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Interview 2008 für das Magazin Melodie & Rhythmus
- Ein älteres Interview mit Wolfgang Niedecken findet ihr HIER 1999!
Auch eine Variante:
Um die große Zahl an neuen Songs unterbringen zu können, veröffentlichten die
Kölner ihr letztes Album „Radio Pandora“ einfach in zwei Versionen – der klassischen Rockscheibe und dem
akustischen „Unplugged“-Album. Was ein bisschen darüber hinwegtäuschen kann,
dass sich musikalisch nicht so sehr viel geändert hat. Sänger Wolfgang
Niedecken im Gespräch.
M&R: Manch einer hätte vielleicht eine Zäsur
erwartet nach der letzten Werkschau. Geht’s einfach immer weiter, oder was ist
neu an BAP?
WOLFGANG NIEDECKEN: Hmm, raffinierte Frage. Neu ist, dass wir vier Jahre Zeit hatten, das, was neu ist, für ein neues Album zu verarbeiten. Normalerweise haben wir da immer nur zwei Jahre, darin liegt dann noch ein knappes Jahr, das wir mit dem letzten Album unterwegs waren. Wenn man vier Jahre Zeit hat, zu erleben und Musik kommen zu lassen, kann man natürlich etwas so Ausgeruhtes machen, wie wir es jetzt gemacht haben. Und das ist wahrscheinlich neu, diese Gelassenheit. Ich weiß noch, dass ich irgendwann zwischen dem „Aff un zo“ und dem „Sonx“ –Album Angst vor meiner eigenen Courage bekam und dachte, wie sollen wir denn je wieder ein solches Album hinbekommen? Mein Keyboarder beruhigte mich dann und sagte, mach Dir mal keine Sorgen, wir haben schon genug Ideen.
M&R: Vor dieser Situation steht man ja
eigentlich jedes Mal, oder?
NIEDECKEN: Ja, das stimmt schon, aber trotzdem fängt man ja auch immer wieder bei Null an. Aber dann kommen meine Jungs mit musikalischen Ideen – die schicken mir die ja immer als Demos, und ich mache mir meine Gedanken dazu, wenn mir was einfällt, umso besser. Und irgendwann ist es dann so weit, dass man die Sachen, die man fertig hat, einfach mal zusammen packt, und in einer gemeinsamen Session gemeinsam anhört. Und das war für dieses Album im letzten Sommer 2007 der Fall. Ich bin daran gegangen, hab meine eigenen, relativ unarrangierten Songs besungen – die klingen dann ja immer so ein bisschen wie eine alte Dylan-Platte – und auch die Songs, die ich von den anderen hatte, und dann hatten die anderen die Möglichkeit, sich dazu ihre Gedanken zu machen. Und dabei kam sehr schnell heraus, dass wir zu viele Songs hatten. Wir hatten also das schöne Problem, dass wir anfangen mussten, zu überlegen, was wir weglassen könnten.
M&R: Das heißt, nach dieser langen Pause konnte
eigentlich gar nichts anderes herauskommen, als ein Doppelalbum, bzw. zwei CDs…
NIEDECKEN: Die Alternative wäre gewesen, dass wir so lange zusammen gekürzt hätten, bis wir ein einzelnes Album hätten…
M&R: …aber das ist Deine Sache nicht?
NIEDECKEN: Doch, das ist auch meine Sache, denn ich bin ja der Überzeugung, dass hinter einem großen Maler auch immer ein guter Herauswerfer steht, aber auch nachdem wir die Sachen wirklich etliche Male durchgeforstet hatten, konnten wir uns immer noch nicht einigen. Gut, wir hätten die Coversongs weglassen können, aber irgendwie hätten die dann auch wieder gefehlt… und dann kam Einer von der Plattenfirma mit der Idee eines Plugged- und Unplugged-Albums, was eben den Vorteil hatte, dass man ein Drittel mehr verwenden konnte, weil sich die Alben ja nur zu zwei Dritteln überschneiden.
M&R: Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen –
was vielleicht nicht ganz, aber doch relativ neu ist, sind die
Country-Elemente, wie z.B. die Pedal-Steel-Gitarre – kann man damit in
Deutschland punkten?
NIEDECKEN: Keine Ahnung, es geht eigentlich nur darum, dem Song eine Facette hinzuzufügen, die ihn stärker machen. Ich hätte eigentlich bei noch mehr als drei Songs eine Pedalsteel gehabt, aber da die Gastmusiker immer erst ganz am Schluss kommen, sind die Claims bis dahin gut aus den eigenen Reihen abgesteckt. Aber bei den drei Stücken habe ich gekämpft dafür, weil ich dachte, es passt hier einfach am besten.
M&R: Das sind also auch Sachen, die Du im Kopf
hast und mit einbringst?
NIEDECKEN: Ja, wie gesagt, für ein Unplugged-Album muss man sich ja auch ein bisschen was einfallen lassen. Also haben wir uns mal die Unplugged Alben der zwei größten Helden – Bob Dylan und Neil Young – vorgenommen und geschaut, was da so vorkommt, und das waren u.a. Pedalsteel und Hammond, also haben wir gesagt, dann dürfen wir das auch verwenden, auch wenn die elektrisch abgenommen werden.
M&R: Dylan und Young – Du bleibst Deinen Idealen
also treu…
NIEDECKEN: Ich versuche es, es sei den, es kommen mal noch bessere daher… das sind schon Leuchttürme!
M&R: Musikalisch gibt es – gerade nach dem
letzten Rockalbum „Sonx“ – erst einmal hauptsächlich gemächlichere Töne, oder?
NIEDECKEN: Nun, wir sind ja auch gemütlich… aber hör Dir „Wat für e Booch!“ an, da musst Du schon lange suchen, um eine Band zu finden, die so los rockt, und dann auch noch gehaltvoll, ich meine, lauten Krach machen kann jeder. BAP sind auf jeden Fall noch eine Rockband – und waren sie auch schon immer. Und für mich schließt es auch direkt an „Sonx“ an.
M&R: Einer der musikalisch auffälligen, relativ
dramatischen Songs ist z.B.
„Wa’ss loss met dä Stadt?“
NIEDECKEN: Ein Text, den ich schreiben musste, nachdem ich seit vielen Jahr erstmals wieder in New York war. Die Atmosphäre in New York ist heute einfach eine andere, und viele meiner alten Freunde konnten mich da nur bestätigen. Für meine Generation war New York ja immer ein Traumziel, und heute hat es plötzlich etwas verklebt ängstliches. NY war immer geradlinig. Aber heute fährst Du durch den Holland-Tunnel und denkst plötzlich, hört der denn nie auf, weil meine Panik immer war, dass so eine Bombe mal in einem Tunnel hoch geht, Du wirst überall mit dieser klebrigen Angst konfrontiert. Daneben ist diese Schere zwischen arm und reich so riesig geworden, auch dazu sieht man überall Beispiele – nein, NY ist nicht mehr das alte.
M&R: Du hattest Dich zuletzt für das Best-of
gerade wieder intensiv mit Deinen Klassikern auseinander gesetzt – werden neue
Songs jemals dieses Status erreichen können?
NIEDECKEN: Das liegt nicht an uns. Das hängt davon ab, wie man die neuen Songs hört, wie man sich auf die neuen Songs einlässt. Wenn man seine Frau zu „Do kanns zaubre“ kennen gelernt hat, und diese Frau immer noch liebt, wird kein Song jemals da heran kommen. Und das gilt für jede andere Dekade und für jeden anderen Song.
M&R: Und für Dich persönlich?
NIEDECKEN: Für mich ist das keine Frage. Das ist kein Werbespruch – es hat noch keine BAP-Besetzung gegeben, die dermaßen ineinander verzahnt und so perfekt funktioniert, wie die aktuelle. Und das, was wir momentan abliefern, kann man nur mit einer riesigen Erfahrung, die man sich über Jahrzehnte erarbeitet hat. Man muss diese Gelassenheit leben, die kann man nicht als Garagenband bringen, die mit Ach und Krach die Akkorde behalten kann.
M&R: Hast Du es je bedauert, dass das
Unternehmen BAP als feste Band nicht funktioniert hat – oder anders
ausgedrückt: Hat es nur Vorteile, dass Du alleine die Fäden in der Hand hältst?
NIEDECKEN: Der Spruch ist leider nicht von mir: Die einzige Konstante ist die Veränderung. Es gibt keine so genannte Originalbesetzung. Und wenn ich die Frage dahin ummünze, ob ich mit der aktuellen Besetzung glücklicher bin, als mit irgendeiner anderen, dann ja!
M&R: Gleichzeitig musst Du immer Deinen Kopf
hinhalten!
NIEDECKEN: Aber ich habe seit dem „Amerika“ Album immer das letzte Wort – und das ist gut so. Ich beanspruche das sehr selten, da würde ich die anderen auch unnötig bevormunden, ich habe ja auch stetig dazu gelernt.
M&R: Und wir stellt man dieses Album jetzt
adäquat live vor? Wird es einen Unplugged Part geben?
NIEDECKEN: Das hängt von der Hallengröße ab – je größer die Halle, desto kürzer
der Unplugged Part, das versendet sich sonst. Wenn man da vorne vor sich
hinklimpert, ist es schon relativ schwer, eine große Halle einzufangen, da haut
man besser auf de Zwölf.
M&R: Hast Du eigentlich das Gefühl, textlich heute
eher mehr oder weniger politische Songs zu schreiben?
NIEDECKEN: Ich glaube, dass ich mehr meinen Weg gefunden habe – aber das nicht nur beim neuen Album. Ich glaube, dass ich mehr Gefühl bekommen habe, was man machen kann, und was man besser sein lässt. Stücke, die z.B. zu einer bestimmten Handlung Aufforderung, habe ich mir schon vor 25 Jahren abgeschminkt. Das ist heute eher aus meiner persönlichen Sicht – und als Familienvater stehe ich nicht mehr auf dem Tisch. Das ist heute eher abgeklärt. Ich habe mir immer vorgenommen, bloß kein Berufsjugendlicher zu werden. Ich bin da auch einer sehr starken Kontrolle ausgesetzt… meine Söhne weisen mich sehr schnell darauf hin, ob etwas zu mir passt, oder nicht.
M&R: Letzte Frage – Stichwort längste Band bei
der EMI – ist es das, oder ist es auch Patriotismus, nicht solche Wege zu gehen
z.B. Radiohead?
NIEDECKEN: Ohne da jemandem zu nahe treten zu wollen, aber dieses Radiohead-Ding macht genau eine Band, die zweite macht schon Radiohead nach, und wenn eine Band verkündet, nicht mehr über die EMI zu veröffentlichen, dann läuft es bei denen auch gerade nicht so gut, also da muss man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen.
Wir haben erkannt, dass es am besten ist, wenn wir was Ordentliches abliefern und uns ansonsten darauf konzentrieren, eine gute Live-Band zu sein, und ansonsten darauf vertrauen, dass andere Leute am besten wissen, wie sie uns unterstützen können.