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Interview 2009
Da hatte er sich nämlich gerade von seinem kompletten Ballast getrennt – alle Regale gefegt, alle Ordner geleert, von allen Tapes und Bändern das Brauchbare herausgeholt und zusammengestellt: 59 Songs auf vier CDs, die beim Großreinemachen zusammen gekommen sind, passenderweise betitelt “Cleaning Out The Ashtray”.
Entsprechend aufgeräumt und gut gelaunt war er auch bei unserem Gespräch.
Hallo Lloyd, wie geht’s?
Ich habe den ganzen Morgen über mich selbst gesprochen, also
geht’s mir ganz gut.
Du meinst, Du magst
es über deine Arbeit zu sprechen?
Es gibt mir zumindest ein gutes Gefühl, dass sich Leute dafür interessieren.
Und dass die
Journalisten sich darüber mit Dir unterhalten möchten zeigt Dir, dass es
Interesse an Deiner Arbeit geben muss
Das ist gut (lacht), ja ich glaube ich könnte so weit gehen, das zu denken.
Wenn man diese Box so
sieht, scheint es dass Du Regale mit solchen Material voll hattest.
Ja, aber das war’s jetzt auch. Ich meine, „Cleaning out the Ashtrays“ ist ein lustiger Titel, aber er trifft den Kern eben auch: Hier gibt es alles, was mehr oder weniger fertig produziert und durchdacht herumlag und „auf eine Veröffentlichung gewartet hat“ und es irgendwie nicht auf die Alben geschafft hat. Ich war ehrlich gesagt selber überrascht, dass es so viele waren.
Aber es waren alle
fertig, es musste nichts neu im Studio überarbeitet werden?
Ja, wir hatten B-Seiten oder geplante B-Seiten, Alternativversionen oder Remixe, die eigentlich veröffentlicht werden sollten, Versionen, die die Plattenfirma nicht mochte und die deswegen anders aufgenommen werden mussten. Ich meine, die Songs stammen ja fast alle aus der Zeit, in der ich bei Universal war, da galten noch etwas andere Regeln. Da musste man sich schon mal dem Single-Diktat unterwerfen oder den Wünschen eines A&R Managers.
Also musstest Du nur
zusammensuchen und zusammenstellen?
Ja, im Prinzip schon. Und bei vielen Songs fragt man sich, warum die nicht auf einem Album gelandet sind, aber es war dann auch weniger so, dass sie schlechter waren als andere, als dass sie einfach nicht passten zum jeweiligen Album. Von den insgesamt 59 Songs gibt es gerade mal drei, die ich nicht so mag – und das ist doch ein guter Schnitt, oder?
Aber Du hast sie
trotzdem mit drauf gepackt?
Ja, wenn ich schon so ein Projekt angehe und alles alte Material zugänglich machen will, dann muss ich auch konsequent sein. Es wird keine Fortsetzung hierzu geben. Dies sind die 59 Songs, die ich hatte.
Du meinst also, es
war nicht allein Dein Fehler, dass diese Songs bislang nicht veröffentlicht
wurden?
Heute kann ich anders arbeiten, heute entscheide ich selbst, was auf dem Album landet, und welche Version die beste ist. Aber bei Universal läuft das anders, die denken in anderen Kategorien.
Tatsache ist ja, dass
die Alben gar nicht mal so sehr lang waren…
Und da kommen wir zu der Frage, was eine gute Platte ausmacht. In meinen Augen braucht ein Album nicht länger als 45 Minuten zu sein. Im Gegenteil, es kann dem Album schaden. Ich höre lieber 40, 45 Minuten toller Musik als 60 Minuten okaye Musik. Nein: Viel lieber! Es geht mir selten so, dass ich sagen, oh, schade, dass das Album zu kurz ist.
Aber in Zeiten der CD
kann sich ja dann jeder selbst seine 45 Minuten Highlights auswählen…
Aber ICH bin doch derjenige, der die CD zusammenstellt. Ich mache das Album so, dass es in meinen Augen stimmig ist. Weder die Künstler noch die Plattenfirmen wollen Playlists zur Verfügung stellen, sie kreieren ein Album. Diese Box ist im Gegensatz dazu eine Playlist. Wobei ich bei CD 1 & 3 sogar geschafft habe, ein fast Album-ähnliches Produkt zusammen zu stellen, bei CD 2 & 4 sind die Sachen oft so unterschiedlich, dass es eher eine Playlist ist. Aber das war ok für mich, denn das war der Ansatz für diese Box.
Inwieweit steht diese
Box einem neuen Studioalbum im Weg?
Eigentlich gar nicht, ich habe derzeit kein Album auf dem Weg. Ich schreibe relativ sporadisch. Es kann sein, dass ich monatelang Songs schreibe, und dann auch 6 Monate keinen Einzigen. Ich schreibe auch Songs nicht zwischendurch, sondern brauche immer eine Extrazeit – und die richtige Stimmung. Von daher stand diese Box eher im Weg für ein neues Album, weil ich schon so lange machen wollte, und erst jetzt wieder den Kopf frei habe.
Wenn Du jetzt diese
59 Songs siehst – gab es Zeiten, in denen Du besonders produktiv warst?
In den späten 80ern, war ich sehr frei mit meinem Songwriting. Ich habe sehr viel gearbeitet und habe nicht so viel drüber nachgedacht, also war meine Qualitätskontrolle zu der Zeit auch nicht ganz so aktiv. Ich hatte Spaß an der Idee, Songs zu kreieren, und viele Ideen waren auch nicht so ausgearbeitet. Demgegenüber habe ich für „Bad Vibes“ relativ wenige Songs geschrieben – da hatte ich mehr Textideen als musikalische. Deswegen erscheint mir dieses Album heute als etwas erzwungen. Das besserte sich wieder Mitte der 90er für „Love Story“.
Das erklärt
vielleicht, warum „Bad Vibes“ auch nicht Dein stärkstes Album war, oder?
„Love Story“ war das Album eines Mitt-Dreißigers, der verstanden hatte, dass er ein Singer/Songwriter mit einer gewissen Vorliebe für Folk war. Denn es war v.a. auch eine Reaktion auf das Vorgängeralbum „Bad Vibes“, das alles mögliche war, nur nicht Lloyd Cole. Und nach „Love Story“ wollte die Plattenfirma gerne einen Part 2, der dann aber nie veröffentlicht wurde, bzw. nicht damals. Jahre später habe ich das unter dem Namen „etc.“ veröffentlicht.
Diese Box ist eine
weitere Veröffentlichung in einer Diskografie, die v.a. in den letzten Jahren
sehr stark angewachsen ist – mit Live-CDs, BBC-Aufnahmen, etc., ist das der
einzige Weg, heute als Musiker zu überleben?
Ich verdiene nicht viel an den BBC-Platten und auch nicht viel an dieser Box, außer die Leute bestellen sie direkt von meiner Website (lacht). Natürlich helfen diese Veröffentlichungen, aber was diese Box angeht: Die Rechte an den Songs liegen bei Universal, also werden sie den Löwenanteil bekommen. Und es wird noch ein paar Jahre dauern, bevor ich wieder Geld von denen bekomme, weil die damals schon mehr vorgestreckt haben, als ich eingebracht habe.
Wovon lebst Du dann?
Die letzten Platten habe ich über Sanctuary veröffentlicht, indem ich sie an sie lizensiert habe. Das bringt schon mehr. Dann werde ich immer noch mal im Radio gespielt, das bringt immer mal was. Und dann kommt das live spielen.
Und das steht jetzt
an.
Live spielen ist eine gute Zeit für mich, Songs zu schreiben. Was soll man sonst mit dem ganzen Tag machen?
Die Tour bestreitest
Du allein – was heißt das für das Album das Du schreibst?
Das heißt erst einmal noch gar nichts. Ich schreibe erst einmal die Songs, was dann daraus wird, entscheidet sich später.
Immerhin warst Du
zuletzt ja etwas mehr zum „Band-Sound“ zurückgekehrt…
Ja, „Antidepressant“ ging mehr in die Richtung, sicher. Die neuen Songs, an denen ich arbeite, klingen für mich, als wenn es in eine ähnliche Richtung gehen würde – aber es ist noch zu früh, um dazu wirklich etwas zu sagen. Ich arbeite gerne mit anderen zusammen, aber ich habe kein Interesse an einer festen Band-Situation mehr. Ich mag den Gedanken nicht, dass andere von mir abhängig sind, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.