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Interview November 2017. Ältere Interviews gibt es hier: 2013 + 2010 + 1995.
Vier Jahre haben
sie sich einfach mal Zeit gelassen, Platten- und Managementvertrag auslaufen
lassen, Keyboarder Malte gehen lassen – und starten nun gelassen eine neue Ära.
Selig III., sozusagen. Nach dem relativ Pop-orientierten „Magma“ geben sie sich
schnörkelloser, rauer und sperriger gehen damit ein bisschen zurück zu ihren
Anfängen. Wie diese Entwicklung angefangen hat, erklären Bassist Lenard „Leo“
Schmidthals und Schlagzeuger Stephan „Stoppel“ Eggert im Interview.
>> Live sind Selig am 29.11.2017 im Modernes,
Bremen <<
Herzlichen
Glückwunsch! Ein neues Album und wieder ein Album, auf das sich alle Fans
freuen können!
Leo: Danke,
sehr gerne. Wir hoffen es, denn wir sind sehr glücklich damit. Wir sind
geschlossen begeistert.
Es war ja
absehbar, dass es weitergeht – worauf man bei den ersten Alben ja nur hoffen
konnte – was war jetzt eure Herausforderung?
Stoppel: Naja,
wir haben ja eine kleine Pause hinter uns – drei Jahre seit dem letzten
Studioalbum, wir hatten also eine Pause voneinander. Also haben wir uns 2016
wieder getroffen und gekuckt, ob wir gemeinsame Musik finde, die wir alle gut
finden. Das war das Hauptziel, das wir hatten. Sind wir eine Band, haben wir
etwas zu sagen, haben wir gemeinsame Schnittmengen.
Leo: Wir
hatten keine Plattenfirma, kein Management, nur eine Konzertagentur, die immer
mal nachgefragt hat.
Gab es denn
Zweifel, dass das so klappen könnte?
Leo: Wir haben
gehofft, dass wir uns immer noch so nahe sind, aber sicher war das nicht. Das
war wie ein großes weißes Blatt Papier – und eine dritte Phase, in die wir
gestartet sind, als wir uns letztes Jahr nach Schweden aufgemacht haben. Wir
waren ja, wie gesagt ganz frei, wie am
Anfang, ohne irgendwelchen Druck von außen, nur wir vier, und haben uns gesagt,
wir fahren jetzt mal in ein Haus, ganz weit weg, und machen Musik. Eine tolle
Erfahrung. Eine Schneelandschaft, wir mussten erstmal den Kamin anmachen und es
war sofort eine Stimmung von Gemeinsamkeit – Frühstück, Wanderung im Schnee, da
kam die Musik wie von selbst. Aber das war natürlich auch ein Ergebnis der
Tatsache, dass wir Zeit füreinander hatten, alle voll da waren und uns nicht
irgendwelche Tracks online hin und her geschickt hat. Wir haben gemeinsam Musik
gemacht!
Das weiße Blatt
Papier – das Los des Künstlers, oder?
Stoppel: Wir
hatten ja auch schon Albumproduktionen, bei denen wir Ideen mitgebracht haben,
aber dieses Mal war das Papier wirklich komplett weiß. Aber wir waren von
Anfang an so gut drauf, dass wir wirklich angefangen haben. Wir hatten ein
bisschen Equipment mitgenommen und stellten dann sogar fest, dass das in dem
Haus auch noch so gut klingt, so dass wir letztendlich fast das ganze Album da
aufgenommen haben.
„Unsterblich“
greift ja ein bisschen das Thema der letzten Alben wieder auf – „Von Ewigkeit
zu Ewigkeit“, „Und Endlich Unendlich“ – vorher noch auf die Lebenszeit
begrenzt, ab jetzt sogar darüber hinaus?
Leo: Naja,
zumindest hinterlassen wir ja etwas, wenn wir mal nicht mehr sind. Damit kann man
sich ja unsterblich machen.
Ist ein recht
kräftiger Opener! Seid ihr noch die Rocker, die ihr da zeigt?
Stoppel: Ja,
total. Das hat so unglaublich Spaß gemacht, dieses Stück aufzunehmen – und als
wir das unseren Freunden vorgespielt haben, war das auch immer das Stück, bei
dem alle am meisten ausgeflippt sind.
Leo: „Unsterblich“
geht auch auf eine Session zurück, von denen wir da ja viele gemacht haben.
Deswegen war uns das so wichtig, weil das einen dieser Momente widerspiegelt,
bei dem die Band einfach schwingt und wo uns das so gut gelungen ist.
Danach wird’s ja
erstmal etwas ruhiger…
Stoppel: Ja,
das war uns auch wichtig. Wir haben uns viele Gedanken über die Reihenfolge
gemacht und wollten diese Dynamik. Man verlässt eine Welt mit einem Song und
kommt mit dem nächsten in eine andere Welt.
Leo: Das
wichtige ist für uns, dass Text und Musik eine Einheit bilden. Bei „So wie du
bist“ geht es eben etwas fröhlicher zu und verlangt nach anderen Farben. Jeder
Song hat eine Atmosphäre, wir benutzen auch immer wieder verschiedene
Instrumente, so dass es immer wieder Überraschungen gibt. Aber ich weiß, was du
meinst, es ist nicht durchgängig ein Rock-Album.
Stoppel: Aber
ist bleibt schon alles Selig! Ich meine, wir hatten ja auch verschiedene Sachen
gemacht, „Hier“ war ziemlich düster“, „Magma“ war eher poppig, wir waren ja nie
festgelegt auf nur Stoner Rock oder nur 70s.
Das stimmt. Gerade
mit dem letzten Album „Magma“ wart ihr ja auch gerade wieder im Radio
angekommen, da gab es einige Stücke, die radiokompatibel – und trotzdem super
waren, während die „Hit-Momente“ auf dem neuen Album etwas rarer gesät sind,
oder?
Leo: Das liegt
ganz im Auge des Betrachters (lacht). Aber wir hatten zum Zeitpunkt der
Aufnahmen ja auch keine Plattenfirma, die uns jetzt bedrängt hätte… aber ich
könnte mir schon vorstellen, dass z.B. „Wintertag“ vielleicht unser „Last
Christmas“ wird.
Gleichzeitig war
auch die Produktion sehr viel Pop-orientierter, weicher, jetzt ist alles wieder
rauher, präsenter.
Stoppel: Ja,
wir haben selbst produziert, waren sogar unsere eigenen Toningenieure. Bei
„Magma“ hatten wir ja mit Steve Power einen Produzenten, der noch nie ein
Rock-Album gemacht hatte, das spiegelt sich natürlich wider.
Also müssen wir
uns euch beim Aufnehmen des neuen Albums als vier Freunde in einem Raum
vorstellen?
Stoppel: Ja,
dieses Mal haben wir das genauso gemacht. Früher gab es das auch, aber der
Aufnahmeprozess war oft nachbearbeitet, einzelne Spuren ergänzt – bei diesem
Album haben wir oft Live-Takes benutzt.
Selig sind auf den
deutschen Markt begrenzt, oder?
Leo: Ja, das
reicht. Wir haben ja mal beim South X Southwest in Texas gespielt und hatten
auch weitere Angebote, in Amerika zu veröffentlichen, wenn wir denn englisch
singen würden, aber das wollten wir gar nicht.
Ihr habt Stoner- und 70s-Rock schon erwähnt – eine
Musikrichtung, die derzeit geradezu boomt. Hört ihr das auch privat selbst?
Stoppel: Das
ist gute Musik! Aus der Zeit kommt halt so viel gutes Zeug – und das kriegen
auch die jungen Leute mit. Kein Wunder, dass sich davon so viele inspiriert
fühlen.
Zur kommenden
Tournee: Zwischendurch gab es ja ein Akustikalbum plus Tournee von euch – ist
das Kapitel abgeschlossen, oder noch Teil eures Live-Sets?
Leo: Nee, das
ist abgeschlossen. Das war eine Übergangs-Sache, ein Experiment zwischendurch
und die Tournee hat auch viel Spaß gemacht, aber wir hatten eine interessante
Erfahrung, als unser Computer abgerauscht ist und wir festgestellt haben: Ohne
Computer ist viel geiler! Also spielen wir jetzt wieder Rock! Ohne Computer.
Apropos: Was ist
eigentlich mit Malte (Neumann, Keyboards)?
Stoppel: Das
zeichnete sich zur Best-of-Platte ab. Die Stimmung war ohnehin nicht mehr so
prickelnd und als die Anfrage kam, ob wir das nicht machen wollten und die
Songs neu aufnehmen, hat er sich zurückgezogen, weil er das partout nicht
wollte. Und seit dem geht`s ohne ihn. Krach, Ende. Trennung.
Deswegen brauchtet
ihr den Computer?
Stoppel: Ja,
teilweise haben Leo und Christian das live gespielt, teilweise haben wir uns
technisch geholfen. Und auf dem neuen Album gibt es eben überhaupt keine Tasten
mehr. Wenn etwas flächig klingt, sind das Effekte vom Bass oder der Gitarre.
Leo: Oder Chor.
Und live werdet
ihr euch wieder abwechseln, bzw. Samples verwenden, oder ganz einfach ohne
Tasten auskommen?
Leo: Nein,
dieses Mal geht es ohne Tasten – und wir haben ja unseren fünften Mann am
Mischpult, der die Leute ja immer wieder in Ekstase versetzt mit seinem
Wahnsinnssound, den er uns verpasst. Insofern brauchen wir keine Tasten. Es
fehlt nichts.
Wieviel Zeit habt
ihr für Nebenprojekte, habt ihr noch eure anderen Dinge laufen? James Last ist
ja nun nicht mehr…
Stoppel: Nein,
das stimmt – und ist auch ein schlimmer Verlust. Für alle! Aber ich habe meine
Zeit gehabt, alles gut. Wir haben zwischendurch immer auch andere Sachen, aber
wir haben auch keinen festen Plan, wann wir wieder Selig machen, Album oder
Tour – wir sehen, wie es kommt.
Diese Sessions in
Schweden waren ja schon wieder sehr eng – wie in alten Tagen! Eine Sache, von
der ihr im Nachhinein gesagt hattet, dass ihr das so eng nicht mehr werden
lassen wolltet…
Stoppel: Ja,
einfach auch, weil wir ja immer nur 10 Tage nach Schweden gefahren sind, da
sehr viel und sehr intensiv zusammen waren, aber zwischendurch haben wir immer
wieder Phasen und Wochen gehabt, in denen jeder für sich nach Hause gefahren
ist. Und das waren einfach perfekte Bedingungen.