre war, und ich habe gemerkt, dass ich das nicht mehr möchte.
Es war also auch für
Dich völlig unerwartet?
Ja. Ich möchte auch gar nicht mehr hauptberuflich Sänger einer Band sein, aber immer mal mit einer Band zu spielen, macht einfach Spaß. Wenn Touren mit einer kompletten Band zu regelmäßig würde, wäre ich schnell unglücklich. Ich weiß, wie viel Logistik dazu gehört, wie viele Kompromisse, die Hallen sind nicht so schön wie bei meinen Soloshows, man muss in Bussen schlafen – das wollte ich eigentlich nie wieder haben. Morgens in einem Bus aufzuwachen, der irgendwo hinter einer Halle geparkt ist, ist genau meine Vorstellung einer perfekten Hölle!
Welche Stimme hat Dir
denn gesagt, dass Du dieses Album mit Band aufnehmen solltest?
Es waren die Songs, die ich geschrieben hatte. Ich wollte eigentlich gar keine Rocksongs mehr schreiben, aber plötzlich waren sie da, und ich sah ein, um sie adäquat umzusetzen zu können, brauchte ich einen Drummer. Und der Rest war ein Dominoeffekt, und bevor ich mich versah, hatten wir eine 8-köpfige Band zusammen.
Was auch schon wieder
sehr groß ist – warum so viele?
Nun, meine eigentliche Band ist das kleine Ensemble nun, drei Leute, ohne Bass, ohne Drummer, mit denen werde ich auf Tour gehen. Aber für das Album waren es alles Leute, die ich schon seit Jahren kenne und mag, und die ich gefragt habe, ob sie auf dem Album spielen könnten.
Und die Tour dann
doch lieber ohne Drummer – ein Ergebnis der Reunion-Tour mit den Commotions?
Ja, wir haben darüber gesprochen, oder? Ich mag keine lauten Drummer in meinem Rücken! Ich mochte die Reunion-Tour mit den Commotions, wir hatten sehr viel Spaß, aber ein Monat war auch lang genug. Und das Gute war, dass wir nicht im Tourbus schlafen mussten!
Was es wohl auch nicht
auf der nächsten Tour mit dem „Small Ensemble“ geben wird, oder?
Nein, wir werden verdeckt reisen und wie Geschäftsleute in Hotels nächtigen.
Am besten noch alle
in verschiedenen!
Ja, eine gute Idee. Ich glaube, das ist, wie Fleetwood Mac es geschafft haben, so lange durchzuhalten: Sie hatten alle verschiedene Manager und sie haben immer in verschiedenen Hotels geschlafen und ihr eigenes Unterhaltungsprogramm genossen.
Apropos
Commotions-Tour: Sogar, oder besser: Gerade
danach hast Du gesagt, dass Du es vorziehst, Solokünstler zu sein.
Ja, aber es ist ein großer Unterschied, fest in einer Band zu sein, und eine Platte mit einer Band aufzunehmen. Es ist toll, mit verschiedenen Musikern zu arbeiten, aber es ist wichtig, sein eigenes Ding nicht zu vergessen. Das war z.B. bei den Negatives immer der falle – es war nie unser eigenes Ding, wir waren weder künstlerisch noch finanziell darauf angewiesen. Das Problem der Commotions am Ende der Achtziger war, dass begann, ein Unternehmen zu werden, von dem wir alle abhingen, und das uns alle aufgefressen hat. Die Commotions konnten nicht ohne mich bestehen, und diese Bürde wurde mir zu schwer. Die wollte ich nicht.
Das neue Album ist
oft sehr typisch – ruhig, melancholisch – inwieweit unterscheidet es sich von
den Alben Deinen Soloalben?
Ich glaube nicht, dass ich ein Album machen kann, das nicht nach mir klingt. Es wird immer Leute geben, die feststellen, dieses Album klingt ganz anders, als das, andere sagen einfach, hey, das ist Lloyd Cole. Und beides ist gut. Ich glaube nicht, dass es einen massiven Durchbruch in irgendeiner Richtung gibt, weshalb es im Prinzip klingt wie meine Soloalben. Ich hoffe nur, dass es eine neue Sammlung guter Songs ist und dass es den Leuten gefällt.
Was neu ist, sind die
Country-Elemente.
Ja, fühlt sich für mich nicht so neu an, weil ich das schon lange im Kopf habe. Und im Small Ensemble haben wir die Banjos und die Mandoline schon lange. Aber sobald man die Pedal Steel Gitarre dazu nimmt, denkt man sofort an US Country. So ist das. Hab ich kein Problem mit.
Ist das Deine
amerikanische Seite?
Ich glaube, alles was ich seit „Rattlesnsakes“ gemacht habe, war immer beeinflusst von amerikanischen Kunstformen. Englischer Folk klingt für mich immer nach Mittelalter, amerikanischer Folk dreht sich eben um Country und Blues und Bluegrass. Ich glaube, ich habe schon immer amerikanische Musik mit einer europäischen Ästhetik gespielt. Und da alle Musiker auf dem neuen Album außer Blair und ich Amerikaner sind, habe ich dieser Seite vielleicht einfach ein bisschen mehr nachgegeben.
Hat sich Deine
Einstellung zu den Texten über die vielen Jahre, die Du Songwriter bist,
gewandelt?
Oh ja, absolut. Im ersten Jahr, als ich die Texte für „Rattlesnakes“ geschrieben habe, habe ich nicht groß drüber nachgedacht. Ich habe sie einfach geschrieben und es passte und ich war sehr froh, dass es klappte! Und die Vorstellung, damit berühmt zu werden, machte Spaß. Aber danach fing ich an, über die Texte nachzudenken, und ich glaube die Texte wurden dadurch viel schlechter. Und in den frühen 90ern, habe ich das wieder viel freier gesehen. Genauso was meinen Gesang angeht, ich glaube, der war in den späten 80ern auch zu ambitioniert. Ich mag die Texte aus den 90ern, aber sie sind oft etwas flüchtig. Zu viele Worte, zu viel Überflüssiges – und je älter ich werde, desto besser werden sie wieder, finde ich. Ich nehme mir Leonard Cohen zum Vorbild, da ist kein Wort zuviel drin.
Also sind die Texte
schon wichtig?
Absolut! Ich liebe, es Songwriter zu sein, und solange ich die Inspiration dafür finde, werde ich es bleiben! Songs können Deinen Tag besser machen. Können Deine Sicht auf Dinge verändern. Aber man kann Texte nicht getrennt vom Song analysieren. Und Texte können das Songwriting auch stark verlangsamen, denn selten fallen mir gleich die richtigen Worte ein, und dann kann es auch schon mal harte Arbeit sein.
Der Zeitplan für
dieses neue Album war – schon durch die Zusammenarbeit mit den vielen
verschiedenen Musikern – sehr viel enger. Trotzdem hast Du es geschafft, Deinen
Blog zu füllen?!
Nicht täglich, manche Texte sind im Nachhinein entstanden. Aber sie sind sehr hilfreich, um zu sehen, wie wir vorgegangen sind. Es ist eine Art Tagebuch für mich. Und wenn ich noch mal schauen will, wie ich etwas beim letzten Album gemacht habe, kann ich für die letzten beiden Alben einfach im Weblog nachsehen.
Gehört das auch zum
heutigen Musikbusiness dazu?
Absolut. Ich kann so auf ganz andere Art mit meinen Fans kommunizieren, sie sehen was ich mache. Und wenn wir uns manche Bestellung so ansehen, die um 2 Uhr morgens eingeht, sagt meine Frau immer – aha, ein Weiterer, der spät nachts von seinen Impulsen übermannt wurde. Aber wir nehmen das gerne!
Nun gibt es zunächst
die Tour – die Vorbereitungen darauf lesen sich durchaus spannend…
Ja, in dem Ensemble sind viele Versionen von Songs entstanden, die sich stark von den Originalen unterscheiden. Das macht es für mich interessant und es wird auch für jeden Zuschauer etwas ganz Neues.
In anderen Aspekten
schränkt Dich das Ensemble auch ein, oder?
Ja, es wird wohl mehr Musik und weniger Reden geben.
Was schade ist!
Ja, aber ich werde ja auch weiter Soloshows gaben. Und ich kann nicht so viel reden, während drei Musiker herumstehen und nichts machen.
Das ist richtig. Gibt
es schon Pläne darüber hinaus?
Nicht wirklich. Ich möchte gerne wieder Instrumentalmusik machen, weitere Songs schreiben, und gerne ein neues Album mit dem Ensemble. Mehr kann ich noch nicht sagen.