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BAP  Bandportrait

Interview 1999 für das Live Magazin, Saarbrücken

 

1979 Die Schülerband um Sänger Wolfgang Niedecken nimmt ihre erste LP „...Rockt andere kölsche Leeder“ auf. Auftritte passieren auf Stadt(-teil)- und Schulfesten.  1980 folgt die zweiten LP „Affjetaut“ und der Einstieg von Gitarrist Klaus „Major“ Heuser und Keyboarder Alexander „Effendi“ Büchel. Mit ihrem dritten Album „Für Usszeschnigge“ (1981) steht der große Durchbruch bevor: „Verdamp lang her“ und „Wellenreiter“ machen die Kölschrocker zu Stars. Die erste bundesweite Tournee folgt und die Führung der Albumcharts lösen sie selbst mit ihrem Nachfolger „Vun drinne noh drusse“ ab. 17 Jahre, acht Alben, diverse fließende Bandbesetzungswechsel und einige Kapitel in der Erfolgsgeschichte weiter folgt 1999 der große Knall: Im Jubiläumsjahr beschließen die dienstältesten Mitglieder neben Niedecken, Heuser und Büchel den Abschied. Doch auch diesen Wechsel scheint die Band unbeschadet überstanden zu haben. Nach „Comics & Pin-Ups“ im Januar folgt ein weiteres neues Album! Halbvoll mit einem Flashback auf 25 Jahre „on the road“, halb voll mit neuen Songs, die dieses Konzept ergänzen. Vorgestellt im September auf der kölschen Art der CD-Präsentation – mit Live-Gig. Dazu Wolfgang Niedencken im Gespräch. 

Niedecken: Andere laden ein paar Leute ein, spielen die CD vor und reichen Lachsschnittchen, diese Art von Veranstaltung machen wir jetzt seit geraumer Zeit nicht mehr, bei uns muß man vorher gegessen haben... Nein, erstens bekommen wir so das Feedback besser mit, weil die Leute einfach anders drauf sind, als wenn sie eine CD hören. Viel wichtiger aber ist uns, dass wir, wenn wir die CD schon vorstellen, das dann vor denen machen, die wirklich darauf gewartet haben. Und wenn dann ein paar Medienverteter dabei sind, wunderbar. Wir haben das vor ein paar Jahren mit der Zugtour gemacht, und diesmal haben wir insgesamt 6 Orte ausgewählt,  und dann waren noch 2 große Open Airs in Kiel und in der Eiffel vor 15000 Zuschauer, die anderen so kleine Kino-Gigs. Das ist dann schon mal ein Eindruck von dem, was auf der Tournee so passieren wird.

Großes Open Air – das ist dann aber ja doch der Sprung ins kalte Wasser für die beiden neuen. Sollten sie nicht extra in neuer Atmosphäre und Umgebung auf der Winter-Tournee vorgestellt werden, damit sie nicht live genau das machen müssen, was ihre Vorgänger dargestellt haben?

Niedecken:  Ja, auf den großen Gigs war das natürlich nicht möglich, aber man ist ja auch froh, wenn man gefordert ist. Für die beiden war´s natürlich hart, die mußten jetzt auf die Schnelle 40 Songs einproben. Aber es hat ja gut geklappt, es steht, wunderbar. Und so stellen wir eben ein paar von den neuen Songs vor.

Was ist denn das neue Album – ist das jetzt eine Retrospektive oder ein „unplugged“-Album...

Niedecken:... man muß ja nicht immer für alles ´ne Schublade haben. Die ersten zwei Stücke würden für ein „Unplugged“-Album durchgehen, der Rest ist im Prinzip das, was die Stones mit ihrem „Stripped“ Album gemacht haben – eine abgespeckte Produktion, ohne übereinandergelagerte Instrumente und Sounds, das ist alles live spielbar – ist ja auch quasi live eingespielt, in zwei Wochen in Südfrankreich, und es soll eben eine Bestandsaufnahme der Band zu diesem Zeitpunkt sein. Das ist ja schon eine ganz irre Situation in diesem Jahr. Es war geplant, im Herbst auf „unplugged-Tournee“ zu gehen, was dann auch live vor Publikum und mit Streichquartett aufgenommen worden wäre, das war auch sogar schon eingeprobt, bloß dann kam der Ausstieg vom Major und dem Effendi, also den beiden Leuten, die am meisten diese unplugged-Geschichte wollten. Alle anderen hatten immer nur quasi eingewilligt, das mitzumachen. Und zwei Tage vor Weihnachten kam der Major dann plötzlich und sagte ´du, ich hab´mir überlegt, nach den Sommer-Open Airs steige ich aus´.

Naja, neue Situation, neue Leute waren schnell gefunden, aber der Album-Plan wurde dann eben etwas geändert, die Stücke großteils nochmal ausgetauscht und eingeprobt, dann kamen die Hallenkonzerte der „Comics & Pin-Ups“-Tour mit der alten Besetzung, dann die Aufnahmen in Südfrankreich mit der neuen Band, dann die Open Airs wieder mit der alten Band, kurze Pause und wieder Gigs mit der neuen Band. Ja und hier sind wir jetzt. Völlig verrückt. Aber wir sind froh, dass wir das so gemacht haben und dass das so geklappt hat, denn ich glaube, so eine Art von verzahntem Besetzungswechsel hat es bisher noch nicht gegeben.

Nee, ich glaube, schmerzloser geht es nicht.

Niedecken: Nein, und  es hat auch etwas mit Respekt zu tun. Ich meine, man kann auch auseinandergehen und sich angiften, aber das hat hier nicht stattgefunden. Wir haben erkannt, dass es auch nach einer so langen Zusammenarbeit ein getrenntes Weiterarbeiten möglich ist.

Nochmal zum neuen Album – kannst Du den „roten Faden“ hinter der Songauswahl zusammenfassen?

Niedecken: Es ist die Geschichte dieser Band von innen erzählt, also nicht festgemacht an irgendwelchen Karrierepunkten oder „Big Hits“ – wir hätten es uns jetzt ja auch ganz einfach machen können, und alle Hits einfach noch mal auf der Wanderklampfe spielen, und das wäre dann auch ganz einfach zu definieren gewesen. Das wäre uns aber zu vorherrsehbar und vor allem uns selbst auch zu langweilig geworden – wir wollen ja selbst auch ein bisschen Spaß haben. Wir haben einen Haufen Stücke, die in diese Rubrik „Roadsongs“ fallen. Die waren auf allen Alben vertreten, davon sind machen sogar noch liegengeblieben und einige neue Geschrieben worden, und diese Songs erzählen, was mit den Leuten in dieser sich ständig neu formierenden Band eigentlich los ist.

Ein Titel der für mich immer der ultimative „Roadsong“ war, war „Frau ich freu mich“...

Niedecken: Ja, aber es gab auch eigentlich zu viele schon, und der war ja dafür auf der „Big Hits“ schon mit drauf. Ich meine, wir hätten auch locker eine Doppel-CD machen können – Kunststück, wenn man seit 20 Jahren unterwegs ist, und man schreibt über das was einem passiert und was einen bewegt, dann kommen eben so viele Roadsongs zusammen – iss aber nun eben nicht.

Aufgenommen in Südfrankreich – warum?

Niedecken: Da konnten wir uns in Ruhe in der neuen Zusammenstellung zusammengefunden, das Studio hatte für diese Art Album die ideale Atmosphäre: sehr locker, sehr familiär, sehr entspannt, und genau das wollten wir natürlich auch, denn nur so konnte das Album so werden. Ich glaube, in einem High-Tech-Studio in einem Kölner Industriegelände wäre die Vibrations einfach ein wenig anders gewesen...

Würdest Du sagen, dass sich deine Stimme in den letzten Jahren verändert hat?

Niedecken: Ja

Dave Mustaine von Megadeth hat sogar nach seinem 7. Album noch Gesangsunterricht genommen – hattest Du so etwas auch mal?

Niedecken: Um Gottes willen! Bob Dylan hat mal Gesangsunterricht genommen – und die Platten konnten man sich nicht anhören. Das hat er dann glücklicherweise auch mal gemerkt. Habe ich nie genommen. Lediglich ein bisschen Atemtechnik und so, das muß man lernen, aber Gesangsunterricht ist Quatsch. Ich meine, einem Opernsänger würde ich das vielleicht raten, aber bei Rockmusik... ich weiß nicht. Meine Stimme ist in den Jahren immer tiefer geworden.

Sind die Stimmbänder ausgeleiert?

Niedecken: Ja, das leiert schon aus, so etwas. Wird ja ständig gebraucht. Aber ich mag das schon gerne, ich steh dazu. Ist auch interessant, dass die ersten Songs auf dem Album viel rauher sind, als so ab Song 3 / 4. Wir haben chronologisch aufgenommen, und auf den ersten drei Nummern habe ich noch meine „Tourstimme“.

20 Jahre Bap – was hat sich geändert für Wolfgang Niedecken ´79 und heute?

Niedecken: 1979 war ich blutiger Amateur und haben Musik betrieben als Nebenberuf neben meinem eigentlichen Job als Maler oder freischaffender Künstler und habe Spaß gehabt, dass ich mir damit meinen Lebensunterhalt verdienen konnte, und es war für mich überhaupt niemals abzusehen, dass ich da je von Leben könnte, wie das heute der Fall ist, dass ich mir davon sogar eine Familie leisten könnte. Auf der anderen Seite bringen die Tourerfahrung und die vielen Musikerbekanntschaften auch mit sich, dass das alles versierter wird und auf einem anderen Level angekommen ist. Also man kann Bap ´79 eigentlich kaum mit heute vergleichen. Ich bin froh, dass die Spielfreude die gleiche geblieben ist, dass das alles immer noch eine Sache von Überzeugungstätern ist, und kein reiner Plattenfirmen-Hype. Das macht schon Spaß, und das wird auch genau so lange weitergehen, wie es Spaß macht.

Was bedeutet Musik für Dich?

Niedecken: Ganz einfach: Musik ist ein Lebensmittel. Wenn ich keine Musik hab, dann fehlt mir was, dann verkümmert bei mir was.

Kann ich nachvollziehen. Zur Tournee: Das Publikum wird sitzen, oder? Sind dafür die Hallen nicht schon ganz schön groß?

Niedecken: Nein eigentlich nicht. Ich glaube, wir haben schon ein gutes Maß gefunden. Wir hängen ja in den Dilemma, dass wir einen „Break-even“ bei 1200 ungefähr haben, weil die Produktion ja schon recht aufwendig ist, an Musikern, Instrumenten, Crew etc. Aber wir wollen diese Tournee machen, wir konnten ja nicht nochmal die gleiche Tour wie im Frühjahr machen. Wir hätten auch ganz einfach sagen können, wir vergessen die ganz leisen Nummern, wir buchen die ganz normalen Hallen und hauen auf die 12 und versuchen so viele Nummern vom neuen Album unterzubringen, und füllen dann einfach auf mit Big Hits. Aber das passt auch nicht mit der Idee dieses Jubiläumsjahres zusammen. Diese Tournee soll definitiv ganz anders werden!

Eine abschließenden Frage zum Major: Er will jetzt auf die andere Seite der Regler, also hinter´s Mischpult. Ist da dann auch eine Zusammenarbeit mit Bap noch denkbar?

Niedecken: Das glaube ich nicht, das wäre ja nichts wirklich anderes für ihn. Ein wesentlicher Grund für seinen Ausstieg war, dass er andere Acts produzieren will und eine Soloplatte machen will, ein anderer, dass unsere musikalischen Vorlieben sich einfach immer weiter voneinander entfernt haben. Major will Pop-Platten produzieren, und ich möchte Rockplatten produzieren, und irgendwann wird der Spagat zu groß. Und deshalb muß man irgendwann das Format besitzen, die Sache zu beenden. Wir haben es bei „Comics & Pin-Ups“ ja noch geschafft, aber wenn er jetzt meint, es geht jetzt nicht mehr, es macht ihm jetzt so zu wenig Spaß, dann soll er seine eigenen Sachen machen, und dann kann ich das auch völlig nachvollziehen. Aber dass Major Bap dann produzieren würde, wäre natürlich Quatsch.

 

Aktuelle CD:  Tonfilm (EMI)

Ralf Koch