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„Ihre große Zeit war
in den Achtzigern – mit Hits wie ´Don´t You´ oder ´Alive & Kickin´“ – sagen
die einen. „Richtig erwachsen wurden sie erst in den Neunzigern – nach Alben
wie ´Street Fighting Years´ und mit ´Real Life´“ die anderen. „Gut waren sie
nur am Anfang mit ihrem experimentellem Wave-Artrock“ werfen die nächsten ein.
Fest steht, dass die Simple Minds verschiedene musikalische Phasen hatten, die
vielleicht Fans aus verschiedenen Genres anzog, trotzdem schafften sie es,
diese Modifikation langsam genug zu gestalten, dass jeder Fan ihnen folgen
konnte – was letzten Endes zu ihrem großen Erfolg führte. Fest steht aber auch,
dass die geniale Kreativität sie nach ihrem 1995er „Good News...“-Album
verlassen zu haben schien. Eine Zeit, über die man am liebsten den Mantel des
Schweigens hüllen möchte. (´Neapolis´, ´Cry´, sowie ein Album, das die
Plattenfirma erst gar nicht veröffentlichte!) Doch rund 10 Jahre später sind
sie zurück auf der richtigen Spur: „Black & White“ kombiniert auf faszinierende
Art moderne Elemente mit dem Kult ihrer frühen Tage. Und was noch wichtiger
ist: Die Songs sind wieder richtig ´Alive & Kicking´. Ralf Koch sprach mit
Sänger Jim Kerr.
Wir haben uns zuletzt
zur Veröffentlichung von „Neon Lights“ getroffen – ein Album, das nicht so ganz
den erhofften Comeback-Erfolg hatte, oder?
Nun, das stimmt wohl, aber weißt Du was? Ich denke, der
positive Effekt des Albums war, dass wir die Maschinerie wieder ins Rollen
gebracht haben. Es hat uns zurück zur Kreativität gebracht. Ich habe mich in
den letzten 6 Monaten zwar meistens über das neue Album und seinen erfolg
unterhalten, aber ehrlich gesagt, glaube ich, dass das alles nicht möglich
gewesen wäre, ohne „Cry“ und ohne das ´Covers´-Experiment. Also war auch das
wertvoll.
Natürlich macht es
auch mehr Spaß, über das sehr erfolgreiche neue Album zu reden. Hast zum
jetzigen Zeitpunkt schon genügend Abstand, um objektiv sagen zu können, wo es
für Dich persönlich steht?
Das wichtigste war, dass wir uns alle der Sache zu 100% verpflichtet
fühlten, Wir brauchten – auch für uns selbst – einen kreativen Meilenstein,
nicht einfach nur ein neues Album mit ein paar guten Songs. Wir brauchten etwas
mit einer besonderen Energie, ein Album voller großartiger Songs, das die
Simple Minds in Hochform präsentiert. Und offensichtlich ist das, was die Leute
in dem Album auch sehen.
Du meinst, das war
nicht immer der Fall, wenn Ihr ein Album veröffentlicht habt?
Ja, definitiv. Ich meine, man kann sich selbst überzeugen...
manchmal hört man sich einen Song schön, aber im Nachhinein merkt man, dass man
ihn anders hätte machen könne, oder dass er eigentlich noch gar nicht fertig
war. Dieses Mal waren wir wirklich glücklich. Es gab nie einen zweiten
Gedanken, dass wir vielleicht noch den einen oder anderen Song mehr gebraucht
hätten, oder dass wir vielleicht noch mehr Zeit gebraucht hätten.
Hattet Ihr denn bei
den früheren Alben so etwas wie Zeitdruck?
Zeitdruck klingt zu hart. Genauso wie die Frage danach, ob
ich manche Dinge bedauern würde. Könnte ich so nie sagen, aber es kommt immer
wieder vor, dass man im Nachhinein denkt, man hätte etwas anders arrangieren
können oder etwas in der Art, und gleichzeitig
war eine Tour bereits gebucht, oder die Plattenfirma wollte
das Album noch vor Weihnachten veröffentlichen. Vielleicht gab es so etwas mal
in der Vergangenheit.
Kannst Du dieses
Album jetzt schon bewerten im Bezug auf den Status
Das Album ist wirklich eine sehr gute Arbeit. Wir hatten
eine vage Idee, als wir ins Studio gingen, was ich mal so nennen möchte: Die
Intention war, so etwas wie den alten Spirit einzufangen, in gewisser Hinsicht
sogar als „Retro“-Übung, d.h. einfach zu versuchen, ein paar der alten Übungen
noch hinzukriegen. Die haben heute ja offensichtlich einen ganz neuen Wert. Und
gleichzeitig wollten wir diesen Spirit ins Heute transportieren, eine Energie
vermitteln, die das ganze zeitgemäß macht.
Das war nicht einfach, es gab ein paar Fehlversuche, aber
als Songs wie „Home“ fertig waren, waren wir uns sicher, dass wir absolut auf
dem richtigen Weg waren
Hast Du eine
Erklärung dafür, warum die neuen Songs so viel besser zünden, als auf den
letzten Alben?
Wie gesagt, es ist ein blödes Wort, aber wir fühlten uns
dieser Sache wirklich verpflichtet und haben uns zu mehr als 100 % auf diese
Sache konzentriert, mehr als wir es eine lange Zeit lang getan haben. Diese
Band ist, was wir sind, sie ist unser Leben, und es wurde Zeit, dass wir das
wieder erkennen. Und wir hatten eine große Harmonie in der Band.
Wie viele Songs
hattet Ihr?
Neun sind auf dem Album, und wir hatten mindestens 25 – in
verschiedenen Stadien. Und manche Songs, die wir anfangs gut fanden, haben es
im Endeffekt nicht auf´s Album geschafft, auch weil wir mittlerweile erwachsen
genug sind, auch mal einen Schritt zurück zu gehen, und objektiv zu betrachten.
Und all das hat sicherlich dazu beigetragen, dass es keine Schwachpunkte auf
dem Album gibt.
Und die Songs sind
von Charlie und Dir, oder waren andere Leute involviert?
Die meisten Sachen kommen von Charlie und mir, aber mit Jez
Coad hatten wir einen Produzenten, der auch ein Songwriter ist, und das hatte
einen sehr positiven Effekt
Er hat seine Ideen eingebracht, hat Dinge herumgedreht,
umgeworfen; wir haben ihm die Happen zugeworfen, und er konnte damit machen,
was er wollte. Es war in gewisser Weise, dass wir die Tür aufgemacht haben, und
andere Ideen zugelassen haben. Auch die Diskussionen, die wir über Songs
hatten, waren sehr viel offener, als das früher der Fall war.
Die letzte Tour, die
Euch – nach einem mäßig erfolgreichen neuen Studioalbum - durch Europa führte,
war mehr oder weniger ein Best-of-the-Classics´. Das neue Album ist wesentlich
erfolgreicher angenommen worden – inwieweit spiegelt sich das bei den Konzerten
wider?
Natürlich sind wir froh über das Erbe, das wir mit uns
tragen. Aber das gute an einem guten neuen Album ist, dass es die ganze Sache
auffrischt. Natürlich wird es 8, 9 Songs geben, die unumgänglich sind, aber die
anderen Songs werden Sachen von allen Alben sein – und das beinhaltet zweifellos
mehrere Songs des neuen Albums. Nicht unbedingt, weil wir es promoten wollen,
sondern weil wir das Gefühl haben, dass es gute Songs sind.
Ich habe Euch diverse
Male gesehen und muss sagen, dass die besten Shows immer die waren, die
zwischen den Tourneen waren – v.a. was die Versionen einzelner Songs angeht.
Das ist interessant. Vielleicht liegt das daran, dass man
auf einer Tour immer auf die Erwartungen im Hinterkopf hat. Und wenn man nur
einen einzelnen Gig hat, ist da eine andere Einstellung, eine Lockerheit, eine
andere Spontanität, die Dich Sachen einfach mal ausprobieren lässt.
Du sagst, es war Eure
Verpflichtung und diese Band ist Euer Leben – ist es das für Dich noch zu 100%?
Du hast Dein Hotel in Sizilien...
Das ist, was ich tue und was ich bin, und das ist so seit 30
Jahren.
Eben! Das kann ja
auch den Effekt haben, dass man sich sagt, ok, ich hab alles gesehen. Da gibt
es mehr als das.
Nein, so habe ich nie gedacht. Es ist eher, und das gebe ich
offen zu, dass ich mich schon Mal gefragt habe, ob ich noch etwas zu sagen
habe, ich sollte mich zurück ziehen. Aber dann denke ich, das geht Bob Dylan
oder David Bowie, Neil Young oder Lou Reed genauso.
Wir rollen ständig einen Ball den Berg hoch, und manchmal
scheint der Ball von alleine zu rollen – und das ist klasse! Trotzdem: Ich
denke, dass ein großer Teil meiner Identität von meinem Leben als Musiker
geprägt ist. Und sage mal einem dieser alten Blueser wie BB King oder Buddy
Guy, hey, nach 60 Jahren ist langsam auch mal gut mit Euch... die würden Dir
die Gitarren über den Kopf ziehen!
Wahrscheinlich. Aber
Du lebst seit 20 Jahren in Sizilien, und ich habe Schilderungen von Dir
gelesen, die einen vermuten lassen, dass es für Dich kaum etwas schöneres auf
Erden gibt.
Du hast Recht! Du hast absolut Recht. Aber es gibt noch so
viel Zeit, auch das zu genießen. Und ich sag Dir was: Es wäre hart, wenn man
nicht genießt, was man macht. Und natürlich scheint es einfacher, wenn man 18
ist, mal eben für ein Jahr auf Tour zu gehen, aber zeit bekommt eine andere
Wertung, wenn man älter wird.
Aber wenn man eine Sache wirklich will, dann muss man sich
jeden Tag sagen können, „Tonight is the Night“ – und um eine gute Live-Band zu
seine, muss man diese Einstellung haben.
Und das sagt ihr
Euch, bevor Ihr auf die Bühne geht?
Absolut. 2, 3 Gedanken sind genug, um den nötigen Kick zu
kriegen. Ich bin immer ein großer Fan von Live-Musik gewesen. Und ich weiß, wie
es ist für die Fans, die auf diesen Abend warten; und wenn die Band dann auf
die Bühne kommt, sagen zu müssen, „they don´t even care!“ Das ist so
enttäuschend.
Aber anders herum, wenn die Band auf die Bühne kommt und Du
sagst „Jesus, this band is on fire“ – was gibt es größeres als das? Und ich
glaube auch, dass eine Band sich nicht lange halten kann, wenn sie diese
Einstellung nicht hat.
Mein größtes
Negativ-Erlebnis in dieser Hinsicht waren Guns n Roses 1992 in Hannover...
Phh... Ich glaube es gibt eine Menge Beispiele wie dieses,
aber... sie kriegen alles, was sie verdienen!