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Porcupine Tree: Steven Wilson 

Interview 2005.

 

PT sind eine Konsensband! Und unabhängig davon, ob es diesen Begriff gibt, oder nicht – je länger man sich über das Wort Gedanken macht, desto mehr kommt man zu dem Schluss, dass PT es wie keine andere Band besetzen könnte. Sie vermischen Progressivrock, Psychedelic, Ambient und Metal auf der Basis von fast Pop-ähnlich eingängigen Melodien  – und das sowohl mit tiefen Wurzeln in den 70ern als einer Ausrichtung mitten in der heutigen Musikszene. Daneben gehören sie zu den wenigen Band, die nicht nur keine „Gegner“ hat, sondern die man umso fester in sein Herz schließt, je mehr man von ihnen hört. Wer sich für Rockmusik interessiert und über Porcupine Tree stolpert, bleibt bei ihnen hängen. Das nenne ich eine Konsensband.

Vor 15 Jahren als One-man-Psychedelic-Project in England gegründet, bildete sich mehr und mehr eine feste Band um Mastermind Steven Wilson, und bekamen die Songs mehr und mehr Struktur. Spätestens seit ihrem ´99er „Stupid Dream“ Album entwachsen PT langsam aber sicher ihrem Insiderstatus – ein Prozess, der laut Wilson längst noch nicht abgeschlossen ist.

 

Als Band, die sich immer weiter entwickelt hat: was ist neu am neuen Album?

Ich denke, der Hauptunterschied beim neuen Album ist, dass es auf einem Filmscript basiert, was dem Album ein sehr cineastischen Feeling gegeben hat.  Für das letzte Album, „In Absentia“ hatte sich eine Menge geändert – ein neues Label, ein neuer Drummer, was zu einer sehr neuen Dynamik in der Band geführt hat, wir haben auch erstmals verstärkte Metal-Elemente eingeführt – und es war schon ein Schritt ins Dunkle beim letzten Mal, für den wir ehrlich gesagt vielleicht gar nicht selbstbewusst genug waren. Beim neuen Album sind wir mit diesen Dingen flüssiger umgegangen, glaube ich. Die Band ist noch enger zusammen geschweißt, hat sich noch mehr einbringen können auch – ich denke, „Deadwing“ ist geschlossener als das letzte, weniger schizophren, und eben auch filmischer. Aber wahrscheinlich kann ein außenstehender Hörer wie Du die Unterschiede viel besser erkennen, als einer aus der Band, der wie ich so dicht an der Entstehung beteiligt war.

 

Um ehrlich zu sein, ich denke, dass es anders als bei früheren Alben dieses Mal keine so großen Veränderungen gab... ich würde es eher als Konsolidierung des „In Absentia“ Sounds sehen.

Ja, vergleichbar mit dem ´Double´ „Stupid Dream“ und „Lightbulb Sun“, da gab es auch keine so großen Veränderungen. ES scheint also derzeit so zu seine, dass wir uns in 2-Alben-Schritten verändern, was aber nicht notwendig einen Trend für die Zukunft ergeben muss... (lacht).

 

Was heißt Filmscript – gibt es einen Film zum Album?

Es könnte einen geben, ja, aber bislang existiert nicht mehr als ein Drehbuch von einem Freund von mir. Ich will nicht zu viel sagen, denn vielleicht wird es den Film ja einmal geben, aber es ist eine Art ´Ghoststory´, und in vielerlei Hinsicht das visuelle Äquivalent zur Musik von Porcupine Tree – sehr surreal, traumhaft, sehr melancholisch, sehr europäisch, sehr unkommerziell - man könnte den Film vom Feeling her ein filmisches Pendant zur Band Porcupine Tree nennen.

 

Nun, mit Deiner neuen Plattenfirma im Rücken, dem steigenden Erfolg – wäre es nicht perfekt gewesen, die Sachen zusammen heraus zu bringen?

Oh, ganz bestimmt, aber hast Du eine Ahnung, wie schwer es ist, als unbekannter Filmproduzent Sponsoren für ein solches Projekt zu finden? Das ist noch 100 Mal schwerer, als für eine junge Band, einen Plattenvertrag zu kriegen. Wir sprechen, auch bei einem Low-Budget-Projekt wie diesem, von einer knappen Million Euro, die nötig wären.

 

Apropos Majorlabel: Du konntest Deinen Erfolg immens steigern mit Deinem Wechsel – hatte das irgendeine Auswirkung auf das neue Album?

Oh nein, ganz bestimmt nicht! Nie hat jemals etwas die Musik beeinflusst außer die Tatsache, dass die Band etwas ändern wollte, oder irgendwelche Einflüsse mit hinein gebracht hat. Wir haben. Die Band hat noch nie versucht, einem Erfolg hinterherzulaufen oder einen bestimmten Stil zu erzeugen; wir haben schon immer Musik nur für uns selbst gemacht.

So viele haben geäußert, dass sie Angst hätten, dass wir uns verändern würden wegen eines Major-Deals, weil wir einem Druck oder einer Verschwörung ausgesetzt wären  – entschuldige, aber ich konnte darüber immer nur lachen, denn das ist lächerlich! Das Gegenteil war der Fall. Wir haben so lange gewartet auf einen Majordeal, bis uns eine Firma unsere völlige künstlerische Freiheit gewähren würde. Man könnte uns fast arrogant oder selbstverliebt nennen, weil wir uns nie eingestanden haben, auf die Wünsche von außenstehenden, Plattenfirma oder Fans zu reagieren. Das ist der Unterschied für mich als Künstler zu einem Entertainer: Ein Entertainer versucht, sein Publikum zufrieden zu stellen, wir sind Künstler, und machen nur was wir selbst wollen. Und die Tatsache, dass andere Menschen die Musik mögen, ist ein glücklicher Zufall. Versteh mich nicht falsch, ich bin sehr glücklich darüber, und wir tun auch alles, um unsere Musik zu promoten, aber bitte erst, nachdem wir sie fertig produziert haben.

 

Vielleicht ist es das ja, wo der Bandname herkommt..... passt ja sehr gut zu dieser Einstellung...

Hehe, Du weißt wie ich dazu stehe.

 

Ich weiß, Du wirst es nicht verraten. Noch einmal zum gestiegenen Erfolgslevel: Es muss sehr befriedigend für Dich sein, dass der Majordeal Dich auf hierhin gebracht hat. Bist Du, wo Du hinwolltest, oder hast Du noch Zukünftsträume?

Ich glaube noch immer, dass es potentielle Porcupine Tree Hörer gibt, die unsere Musik noch nicht kennen. Ich finde unsere Musik nicht kompliziert, sie ist sehr eingängig, sie ist vielleicht nicht so platt kommerziell wie Popmusik, aber man kann sie leicht genießen. Sie ist zugänglich, wenn auch vielleicht erst nach ein paar mehr Hördurchgängen als Britney Spears, aber wir haben gute Songs – also ich wüsste nicht, warum wie nicht Millionen anstatt von Tausenden  Platten verkaufen. Aber diese Sätze werden wohl weiterhin durch unsere Karriere begleiten: „die beste Band, die Ihr noch nicht gehört habt“, „die unterbewertetste Band“, „beste Underground-Band, die zum Mainstream gehören sollte“, blablabla, ich kann es nicht mehr hören. Warum muss das so sein? Nur weil wir keine offensichtlichen Hitsingles schreiben? Also ja: ich habe noch Träume und Wünsche für die Zukunft.

 

Es wird Zeit, dass ihr beim ´Rock Am Ring´ spielt, würde ich sagen!

Tja, bislang sind wir zu solchen Festivals nie eingeladen worden – was vielleicht daran liegt, dass wir kein bestimmtes Genre bedienen, man kann uns nicht so richtig einordnen. Wenn wir eine Metalband wären, würden wir wahrscheinlich ständig auf die klassischen Festivals eingeladen. Das ist unser Schicksal. Wir sind immer durch die Raster gefallen. Wir sind keine Rockband, keine Metalband, keine Progressive Band, keine Popband, keine Ambientband, keine Spacerockband – wir sind nichts davon und haben doch alles davon.

 

Ein Stück wie „Arriving Somewhere“ baut sehr auf den Elementen der traditionellen PT auf, oder?

In gewisser Weise, ja. Aber dann kommen die Metal-Elemente im Mittelteil, vielleicht ja. Ich weiß was Du meinst. Es hat schon viel von den klassischen Sounds.

 

Auf „Deadwing“ gibt es die ruhigeren Sachen, die harten, straighten Songs, die Longtracks - gibt es eine bestimmte Art Song, die Dir auf dem neuen Album am meisten gelungen vorkommt?

Falsche Frage, so etwas ist für mich sehr schwer zu beantworten. Ich denke, das Titelstück ist ein sehr gelungenes Experiment mit neuen Elementen. Aber ich bin sehr zufrieden mit allen Stücken – sie sind eh nur die Cr´me de la Créme der Sachen, die wir geschrieben haben. Wir haben sehr, sehr viele Stücke übergelassen, gute Stücke auch.

 

Was wird damit passieren?

Sie werden für B-Seiten o.ä. verwendet werden, vielleicht wird es ein paar Downloads geben, mal sehen.

 

Deine ganzen alten Alben werden wieder veröffentlicht – hast Du da irgend einen Einfluss darauf?

Ich habe keine Einfluss darauf, wann oder ob sie veröffentlicht werden, aber ich versuche, mich einzubringen, beteilige mich mit Remastering, Bonus Tracks. Ich weiß, dass es manchmal etwas viel erscheint, aber es ist üblicherweise so, dass die alten Plattenfirmen von dem Erfolg ihrer ehemaligen Schützlinge zu profitieren versuchen.

 

Ein Thema noch: Blackfield! Ist das jetzt der Weg für Dich, diese eher ruhige Seite von Dir auszuleben, oder hat sich dieser Sound einfach ergeben, weil Du mit Aviv Geffen mit einem komplett neuen Musiker zusammen gearbeitet hast?

Beides eigentlich. Natürlich ist die Musik das Ergebnis der beiden Komponisten – und die Schnittmenge der Musik von Aviv und meiner. Es gibt Sachen, die ich in seiner Musik mag und nicht mag – und umgekehrt, es gibt also Sachen, die für Blackfield nicht in Frage kommen. Er hat z.B. diese Vorliebe für kurze, melancholische Songs, die ich auch mag, die ich aber nicht so oft mache. Also machen wir diese Art Songs zusammen - und es war sehr erfolgreich, es hat sehr viel Spaß gemacht – und wir arbeiten bereits an den Songs für ein zweites Album.

 

Neben PT und Blackfield – gab es Zeit für irgendein anderes Projekt?
Nein, und ich fürchte, daran wird sich auch dieses Jahr nichts ändern. Mein Privatleben liegt seit zwei Jahren brach, und auch daran wird sich so schnell nichts ändern. Aber ich habe mir selbst versprochen, mich im nächsten Jahr etwas zurückzunehmen, und mich ein wenig um mein Privatleben zu kümmern.

 

Um ehrlich zu sein, ich war überrascht, dass das neue Album so schnell kam!

Ja, und es kam zu einem hohen persönlichen Preis

 

Ist das die negative Seite des Erfolgs?

Ja, absolut! Vor zwei Jahren hat meine Freundin mich nach einer langen Beziehung verlassen, ganz einfach, weil ich selten zu Hause war, und seit dem gab es für mich keine engen privaten Bindungen mehr. Arbeit ist toll, ich liebe meine Arbeit, aber letzten Endes gibt es mehr im Leben. Auch ich brauche Wurzeln, ein Zuhause, eine Beziehung... ich meine, ich beklage mich nicht, ich hatte eine tolle Zeit, ich habe so viel erreicht, von dem ich nie erwartet hätte, dass es so passieren könnte, aber ich muss versuche, mein Leben zurück zu gewinnen.

 

Dieses Jahr wird also wieder komplett für PT drauf gehen?

Ich muss! Ich entscheide das nicht allein, wir hängen da ja alle mit drin und wir verlassen uns aufeinander. Wir haben eine Menge Tourneen, Festivals – da wird vor Ende November nicht viel Zeit für Freiheit bleiben. Ich will mich nicht beklagen, ich liebe was ich mache, und ich fühle mich sehr privilegiert meine Musik machen zu können, aber die Fans vergessen oft, dass es auch schwer sei kann. Ich habe keinen Beruf, nach dem ich um Fünf zu meiner Familie nach Hause gehen kann, und die Beine hoch lege. Abgesehen davon brauche ich sowieso erst einmal ein Zuhause und eine Familie.... (lacht).