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Melissa Etheridge

Interview 2010. Ein Interview von 2004 findet ihr HIER!  Ein Interview von 2000 findet ihr HIER!

Die Diagnose Krebs bedeutet einen schweren Einschnitt im Leben – im Falle von Brustkrebs ist sie glücklicherweise nicht immer ein Todesurteil. Dass sie trotzdem auch das Leben von Melissa Etheridge radikal verändert hat, konnte man an ihrem letzten Album „The Awakening“ hören, auf dem sie sich von einer neuen Seite zeigte. Doch drei Jahre später ist sie zurück im Rock und präsentiert sich so fit wie seit vielen Jahren nicht mehr – zumindest was das Songwriting angeht! Nach dem „Erwachen“ geht es nun v.a. um die angstfreie Auseinandersetzung mit dem Leben, sich selbst und seiner Umwelt: „Fearless Love“.

 

Was war für Dich der Grundgedanke beim neuen Album?

Ich wollte zurück zu meiner Rock’n’Roll Seite. Es sind viele Jahre vergangen, in denen ich mich auf meine spirituelle, wie auch auf meine emotionale Seite konzentriert habe, aber sie haben mich auch zurück zu meinen Wurzeln geführt, und die liegen nun einmal klar im Classic Rock. Und genau so wollte ich mich wieder ausdrücken, und das in einer möglichst angstlosen (fearless) Art.

 

Es war also auch eine Reaktion auf das letzte Album?

Ja, und auch eine Fortführung. Ich glaube, ich musste durch diese ruhige Phase gehen, um meine Stimme wieder zu finden und um herauszufinden, wie ich den Weg zurück zum Rock finde. Das war Teil des Erwachens für mich.

 

Dieses Erwachen war nicht nur spirituell – der Brustkrebs scheint viele Dinge verändert zu haben – wie Deinen engagierten Einsatz für den Umweltschutz. Bewirkt eine solche Krankheit, dass man sich darüber mehr Gedanken macht?

Ja, ganz bestimmt. Der Krebs war ein Katalysator. Ich denke, dass ich ohnehin auf diesem Weg, aber der Krebs war für mich ein Symptom für etwas, dass ich aus meinem Leben entfernen musste, u.a. um auf diesen Weg zu meinem eigenen Selbst zu kommen, mich selbst zu verstehen, meine Kraft wieder zu finden.

 

Gleichzeitig gab es auch eine religiöse Tür, die Du geöffnet hast, oder?

Ich mag das Wort religiös nicht so, weil das für mich etwas von etwas organisiertem hat, und das ist etwas, was ich ganz gewiss nicht finden möchte. Ich würde es eher die spirituelle Tür nennen, und wenn ich von Gott spreche und singe, dann meine ich eher diese spirituelle Kraft in der Welt, nicht eine bestimmte Überzeugung oder Religion.

 

Und ist das neu?

Hmm. Ich glaube, es war schon immer ein Teil von mir, aber ich habe heute weniger Angst, es auszudrücken. Ich hatte nicht die Werkzeuge, es so auszudrücken? Religion hat nie eine Rolle für mich gespielt, schon gar nicht als lesbische Frau – da gab es nämlich keine Religion, die so etwas anerkannt hätte. Also war es eher der Weg, meine Seele zu finden, meinen Gott und die Liebe – und zu verstehen, dass alles drei dieselbe Sache ist.

 

Über das „The Awakening“ hast Du gesagt, dass es ein Album wäre, was Du gerne von Anfang zum Ende hörst – sagt man das nicht immer von seinem aktuellen Album?

Das stimmt, aber bei „The Awakening“ meinte ich das auch wörtlich – es war ein Album, das man am besten vom ersten zum letzten Song hört, um die ganze Entwicklung mitzuerleben. Auch das neue Album hat einen roten faden – die Songreihenfolge ist also nicht zufällig, aber ich denke, dass die Stücke letzten Endes auch jeder für sich stehen können, mehr als beim letzten Album.

 

Es war ein sehr persönliches Album – persönlicher als die anderen?

Jedes Album ist sehr persönlich, ich weiß nicht, ob man das werten muss. Alle Alben sind über meine eigenen Wünsche, Träume, Hoffnungen, Ängste, da kann man schlecht sagen, was mehr oder weniger ist. Aber es stimmt schon, es fühlt sich für mich persönlicher an, weil ich mich so viel mehr mit mir selbst beschäftigt habe.

 

Ganz klar ist, dass das neue Album rockt! Was brauchte es, um da so wieder hinzukommen?

Ich brauchte jeden einzelnen Schritt, den ich gegangen bin. Jedes Album, das ich gemacht habe, das Verständnis dass es das ist, was ich am besten mache und was ich am liebsten mache, mit beiden Beinen auf den Bühnenbrettern zu stehen und es herauszuschreien mit aller Kraft, die ich habe. Das ist, was ich machen kann und was ich machen möchte – und was mich am glücklichsten macht.

 

Das letzte Mal, das wir gesprochen haben, war zum „Lucky“-Album, ein Album für das die Plattenfirma zurück ins Studio geschickt hat, weil ihr die Hitsingle fehlte. Hat sich diese Beziehung geändert? Oder hast Du einfach eine neue kreative Ader gefunden, um die neuen Songs zu schreiben?

Diese Erfahrung hat mein Herz gebrochen! Aber die meisten Leute von damals sind nicht mehr dabei, und ich kann mit den neuen Leuten ganz gut (lacht)! Die neuen Leute wollen, dass ich glücklich bin, und sie wissen, dass ich am besten bin, wenn ich glücklich bin. Ich brauche nicht wie jemand anders zu klingen, ich habe mir mein Standing zurückerkämpft!

 

Kommerziell war „The Awakening“ nicht so erfolgreich, oder?

Nein, das stimmt. Aber es war wichtig für mich, also war es für mich ein großer Erfolg. Und es hat glänzende Kritiken bekommen, das war auch ein großer Erfolg!

 

Wie nah lässt Du Kritiken an Dich herankommen? Liest Du sie?

Ich mache Musik nicht für irgendjemand anders, als mich selbst, aber es ist trotzdem sehr befriedigend, zu sehen, dass es Leute gibt, die verstehen, was ich mache.

 

Wie schon auf dem letzten Album gibt es auch auf dem neuen schon wieder einen Song über Deine Wahlheimat Kalifornien - nicht wirklich ein Liebeslied, oder?

„California“ war ein Lied über meine großen Hoffnungen und Träume, die ich hatte, und die mich dazu bewogen haben, nach Kalifornien zu kommen. Und als „Proposition 8“ kam (ein Gesetz (2008), dass das Recht zur Homo-Ehe wieder zurücknahm, Anm. d. Red.) war es für mich Zeit, ein neues Lied über Kalifornien zu schreiben, weil ich sagen wollte ‚hey, das tat weh’!

 

Du hast Deine Touraktivitäten stark zurückgefahren, wird das auch beim neuen Album so bleiben, oder hing das mit der Krankheit zusammen?

Ich habe vier Kinder mittlerweile, deswegen ist das immer auch ein Balanceakt zwischen Familie und Karriere. Deswegen habe ich einen Großteil meiner Tourneen auf den Sommer konzentriert, wo mich die Kinder begleiten konnten – und das war für Europa dann eher schwierig. Aber ich werde definitiv im Herbst nach Deutschland kommen, das steht fest!

 

Inwieweit wird sich die aktuelle „Rock-Seite“ auf die Shows auswirken?

Oh, ganz stark! Das wird sehr viel mehr eine Rock Show werden! Ich habe genügend Rocksongs, auf die ich zurückgreifen kann. 

 

In den letzten Jahren bist Du verstärkt in die kleineren Theater mit Sitzplätzen gegangen – was dann nicht mehr so richtig passt, oder?

Natürlich hängt das auch immer damit zusammen, wie viele Menschen mich sehen möchten, aber ich hoffe, dass die Clubs so gewählt werden, dass es passt. Sitzplätze sind da eher hinderlich, denke ich.

 

Bezieht sich dieser Balanceakt auch auf die Produktion neuer Alben? Hat sich auch da die Gewichtung verschoben?

Früher habe ich immer und überall schreiben können – und auch geschrieben. Heute istz das strukturierter. Ich fahre ins Studio, arbeite, und wenn ich nach Hause komme, bin ich für die Familie da. Das ist nicht schlechter, es ist nur anders. Strukturierter.

 

Offenbart dieses Album eine neue Melissa Etheridge?

Neu? Noch kompletter vielleicht. Noch mehr ich selbst. Ich würde das nicht neu nennen – ich bin ständig wieder neu (lacht)!

 

Ist das, was Deine Herausforderung ist?

Ja, ich versuche immer das Beste zu geben, und die beste Melissa zu zeigen, die ich genau jetzt sein kann.

 

Du hast mit Al Gore zusammen gearbeitet – was kam erst, Dein Umweltbewusstsein oder die Freundschaft zu ihm?

Das ging Hand in Hand. Ich kenne Al schon seit vielen Jahren und ich war auch schon immer in gewisser Weise umweltbewusst, aber seit ich seine Show gesehen habe und er mich gefragt hat, ob ich einen Song für seinen Film schreiben möchte, ist das alles sehr viel intensiver geworden. Seit ich „The Inconvenient Truth“ gesehen habe sind mir meine Fußabdrücke, die ich in der Welt hinterlasse, sehr viel bewusster geworden.