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Interview 2011 - Ein Magnum Interview von 2007 gibt's hier.
Sie sind immer noch
eine der wichtigsten und einflussreichsten britischen Rockbands. Das
kompositorische Gespür von Bandvorsteher und Gitarrist Tony Clarkin und die unverwechselbare
Stimme von Bob Catley stehen für einen einzigartigen Sound im melodischen Hardrock,
der seit vielen Jahren und fast ebenso vielen Veröffentlichungen ihr
Markenzeichen ist. Gegründet 1972 gehören sie zudem zu den ältesten Bands ihres
Genres – und trotzdem möchte man meinen, sind sie erst in den letzten Jahren
endlich „angekommen“, um sich in genau diesem musikalischen Setting so ausleben
zu können, wie sie möchten. Mit Alben, die vor Selbstbewusstsein strotzen, und
mit Songs, die abwechslungsreich aber wie aus einem Guss klingen und zu den besten
gehören, die sie je geschrieben haben. Was auch Tony Clarkin gleich zu Beginn des Interviews klarstellt: Ich glaube, dass es das beste Album,
das wir je gemacht haben.
Sagt man das
automatisch über sein aktuelles Album, oder was macht dieses Album so wertvoll?
Es hat mich rund 9 Monate gekostet, dieses Album zu
schreiben und zuhause aufzunehmen. Dann sind wir ins Studio gegangen und ich
habe die Jungs ihre Parts aufnehmen lassen. Und ich habe immer wieder an den
Arrangements gearbeitet – auch bevor ich sie irgendjemandem vorgespielt habe,
inklusive Bob. Ich hatte eine Menge Material – rund 40 Songs, mit denen ich
angefangen bin. Und in den 9 Monaten habe ich immer wieder Songs
rausgeschmissen, habe Elemente geändert, Arrangements geändert, alles, was ich
nicht zu 100% befriedigend fand, wurde geändert.
Es ist also mehr oder
weniger alles fertig – Text wie Musik – bevor die anderen Musiker die Songs zum
ersten Mal hören und einspielen?
Ja. Was nicht heißen soll, dass nicht hin und wieder auch
hier und da auch noch etwas geändert werden kann. Und sei es nur am Gesang.
Manchmal muss Bob ein paar Tage später eine Zeile noch einmal neu einsingen,
weil ich ein Wort geändert habe. Ich bin da ziemlich pingelig, was die Texte
angeht. Immerhin ist es dann da – für immer. Manchmal frage ich mich viel
später, warum ich manche Sachen so oder s gesagt habe… aber dann ist es nun mal
zu spät. Und diesen Effekt, bzw. diese Gefahr versuche ich, mit jedem neuen
Album zu reduzieren.
Tatsache ist, dass
das neue Album wirklich eine grandiose Einheit aus Text, Gesang und Musik
eingeht, dass der Sound einfach superb ist, da fragt man sich, wieso es so
lange gedauert hat, bis man diese Chemie so hinzubekommen.
Ich stimme Dir zu, aber wie gesagt, es hat eben auch
unheimlich lange gedauert, es so hinzubekommen. Um Dir mal ein Beispiel zu
geben: zuerst nehme ich alle Gitarren zuhause für die Demos auf. Dann gehe ich
ins Studio und nehme alle Gitarren noch einmal im richtigen Sound auf. Dann
hole ich Bob dazu und spiel ihm die Sachen vor. Dann müssen wir hier und da die
Tonlage ändern, dann muss ich die Gitarren noch mal neu einspielen. Dann kommt
es vor, dass wir das tempo ändern – dann muss ich die Gitarren noch einmal
aufnehmen. Und mit den anderen Instrumenten geht es ähnlich. Dann denkt man,
jetzt nimmt es Form an, dann stellt man fest, dass es doch nicht so ist, wie
gedacht, dann müssen Sachen geändert, sprich: neu aufgenommen werden.
Wie ich das sehe,
habt ihr euch mit dem neuen – wie auch schon mit dem letzten – Album endlich
eingelassen auf den Sound, den ohnehin jeder von euch erwartet und den ihr am
besten macht, habt alle Gedanken an Experimente über Bord geworfen und einfach
versucht, die bestmöglichen Songs zu schreiben, oder?
Das könnte man zusammengefasst so sagen, ja. Es geht mir
darum, die Spannung zu halten – für mich selbst, für den Song und für den
Hörer. Das ist das Gute daran, wenn man viele Songs schreibt. Man lässt erst
einmal alles raus und kann dann – manchmal auch mit ein bisschen Abstand – die
besten Perlen rauspicken.
Obwohl das
wahrscheinlich das Ziel jedes Songwriters ist…
Ja, das stimmt wohl -
…und wahrscheinlich
auch bei Dir früher auch nicht so viel anders war, oder?
Ich kann mich ehrlich gesagt gar nicht mehr an so sehr viel
an die Achtziger erinnern. Aber es gab z.B. auch immer mal den Druck von der
Plattenfirma, die nach einer Hitsingle suchten, die unbedingt 2 Millionen Alben
verkaufen wollten – und das ist einfach nicht produktiv für einen Songwriter. Unsere
Plattenfirma wollte oft, dass wir so eine Def Leppard-, Whitesnake-Ding sind,
dass wir zumindest genauso viele Platten verkaufen, und ich habe immer wieder
versucht, sie davon zu überzeugen, dass wir das nicht sind. Sie haben die Band
nie verstanden, glaube ich, und im Prinzip haben sie damit die Band zerstört. Und
das genau ist der Unterschied der vier Alben seit unserer Trennung. Abgesehen
davon haben wir die beste Live-Band, die wir je hatten – und deswegen hatte ich
auch noch nie so viel Spaß daran, Alben zu schreiben sowie live aufzutreten.
In den Neunzigern
hattest Du das Hard Rain-Projekt, mit dem du einen anderen Ansatz verfolgen
konntest – gíbt es heute auch noch andere Sachen neben Magnum für dich?
Nee, das war ich als Idiot. Heute brauche ich das nicht
mehr.
Bereust Du, Magnum
aufgelöst zu haben?
Nein, ehrlich gesagt, bereue ich selten etwas, das ich
gemacht habe. Es war gut, dass wir uns aufgelöst haben. Es hat mir geholfen,
straighter zu denken, neue Energie zu bekommen für einen Neuanfang. Und heute
kann ich dieses Feuer, diese Energie spüren, deswegen weiß ich, dass es gut
war. Ich meine, ich werde manchmal verrückt, während ich dran arbeite, aber
dieses Gefühl, das man hat, wenn man fertig ist, ist herrlich!
Es läuft also besser
WEGEN der Pause?
Für mich, ja, glaub ich schon. Ich brauchte Zeit, um zu
erkennen, wie sehr ich es vermisse. Und dann dachte ich, ich könnte einfach mal
ein Album machen – und es war auch das Beste, das ich zu der zeit machen
konnte, aber ich musste erst einmal wieder reinkommen. Ich hatte es mir
leichter vorgestellt, und das hat mich auch irgendwie geschockt. Aber es hat
mir geholfen, mich darauf zu konzentrieren, was ich will. Und ich kann es jetzt
schon wieder kaum abwarten, mich an ein neues Album zu machen.
Was ist nötig, um
immer noch dabei zu sein. Was war nötig für Euch, immer wieder die Motivation
zu finden, die richtigen Ideen zu finden, etc.
Puh, ich denke es ist in mir drin. Du könntest es „Drive“
nennen, keine Ahnung. Ich habe das Gefühl, ich habe noch eine Menge zu tun, ich
muss noch mehr sagen. Ich habe zwar immer wieder eine Höllenangst, wenn ich
anfange, z.B. Texte zu schreiben, aber es ist gleichzeitig zu befreiend.
So viele Dinge haben
sich geändert, und ich weiß nicht, ob man das so pauschal beurteilen kann, aber
bist Du lieber heute Musiker, oder vor 20, 30 Jahren?
Ganz klar heute. Ich bin viel zufriedener mit dem, was ich
mache, mit meinem Songwriting, meinen musikalischen Fähigkeiten an der Gitarre
etc. Ich kann auf die letzten zwei, drei Alben zurückblicken und sage mir, ja,
ich kann das. Man ist nie soweit zu sagen, dass es perfekt ist, aber es
befriedigt mich. Und ich muss keine Angst mehr haben, ein Album zu machen, das
wirklich doof ist.
Und Du würdest mir
zustimmen, dass Eure Zeit für Experimente vorbei ist, dass ihr jetzt lieber das
macht, was die Leute ohnehin von euch erwarten oder erhoffen?
Ich denke eigentlich gar nicht so. Und ich weiß ja auch gar
nicht, was die Leute erwarten. Die Bezeichnung „die Leute“ ist da ohnehin schon
viel zu generell, weil es „die Leute“ als Einheit ja gar nicht gibt. Aber ich
weiß was ICH mag.
Aber du hörst – und
liest – die Reaktionen der Leute.
Aber das ist zu simpel. Natürlich hast Du Recht, aber
trotzdem ist das für mich kein Motor. Und ich glaube, die meisten Songwriter
sehen das eher aus ihrer eigenen Sicht – und hoffen darauf, dass „die Leute“
mögen, was sie selber mögen. Jedenfalls gilt das für mich. Und offensichtlich
haben wir jetzt z.B. auch ein Label, das uns nichts vorschreibt. SPV, bzw. Olli
Hahn nimmt uns so, wie wir sind.
Oder er mag euch eben
genau so, wie ihr seid.
Ja, so könnte man es auch sagen. Vielleicht ist es das. Aber
Alben sind ja eh nur eine Seite. Wir sind eine „working band“, und am liebsten
würde ich noch viel mehr live spielen. Ich meine, wir spielen ja in der ganzen
Welt. Aber heutzutage muss man auch eine Menge live spielen, um überhaupt noch
ein bisschen Geld zu verdienen.
Andererseits muss ich nach einer gewissen Zeit auf Tour auch
dringend wieder ins Studio, um die ganzen Ideen loszuwerden, die ich
angesammelt habe und die mich verrückt machen. Also im Prinzip brauche ich auch
diese Mischung.
Apropos Geld
verdienen: Das Album erscheint in verschiedenen Versionen – und mit zwei
verschiedenen Covern?
Nein, das dunkle Bild ist so eine Art Außenhülle, ich mochte
das Foto. Und wenn man das sieht ist man erst einmal überrascht, weil es gar
nicht nach Magnum aussieht, aber dann zeiht man es ab und sieht das andere Bild
– und das íst wieder typisch Magnum.
Und dann gibt es die
Version mit DVD.
Das ist dann wieder die Idee, den Fans ein bisschen extra
value for money zu geben. Es gab zB diesen Track, der es nicht aufs Album
geschafft hat. Und ein paar Videoaufnahmen vom Studio etc., um den Leuten
zeigen zu können, wie wir arbeiten. Und dann noch diese vier Stücke vom „High
Voltage Festival“ in London.
Wie war das
überhaupt?
Toll! Gutes Wetter, haufenweise Bands und viele Leute, die ich sehr lange nicht
gesehen hatte – das war schon spannend! Und unser Auftritt war auch gut. Und
sie haben alle acht Songs mitgeschnitten, aber manche von denen wurden fürs
Fernsehen verwendet, also haben wir zumindest vier für die DVD bekommen. Und
dann gibt es noch ein paar Extras auf der DVD – an die ich mich im Moment nicht
einmal erinnern kann…
Nochmal zum „High
Voltage“ – ihr habt ja früher schon auf den größten Festivals gespielt,
Monsters of Rock, etc. – war das vergleichbar?
Das Setting war ähnlich, ich weiß nicht, ob genauso viele
Leute da waren, aber es hat wirklich Spaß gemacht. Diese Aufregung, auf
Festivals zu spielen, ist die gleiche. Man fragt sich, was heute wohl wieder
schief gehen wird – immerhin hat man ja keinen Soundcheck. Das ist ein bisschen
wie Fliegen ohne Fallschirm – und dadurch hat man so einen Extrakick. Und dann
die ganzen Leute, die einen vielleicht noch nie vorher gesehen haben.
Du hattest erwähnt,
dass Du so viele Songs schreibst – wo landen die alle?
Auf meiner Festplatte. Ich hab eine eigene Extraplatte und sie stapeln sich da…
und ich höre sie mir nie wieder an. Naja, wer weiß, vielleicht wenn ich 100 bin
und ich mir sage, hey, warum habe ich das nie benutzt… (lacht). Aber ich mag es
nicht, zurück zu gehen, ich gehe vorwärts. Aber vielleicht sind sie auch eine
Art Sicherheitsnetz für mich, falls mir mal die Ideen ausgehen… haha.