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Melissa Etheridge

Interview April 2000

1988 konnte sie mit ihrem Debüt Fans und Kritiker gleichermaßen begeistern. Ein ebenso kraftvolle wie intime Scheibe, die zwar oft mit Singer/Songwriterinnen wie Janis Joplin & Co verglichen wurde, aber dennoch neue Maßstäbe setzen konnte in dieser Richtung. Fünf Alben später weiß man um die Qualitäten der Gitarristen aus Arkansas, ihre Alben konnten allesamt überzeugen, wenn auch nie besondere Rekorde in den deutschen Charts brechen. Auf ihrer just beendeten Konzert durch die Republik konnte sie vor vollen Häusern ihre besonderen Live-Qualitäten unter Beweis stellen, indem sie nie weniger als 100% gab und einige Überraschungen parat hielt. Ich unterhielt mich vor dem Start der Europa-Tournee in Hamburg mit ihr.

 

Dein aktuelles Album “Breakdown” ist ja schon ein paar Monate alt, wie siehst Du es heute, nachdem es ein bisschen “sacken” konnte?

Ich liebe es! Ich glaube, dass ich erfolgreich meinen Horizont erweitern konnte. Die Zusammenarbeit mit John (Shanks, Gitarre) hat absolut toll geklappt, und ich bin immer noch stolz darauf.

Du hast Dein Debütalbum in vier Tagen aufgenommen, wie lange hast Du für “Breakdown” gebraucht?

Nun, das war schon etwas anderes. Für “Breakdown” bin ich drei Mal im Studio gewesen, jeweils für ca. zwei Wochen, ich mag es nicht, zu lange im Studio zu sein. Allerdings waren diese drei Male über ein Jahr verteilt, also kannst Du sagen, es hat ein Jahr gedauert, oder sechs Wochen.

Und die Songs standen vorher?

Ja, eigentlich schon. Ich wollte das Album erst Ende ´98 veröffentlichen, aber dann änderte sich so viel bei meiner Plattenfirma, so dass der Termin verschoben wurde. Also hatte ich Zeit, die Songs zu überarbeiten, und sogar neue zu schreiben, und noch einmal ins Studio zu gehen. Ich hatte die Zeit, Alternativversionen aufzunehmen und zu sehen, welche mir am besten gefällt, das war also schon nicht schlecht. Und dann das gleiche noch einmal, bis es letztendlich ein ganzes Jahr später veröffentlicht wurde. Deshalb kann ich auch rundum zufrieden sein mit dem Album. Ich denke, es ist das musikalisch substantiellste Album, das ich gemacht habe, mit ein paar der besten Songs, die ich geschrieben habe.

Du sprichst von einer Erweiterung des Horizonts, siehst Du eine musikalische Veränderung?

Ja, ich denke schon. Ich habe viel mit meinem Gitarristen, John Shanks, zusammengearbeitet, er kennt sich bestens mit den neuesten Techniken und Trends aus. Und wir haben versucht, ein paar zeitgemäße Züge in meinen typischen Rock´n´Roll zu bringen.

Allerdings gab es solche “Begegnungen” ja auch schon auf Deinem “Never Enough” Album (1992), oder?

Ja, aber diesmal sind sie besser geworden!

Hast Du ein Lieblingsalbum?

Ja, immer noch das Debüt. Es war so spontan, so real, mehr ich, als alles andere jemals sein kann. Und es steht für mich für diesen Moment, der für mich auch so viel verändert hat.

Die neuen Techniken kamen von Deinem Gitarristen, wie stehst Du zu neuen Technologien, wie Computer oder Internet?

Ich liebe es. Internet bringt so viel, auch im Kontakt mit den Fans, man bekommt so viel direktes Feedback, nicht erst auf Tournee. Und man auch sie erreichen, ohne durch die Städte reisen zu müssen. Was die Tourneen natürlich nicht ersetzen kann, aber ich denke, es bringt den Künstlern auch sehr viel. Aber Computer und Musik – das überlasse ich John, er bastelt liebend gerne an den Songs herum, das ist nichts für mich.

Sind neue Alben leichter oder schwerer für Dich geworden?

Beides eigentlich. Es ist schon leichter geworden, weil es mich nicht mehr so einschüchtert. Aber gleichzeitig versuche ich, immer bessere Alben zu machen, frisch zu bleiben und mich zu verändern, was natürlich jedesmal eine Herausforderung ist.

In einem Rocklexikon stand zu Dir “Die Power Frau...wurde als weiblicher Bruce Springsteen gefeiert und ihr mächtiges Gesangsorgan mit dem von Janis Joplin und Rod Stewart verglichen”... Kommentar?

Das klingt gut! Ich meine Bruce Springsteen war wirklich lange mein Held und großer Einfluss, also fasse ich das als Kompliment auf. Ich habe ihn schon immer verehrt für seine Lieder, seine Performace, und Janis Joplin und Rod Stewart mag ich auch sehr!

Wer war für Dich Grund, mit dem Singen anzufangen?

Wer? Ich glaube, ich selbst. Ich habe so früh angefangen zu singen, da kannte ich noch gar keine Namen. Aber ich bin aufgewachsen mit dem Rock´n´Roll der späten Sechziger, Rolling Stones, The Who, Beatles.

Hast Du heute Lieblingssänger?

Ja, Springsteen, Joan Armatrading, Peter Gabriel.

Früher hast Du mal gesagt, ´es interessiert mich nicht, wer mich liebt oder hasst, ich schreibe in erster Linie für mich selbst´ - ist das immer noch Deine Einstellung?

Ja, absolut. Wenn ich nicht für mich schreiben würde, glaube ich nicht, dass es noch ehrlich wäre, und dann könnte wohl auch kaum jemand anderes damit anfangen.

Welche Songs bewegen Dich auf dem neuen Album am meisten?

“Stronger than me”, z.B., ist über meine eigene Beziehung. Ich bin seit zwölf Jahren mit Julie Cypher zusammen, und irgendwann kommt man an den Punkt, wo eine Beziehung eben nicht mehr so frisch ist. Und der Song handelt von der Angst, dass man die Spontaneität verliert, dass der Partner das Interesse verliert. Aber ich glaube, mein Lieblingssong ist “Scarecrow”, er ist wirklich anders. Der Song handelt von diesem brutalen Mord an einem jungen Mann in Wyoming (zwei Männer lauertem einem Homosexueller auf, lynchten ihn und hängten ihn mehr oder weniger lebend über einen Wildzaun, wo er erst Tage später verendet gefunden wurde. Die Täter wurden Ende letzten Jahres zu lebenslanger Haft verurteilt; Anm. d.Red.). Der Text zu diesem Song war sehr schmerzhaft und kam auch sehr langsam, und ich hätte auch nicht gedacht, dass ich einen Song daraus machen würde, aber er entwickelte sich irgendwann aus dem Text. Ich glaube, es ist mein Lieblingssong, weil ich ihn selber noch nicht verstehe. Ich hadere noch immer mit dem Schmerz und der Angst, die ich fühlte, als ich den Text schrieb.

Noch ein paar Fragen zur Tournee – wie wichtig sind Konzerte für Dich?

Sehr, sehr wichtig, vor allem in Deutschland und Österreich, denn obwohl meine Alben nie sehr hoch in die Charts einsteigen, kommen sehr viele Leute. Ich habe einen guten “Live”-Ruf bei Euch, und deshalb macht es sehr viel Spaß. Ich meine, Konzerte machen immer Spaß, aber hier in den Staaten stehen die Albumverkäufe in einem ganz anderen Verhältnis dazu.

Mittlerweile spielst Du hier in recht großen Hallen, vermisst Du die Clubkonzerte nicht?

Natürlich sind Clubkonzerte intimer, aber was soll ich sagen? Durch diese Phase habe ich mit hindurch gearbeitet? Mittlerweile ist die Nachfrage eben größer.

Wie groß ist der Anteil an Improvisation bei den Gigs?

Das ist nett, dass Du das fragst, denn wir schreiben Improvisation immer groß. Natürlich stehen die Songs, steht das Grundgerüst der Konzerte, aber es entsteht so viel durch die Interaktion mit dem Publikum. Und das ist sehr wichtig, um die Gigs auch wirklich frisch und lebhaft werden zu lassen. Ich erwarte auch von meinen Musikern, dass sie nicht bei jedem Gig ihren Part nur herunterspielen. Sie müssen auf mich achten, denn ich mache immer mal etwas unerwartetes, spontanes.

Bevorzugst Du Album-Versionen oder – ich nenne es mal provokativ – entstellte Live-Interpretationen?

Ich liebe die Veränderung, allerdings klappt das meist nur vernünftig bei älteren Songs. Neue Lieder sind noch zu frisch, um sie richtig umarrangieren zu können. Ältere Songs sind mir so in Fleisch und Blut übergegangen, dass man fast automatisch beginnt, mit ihnen herum zu experimentieren.

Noch eine Frage – Du hast diesen Award auf der CD-Rückseite...

...den habe ich gewonnen, als ich 11 war! Der Fotograf sagte mir, ich solle ein paar Sachen von früher mitbringen, die mir wichtig wären, so ist er auf der CD gelandet.

Du hast schon so viele Awards gewonnen, gibt es einen besonders wichtigen für Dich?

Aber was heißt schon wichtig? Vielleicht der Grammy, ich glaube, der bedeutet schon eine ganze Menge. Wenn man den gewonnen hat, hat man es wohl geschafft, denke ich.  

 

Aktuelle CD: Breakdown (Mercury)