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Simple Minds
Interview Köln 2001
Für Musikfans über 25
gehören die Simple Minds zu den ganz großen Bands der Pop- und Rockwelt, jüngere
werden schon Probleme haben, aus dem Stehgreif mehrere Top-Hits der Schotten
aufzuzählen. Denn seit Anfang der Neunziger blieben die Mega-Erfolge langsam
aus, in den letzten Jahren wurde es schließlich gänzlich ruhig um die Band der
Masterminds Jim Kerr (voc) und Charlie Burchill (git). Dass ihr
Superstar-Status zu bröckeln begann, manifestierte sich auch in Querelen mit
der Plattenfirma Virgin/EMI, die ihren ´99er Comeback-Versuch nicht einmal mehr
veröffentlichte.
Jetzt starten sie den
erneuten Großangriff auf die Musikwelt - mit neuer Plattenfirma Eagle im
Rücken, einem Cover-Album zur Einstimmung (und gleichzeitiger Veröffentlichung
eines Doppel-Best-of-Albums ihrer alten Vertragspartner) und dem neuen
Studio-Album Anfang nächsten Jahres. Zeitpunkt-Redaktuer Ralf Koch sprach mit
Sänger Jim Kerr über den Stand der Dinge.
Das letzte Album ist schon
eine Weile her - was ist seit dem passiert?
Viele Sachen, aber um es
einfach zu machen: wir brauchten eine Pause. Nach 22 Jahren nonstop im
Rockbusiness geht einem irgendwann die Puste aus. Ich beschwere mich nicht, es
ist fantastisch, aber irgendwann braucht man auch mal Abstand. Wenn man immer
in der Bergen lebt, kann man sie nicht irgendwann nicht mehr sehen. Außerdem
haben wir ein paar Sachen ausprobiert, die uns aber nicht befriedigt haben
Und schließlich gab es zum
ersten Mal in der Karriere der Simple Minds Probleme mit der Plattenfirma -
auch das hat Energie gekostet. Und wir wollten uns nicht hetzen, wir haben uns
die Ruhe gegeben, das ganze so lange auf Eis zu legen, bis wir meinen, dass es
wieder losgehen sollte.
Als ich gehört habe, dass
es sich um ein Album mit Coverversionen handelt, dachte ich erst ´aha, die
typischen Vertrags-Verpflichtungen´ - nun erscheint das Album aber als Debüt
auf Eurem neuen Label "Eagle Records"!
Wir kamen aus der Situation
der Unzufriedenheit, den Problemen mit der Plattenfirma - und es ist
erstaunlich, wie befreit man plötzlich ist, wenn das vorbei ist! Befreit und
inspiriert. Es war diese ´wow, wir sind frei´- Gefühl. Ich meine, ich will mich
nicht beschweren über die Plattenfirma, es gibt´s nichts langweiligeres als
das, und eigentlich hatten wir ja noch verhältnismäßig kleine Probleme, aber...
...gibt es nicht immer ein
bisschen Druck von der Plattenfirma?
Nein, Druck kann an gar nicht
mal sagen, es ging eher um Back-Katalog-Dinge und solche Kleinigkeiten. Druck -
um ehrlich zu sein, wir würden uns niemals unter Druck setzen lassen. Wir haben
Millionen für die Plattenfirma und alle Beteiligten eingespielt - wir schulden
niemanden etwas. Aber die ganze Musikwelt ändert sich, Rechte an der Musik,
Napster, etc, und es war Zeit, die Dinge klarzustellen.
Und dann waren wir frei.
Natürlich haben ein Dutzend großer Plattenfirmen bei uns angeklopft, gerade
nach dem 80´s-Revival im letzten Jahr, und man kommt ja nicht drumherum, die
Simple Minds sind eine der 80er-Jahre Ikonen. Es gab also schon eine Menge
Interesse, aber wir wollten nicht von einem Major zum nächsten gehen - die sind
doch alle gleich. Aber um zur Frage zurückzukehren - lange Antwort, aber Du
hast gefragt! - wir stecken inmitten eines 2-Alben-Projektes. Das Cover-Album
entstand aus den Aufnahmen zum neuen Album. Es schlichen sich ein paar Covers
ein, und wir sagten uns, hey, wie wäre es, den Kids mal zu zeigen, womit wir
groß geworden sind, lass uns das mit drauf nehmen. Und dann kamen immer mehr
Songs zusammen, und es machte sehr viel Spaß - so ist daraus "Neon
Lights" geworden. Wir sagten uns auch, es wäre ein guter Test für das neue
Album.
Ist es das? Ist es nicht
besser, ein - z.B. - Cover-Album auf dem
Hoch einer Welle nach einem erfolgreichen Album nachzuschieben - vorausgesetzt
es gibt ein Hoch...
Ja, vielleicht, aber was
haben wir zu verlieren? Dies Album ist doch eh nur ein Bonus. Was auch immer
passiert, ich werde auch nächste Woche noch Spagetthi essen können. Und die
Wochen danach auch. Du siehst das zu sehr mit Plattenfirmen-Augen - Fuck it!
Wenn wir ein Jazz-Weihnachtsalbum machen wollten, dann würden wir das auch
machen. Das würde sich nicht verkaufen, aber das ist nicht unser Problem. Wir
sind die Band, und wenn ein Album keine maximalen Verkaufszahlen bringt, dann
ist das allein UNSERE Schuld.
Aber ist es nicht um so
befriedigender, je mehr Alben man als Künstler verkauft?
Es ist am befriedigendsten,
das machen zu können, was man will. Natürlich will man so viele Menschen
erreichen wie möglich, deswegen sitze ich hier mit Dir. Es ist ja nicht so,
dass es mir egal wäre. Aber die Befriedigung kommt durch die Musik, nicht
dadurch, Nummer 1 in Amerika zu sein. Das waren wir schon, da waren wir auch
nicht glücklich, da kommen nämlich ganz andere Probleme auf Dich zu. Klar
lieben wir das Geld - hey man,, wir sind schottisch! - aber plötzlich wird die
Band zur Industrie-Ware.
Ok, lass uns über das Album
sprechen. Ich habe gelesen, dass Ihr versucht habt, mit der Essenz der Songs
sehr sorgsam umzugehen - oft habt Ihr allerdings sehr moderne Arrangements
gewählt.
Halb und halb. Es hing von
den Stücken ab. Das Bowie-Stück hält sich eng am Original, während der Roxy
Music-Song und der Neil Young-Song schon in eine andere Kultur versetzt wurde.
Es gibt eigentlich gar keine Aussage, die man für alle Songs gleichsam treffen
könnte - zumindest was die Arrangements betrifft. Wir wollten schon unser Ding
daraus machen.
Was würdest Du als
Intention hinter den verschiedenen Arrangements nennen?
Wie gesagt, jeder Song ist
anders, aber ich denke, das wichtigste war, dass dieses Album wirklich aus
einer Laune heraus entstanden ist, wir hatten wirklich Spaß daran, es
aufzunehmen, mit den Songs herum zu experimentieren. Wir haben uns nicht
gefragt, was andere darüber denken, weil wir wissen, was andere denken. Sie
denken, ´Covers, was tun sie bloß?´ (lacht) Man kann nicht gewinnen mit einem
Cover-Album. Aber - um darauf zurückzukommen - Du erwähntest Die
Vetragsverpflichtungen - Tatsache ist, dass viele der Künstler, die uns
inspiriert haben, tolle Cover-Alben gemacht haben. Bowie, Ferry, John Lennon,
es ist ein Teil davon, in einer Band zu sein. Man fängt doch immer mit
irgendwelchen Covers an.
Und wie groß war die Qual
der Wahl? Habt ihr bewusst die oft eher obskuren Songs gewählt?
Wir haben eine Liste gemacht
mit Sachen, die wir aufregend fanden - aber sind am Ende nicht mal in die Nähe
der Liste gekommen. Das war das gute an diesem Album, es enstand wirklich aus
dem Spaß daran. Wir haben uns nicht übermäßig viele Gedanken gemacht.
Vielleicht hätte es dann besser oder interessanter werden können, aber wenn wir
erst angefangen hätten, darüber nachzudenken, säßen wir immer noch dran. Es
gibt hunderte von möglichen Songs, wenn ich jetzt auf der Stelle eine Liste
erstellen sollte, würde ich vielleicht 12 komplett andere Songs wählen. Spaß
ist da ein besonderes Wort, man nimmt einen Song, probiert ihn aus, kann ich
ihn gut singen, fühlt er sich gut an? Es gab andere Songs, aber sie hörten sich
mit meiner Stimme nicht so gut an. Ich wollte einen Diana Ross Song nehmen,
aber ich konnte ihn nicht singen (lacht). Ich würde gerne eine Björk-Song
machen. Vielleicht würde ich einen Chrissie Hynde-Song schaffen (Anm.: Jim
Kerr war lange Zeit mit der Pretenders-Sängerin verheiratet), John Lennon,
Bob Marley, Stevie Wonder, Al Green - wenn wir genau überlegt hätten hätten wir
das alles machen könne, aber in diesem Fall ging es uns darum, wieder
"rein" zu kommen und Spaß zu haben.
Du hast es eingangs
erwähnt, es ging um Songs, mit denen Ihr groß geworden seid, die Euch
inspirirert haben. Echo And The Bunnymen fallen da etwas aus dem Rahmen...
Wir haben auch einen Joy
Division Song ausprobiert, oder Human League, die werden vielleicht noch als EP
veröffentlicht. Nein, wir wollten ein paar offensichtliche Namen nehmen, dann
ein paar Überraschungen und ein paar, die ein bisschen frech sind. Ich meine,
wer die Simple Minds kennt, wird wenig überrascht sein über David Bowie, Roxy
Music oder Lou Reed. Kraftwerk und Neil Young dagegen sind vielleicht etwas
überraschend, naja, und dann wollten wir eben noch Bands nehmen, die unsere
"Konkurrenten" war. Stücke, die uns auch während unserer Bandgeschichte
fasziniert und damit eigentlich auch beeinflusst haben - wie "Bring on the
Dancing Horses" von Echo genauso wie "Homosapien" von Pete
Shelly von den Buzzcocks.
Die Song des neuen Album,
die moderner arrangiert sind, setzen ein bisschen die musikalische Ausrichtung
des letzten Albums, Neapolis, fort, siehst Du das ähnlich?
Ich habe mir gerade neulich
das Neapolis Album zum ersten Mal wieder angehört. Ich denke, wir haben den
richtigen Weg gefunden, aber wir sind nicht annähernd weit genug gegangen. Und,
ja, das Album setzt diesen Weg fort, wie Du sagst.
Das heißt, es gibt auch
einen Ausblick über die musikalische Ausrichtung des kommenden Studio-Albums?
Ja, ganz bestimmt. Ich meine,
das Album ist schon fast fertig. Wir sind vor ca. einem Jahr damit angefangen,
wir begannen mir sehr viel Energie, und dann begann diese Covers-Geschichte
sich daraus zu entwickeln, und irgendwie haben wir uns gesagt, ist es nicht ein
bisschen komisch, nach so einer langen Zeit einfach nur mit einem neuen Album
wieder zu kommen. Deswegen fanden wir die Cover-Geschichte sehr interessant.
Das wird den Namen erst einmal wieder in Umlauf bringen, Virgin Records wird
gleichzeitig noch eine 30-Track-Compilation veröffentlichen, und dann gibt es
das neue Studio-Album wahrscheinlich im März. Es gibt zwar keine andere Band,
die so was schon mal gemacht hätte, aber wir veröffentlichen 3 Alben in 6
Monaten.
Ich meine, Neapolis war
nicht sonderlich erfolgreich, oder?
Nein, das stimmt. Obwohl das
auch relativ ist, 2 Millionen Stück haben wir auch davon verkauft, aber es war
bestimmt kein Kultur-Ereignis.
Und wie siehst Du das
Album heute?
Gute Songs, aber uns fehlte
der nötige Spirit. Wir waren ausgelaugt. Wir haben auch nur ein paar Festivals
damit gespielt.
Wer hat auf dem Album
gespielt? Die Simple Minds sind eigentlich nur noch Charlie (Burchill) und Du,
oder?
Im Prinzip sind die Simple
Minds immer noch eine Band. Ich meine, wenn man an eine Band denkt, denkt man
die 4 oder 5 Reiter der Apokalypse, aber im Endeffekt sind wir wie die Pet Shop
Boys - Charlie und ich sind die Denker, wir schreiben die Songs, arbeiten mit
Computern und Musikern, aber eine klassische Rockband sind wir nur auf der
Bühne.
Das heißt, dass die
Musiker, die Euch unterstützen auch nicht immer die selben sind?
Ja, es gibt zwar einzelne,
die immer wieder auftauchen, aber das hängt auch alles von dem Umfang der
Arbeiten ab. Wie soll ich das sagen, mit machen Musikern kann man sehr gut
spielen, aber ein ganzes Jahr auf Tour möchte man dann doch nicht mit ihnen
verbringen. Und ich bin sicher, die denken das gleiche über uns.
Und wie lang die Tour
wird, hängt von dem Erfolg der Platte ab?
Teil teils, ich meine, uns
wurden auch jetzt schon große Tourneen angeboten, die sich allein auf den
großen Namen stützen.
Hast Du eine Vorstellung,
welches Publikum ihr heute habt?
Ich denke schon, dass es
momentan hauptsächlich unser altes Publikum ist, in den 90ern haben wir ja
nicht sehr viel gemacht. Aber was die beiden neuen Alben da erreichen können,
liegt nur begrenzt in unserer Hand. Deshalb sind wir ja auch so entspannt, wir
machen was wir können, der Rest ist nicht mehr unser Job. Um ehrlich zu sein,
ich bin selber gespannt, was Radio und Presse zu den Alben sagen werden.
Um es positiv auszudrücken
- die moderne Ausrichtung, die mit Neapolis begann, war überraschend. War eine
Frischzellenkur nötig?
Ja, ich denke schon.
Natürlich sollte man die Bedürfnisse seines Publikums beachten und
respektieren, aber ich wüsste nicht, wo ich da anfangen sollte. Ich kann die
Fans nicht glücklich machen, wenn ich nicht selber glücklich bin, ich weiß doch
gar nicht, was jemand anders hören will. Wenn wir zu einer Zeit den Geschmack
einer großen Masse getroffen haben, dann war das Glück - in welcher Hinsicht
auch immer..., aber eine Band, die 14 oder 15 Alben in 20 Jahren gemacht hat,
kann nicht immer synchron zum Geschmack der Leute laufen. Manchmal gehe ich
selber einen Schritt zurück, und denke, was zum Teufel ist das? Aber wie soll
man sich weiterentwickeln, wenn man nichts ausprobiert? Manchmal muss man etwas
falsch machen, um es danach richtig machen zu können. Wem soll es helfen, wenn
ich 20 Jahre lang die selben Platten machen?
Was beeinflusst Dich?
Hörst Du aktuelle Musik?
Für eine lange Zeit habe ich
eigentlich gar nichts aktuelles gehört - weil ich immer dachte, wenn eines
dieser Gitarrenstücke anfing - `das habe ich schon gehört`! Es ging nicht mal
darum, ob ich es mag oder nicht, ich habe nur nach einer Minute nicht mehr
hingehört.
Gibt es gute aktuelle
Musik, die anders ist?
Ich weiß nicht. Ich meine,
ich denke ja immer noch sehr songorientiert, und vielleicht mag ich gar nicht
mal die Musik so sehr, aber ich schätze die Einstellung der neuen
Dance-Gruppen. Ihre Einstellung und ihre Sounds. Aber trotzdem vermisse ich den
Song als solchen hinter den Stücken. Nur, in der Gitarren-Pop-Welt interessiert
mich momentan nicht viel. Ich kritisiere sie nicht, ich wechsele nur den
Sender.
Was sind denn die letzten
Alben, die Du gekauft hast?
Vieles aus der
Electronic-Ecke aus der Leftfield-Richtung, Boards of Canada aber auch Manu
Chao, Radiohead oder das neue Björk Album.