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Simple Minds      

Interview 2006

„Ihre große Zeit war in den Achtzigern – mit Hits wie ´Don´t You´ oder ´Alive & Kickin´“ – sagen die einen. „Richtig erwachsen wurden sie erst in den Neunzigern – nach Alben wie ´Street Fighting Years´ und mit ´Real Life´“ die anderen. „Gut waren sie nur am Anfang mit ihrem experimentellem Wave-Artrock“ werfen die nächsten ein. Fest steht, dass die Simple Minds verschiedene musikalische Phasen hatten, die vielleicht Fans aus verschiedenen Genres anzog, trotzdem schafften sie es, diese Modifikation langsam genug zu gestalten, dass jeder Fan ihnen folgen konnte – was letzten Endes zu ihrem großen Erfolg führte. Fest steht aber auch, dass die geniale Kreativität sie nach ihrem 1995er „Good News...“-Album verlassen zu haben schien. Eine Zeit, über die man am liebsten den Mantel des Schweigens hüllen möchte. (´Neapolis´, ´Cry´, sowie ein Album, das die Plattenfirma erst gar nicht veröffentlichte!) Doch rund 10 Jahre später sind sie zurück auf der richtigen Spur: „Black & White“ kombiniert auf faszinierende Art moderne Elemente mit dem Kult ihrer frühen Tage. Und was noch wichtiger ist: Die Songs sind wieder richtig ´Alive & Kicking´. Ralf Koch sprach mit Sänger Jim Kerr.

 

Wir haben uns zuletzt zur Veröffentlichung von „Neon Lights“ getroffen – ein Album, das nicht so ganz den erhofften Comeback-Erfolg hatte, oder?

Nun, das stimmt wohl, aber weißt Du was? Ich denke, der positive Effekt des Albums war, dass wir die Maschinerie wieder ins Rollen gebracht haben. Es hat uns zurück zur Kreativität gebracht. Ich habe mich in den letzten 6 Monaten zwar meistens über das neue Album und seinen erfolg unterhalten, aber ehrlich gesagt, glaube ich, dass das alles nicht möglich gewesen wäre, ohne „Cry“ und ohne das ´Covers´-Experiment. Also war auch das wertvoll.

 

Natürlich macht es auch mehr Spaß, über das sehr erfolgreiche neue Album zu reden. Hast zum jetzigen Zeitpunkt schon genügend Abstand, um objektiv sagen zu können, wo es für Dich persönlich steht?

Das wichtigste war, dass wir uns alle der Sache zu 100% verpflichtet fühlten, Wir brauchten – auch für uns selbst – einen kreativen Meilenstein, nicht einfach nur ein neues Album mit ein paar guten Songs. Wir brauchten etwas mit einer besonderen Energie, ein Album voller großartiger Songs, das die Simple Minds in Hochform präsentiert. Und offensichtlich ist das, was die Leute in dem Album auch sehen.

 

Du meinst, das war nicht immer der Fall, wenn Ihr ein Album veröffentlicht habt?

Ja, definitiv. Ich meine, man kann sich selbst überzeugen... manchmal hört man sich einen Song schön, aber im Nachhinein merkt man, dass man ihn anders hätte machen könne, oder dass er eigentlich noch gar nicht fertig war. Dieses Mal waren wir wirklich glücklich. Es gab nie einen zweiten Gedanken, dass wir vielleicht noch den einen oder anderen Song mehr gebraucht hätten, oder dass wir vielleicht noch mehr Zeit gebraucht hätten.

 

Hattet Ihr denn bei den früheren Alben so etwas wie Zeitdruck?

Zeitdruck klingt zu hart. Genauso wie die Frage danach, ob ich manche Dinge bedauern würde. Könnte ich so nie sagen, aber es kommt immer wieder vor, dass man im Nachhinein denkt, man hätte etwas anders arrangieren können oder etwas in der Art, und gleichzeitig

war eine Tour bereits gebucht, oder die Plattenfirma wollte das Album noch vor Weihnachten veröffentlichen. Vielleicht gab es so etwas mal in der Vergangenheit.

 

Kannst Du dieses Album jetzt schon bewerten im Bezug auf den Status

Das Album ist wirklich eine sehr gute Arbeit. Wir hatten eine vage Idee, als wir ins Studio gingen, was ich mal so nennen möchte: Die Intention war, so etwas wie den alten Spirit einzufangen, in gewisser Hinsicht sogar als „Retro“-Übung, d.h. einfach zu versuchen, ein paar der alten Übungen noch hinzukriegen. Die haben heute ja offensichtlich einen ganz neuen Wert. Und gleichzeitig wollten wir diesen Spirit ins Heute transportieren, eine Energie vermitteln, die das ganze zeitgemäß macht.

Das war nicht einfach, es gab ein paar Fehlversuche, aber als Songs wie „Home“ fertig waren, waren wir uns sicher, dass wir absolut auf dem richtigen Weg waren

 

Hast Du eine Erklärung dafür, warum die neuen Songs so viel besser zünden, als auf den letzten Alben?

Wie gesagt, es ist ein blödes Wort, aber wir fühlten uns dieser Sache wirklich verpflichtet und haben uns zu mehr als 100 % auf diese Sache konzentriert, mehr als wir es eine lange Zeit lang getan haben. Diese Band ist, was wir sind, sie ist unser Leben, und es wurde Zeit, dass wir das wieder erkennen. Und wir hatten eine große Harmonie in der Band.

 

Wie viele Songs hattet Ihr?

Neun sind auf dem Album, und wir hatten mindestens 25 – in verschiedenen Stadien. Und manche Songs, die wir anfangs gut fanden, haben es im Endeffekt nicht auf´s Album geschafft, auch weil wir mittlerweile erwachsen genug sind, auch mal einen Schritt zurück zu gehen, und objektiv zu betrachten. Und all das hat sicherlich dazu beigetragen, dass es keine Schwachpunkte auf dem Album gibt.

 

Und die Songs sind von Charlie und Dir, oder waren andere Leute involviert?

Die meisten Sachen kommen von Charlie und mir, aber mit Jez Coad hatten wir einen Produzenten, der auch ein Songwriter ist, und das hatte einen sehr positiven Effekt

Er hat seine Ideen eingebracht, hat Dinge herumgedreht, umgeworfen; wir haben ihm die Happen zugeworfen, und er konnte damit machen, was er wollte. Es war in gewisser Weise, dass wir die Tür aufgemacht haben, und andere Ideen zugelassen haben. Auch die Diskussionen, die wir über Songs hatten, waren sehr viel offener, als das früher der Fall war.

 

Die letzte Tour, die Euch – nach einem mäßig erfolgreichen neuen Studioalbum - durch Europa führte, war mehr oder weniger ein Best-of-the-Classics´. Das neue Album ist wesentlich erfolgreicher angenommen worden – inwieweit spiegelt sich das bei den Konzerten wider?

Natürlich sind wir froh über das Erbe, das wir mit uns tragen. Aber das gute an einem guten neuen Album ist, dass es die ganze Sache auffrischt. Natürlich wird es 8, 9 Songs geben, die unumgänglich sind, aber die anderen Songs werden Sachen von allen Alben sein – und das beinhaltet zweifellos mehrere Songs des neuen Albums. Nicht unbedingt, weil wir es promoten wollen, sondern weil wir das Gefühl haben, dass es gute Songs sind.

 

Ich habe Euch diverse Male gesehen und muss sagen, dass die besten Shows immer die waren, die zwischen den Tourneen waren – v.a. was die Versionen einzelner Songs angeht.

Das ist interessant. Vielleicht liegt das daran, dass man auf einer Tour immer auf die Erwartungen im Hinterkopf hat. Und wenn man nur einen einzelnen Gig hat, ist da eine andere Einstellung, eine Lockerheit, eine andere Spontanität, die Dich Sachen einfach mal ausprobieren lässt.

 

Du sagst, es war Eure Verpflichtung und diese Band ist Euer Leben – ist es das für Dich noch zu 100%? Du hast Dein Hotel in Sizilien...

Das ist, was ich tue und was ich bin, und das ist so seit 30 Jahren.

 

Eben! Das kann ja auch den Effekt haben, dass man sich sagt, ok, ich hab alles gesehen. Da gibt es mehr als das.

Nein, so habe ich nie gedacht. Es ist eher, und das gebe ich offen zu, dass ich mich schon Mal gefragt habe, ob ich noch etwas zu sagen habe, ich sollte mich zurück ziehen. Aber dann denke ich, das geht Bob Dylan oder David Bowie, Neil Young oder Lou Reed genauso.

Wir rollen ständig einen Ball den Berg hoch, und manchmal scheint der Ball von alleine zu rollen – und das ist klasse! Trotzdem: Ich denke, dass ein großer Teil meiner Identität von meinem Leben als Musiker geprägt ist. Und sage mal einem dieser alten Blueser wie BB King oder Buddy Guy, hey, nach 60 Jahren ist langsam auch mal gut mit Euch... die würden Dir die Gitarren über den Kopf ziehen!

 

Wahrscheinlich. Aber Du lebst seit 20 Jahren in Sizilien, und ich habe Schilderungen von Dir gelesen, die einen vermuten lassen, dass es für Dich kaum etwas schöneres auf Erden gibt.

Du hast Recht! Du hast absolut Recht. Aber es gibt noch so viel Zeit, auch das zu genießen. Und ich sag Dir was: Es wäre hart, wenn man nicht genießt, was man macht. Und natürlich scheint es einfacher, wenn man 18 ist, mal eben für ein Jahr auf Tour zu gehen, aber zeit bekommt eine andere Wertung, wenn man älter wird.

Aber wenn man eine Sache wirklich will, dann muss man sich jeden Tag sagen können, „Tonight is the Night“ – und um eine gute Live-Band zu seine, muss man diese Einstellung haben.

 

Und das sagt ihr Euch, bevor Ihr auf die Bühne geht?

Absolut. 2, 3 Gedanken sind genug, um den nötigen Kick zu kriegen. Ich bin immer ein großer Fan von Live-Musik gewesen. Und ich weiß, wie es ist für die Fans, die auf diesen Abend warten; und wenn die Band dann auf die Bühne kommt, sagen zu müssen, „they don´t even care!“ Das ist so enttäuschend.

Aber anders herum, wenn die Band auf die Bühne kommt und Du sagst „Jesus, this band is on fire“ – was gibt es größeres als das? Und ich glaube auch, dass eine Band sich nicht lange halten kann, wenn sie diese Einstellung nicht hat.

 

Mein größtes Negativ-Erlebnis in dieser Hinsicht waren Guns n Roses 1992 in Hannover...

Phh... Ich glaube es gibt eine Menge Beispiele wie dieses, aber... sie kriegen alles, was sie verdienen!