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VIVID
4 Jungs aus
Salzgitter schickten sich 1991 an, die Musikwelt zu erobern. Nach den üblichen
Anfangsquerelen versuchten sie es 1994 mit einer Demo-CD und konnten zumindest
ein paar warme Worte ernten, allerdiings auch nicht mehr: Eine deutsche Band,
die amerikanischen Alternativ-Rock spielt, das passte nicht so recht in die
Zeit. Also überarbeitete die Band ihr Material mit modernen Mitteln, und im
zweiten Anlauf klappte es. Virgin Records nahm sich der Band an, „Go“ erschien
1997 und begeisterte Fans und Kritiker gleichermassen. Nach Tournee und
Festivals gings wieder ins Studio, um mit den Arbeiten am Nachfolger zu
beginnen. Im Juni stellten sie ihr
Material aus „Sundown to Sunrise“ erstmals in Saarbrücken einem begeisterten
Publikum vor, jetzt geht´s auf amtliche
Deutschlandtournee.
Ein Interview mit Drummer
Torsten Kluske und Sänger Thomas Hanreich (1999)
Ihr seid momentan auf
Promotiontour?
Thomas: Ja, mehr
oder weniger. Wir sind eh zusammen, um für die anstehende Tournee zu proben,
und machen dann zwischendurch immer solche Termine – Presse, Radio, Fernsehen.
Fernsehen auch?
Thomas: Ja,
gestern waren wir bei NBC Giga, einer Internetsendung, heute bei Sat 1 für eine
Boulevardsendung
Das zeigt ja dann
auch schon das sich einiges tut bei Euch...
Torsten: Naja,
ich meine, die suchen natürlich auch immer Themen, aber es ist schon
befridigend, zu sehen, dass wir vorankommen.
Tja, schließlich gibt
es ein neues Album! Hat sich etwas geändert im Vergleich zum Debüt?
Torsten: Also
beim Debüt hatten wir angefangen, mit diesen Computergeschichten etwas
herumzuexperimentieren, womit wir zuvor eigentlich relativ wenig Erfahrung
hatten. Beim neuen Album haben wir diese Sachen besser integriert, damit es
nicht so offensichtlich ist. Sachen wie Samples und Loops gehören zu den Songs
und sind nicht zum Selbstzweck und zur Effekthascherei enthalten.
Hat der Titel eine
tiefere Bedeutung?
THomas: Nein,
eigentlich nicht. Der hat sich ergeben aus den Fotosessions zum ersten
Videoclip (zu „Off you go“) und passte dann auch ganz gut.
Hat also nichts mit
der Situation von Vivid zu tun?
Torsten: Nee, das
wäre uns zu bedeutungsschwanger gewesen. Das muss man nicht überbewerten.
Ja eigentlich ist für
Euch die Sonne ja auch längst aufgegangen... Beim Debüt wurdet ihr noch oft als
„die deutsche Antwort auf Pearl Jam“ gehandelt – welche Bands hörst Du beim
neuen Album?
Torsten: Klar,
mit irgend etwas wird man immer verglichen, obwohl wir Pearl Jam nie so richtig
nachvollziehen konnten. Auf jeden Fall dürfte das beim neuen Album noch weniger
der Fall sein, wobei es natürlich nicht unbedingt unsere Aufgabe ist, uns mit
anderen Bands zu vergleichen. Könnte ich auch gar nicht, dafür sind unsere
Einflüsse und Vorlieben viel zu vielfältig. Thomas hört Sachen wie Jeff
Buckley, Radiohead, Björk, Matthias hört eigentlich nur Radio und Volksmusik,
Holger ist unsere Discoqueen – also alles verschieden, so dass man uns nur
schwer auf eine Band festnageln könnte.
Holger ist Eure Disco
Queen – dann stammt der Titel „Dancing Girl“ wohl auch von ihm, oder? Ist der
nicht ein bisschen extrem für Euch?
Torsten: Ja, der
ist von Holger und nein, nicht zu extrem. Ich meine, wir hatten Sachen, die
waren noch „extremer“, auf der Platte sind schon nur die Sachen gelandet, die
zwar unser Spektrum möglichst weitläufig umfassen, die aber immer noch Vivid
genug sind, um als solche erkannt zu werden. Jeder Song sollte in seine eigene
Richtung gehen, aber sollte zum Album passen. Und „Dancing Queen“ ist, glaube
ich, ein Song, der mit jedem Hören wächst – was auch eine Intention bei der
Songauswahl war – ein Album zu haben, bei dem man auch beim 5. – 10. Hören noch
etwas neues für sich entdecken kann.
Also sind auch
Sachen, die zu extrem waren, lieber ausgelassen worden...
Thomas: Ja, man
sollte schon noch in jedem Lied Vivid erkennen können. Ein anderes Kriterium
war andererseits z.B. auch, wenn sich Songs zu ähnlich waren – die sind dann
auch rausgeflogen.
Das Debüt habt Ihr in
Malta aufgenommen, das neue Album in Salzgitter und Düsseldorf – was war
rückblickend besser?
Torsten: Beim
ersten Album war´s stressiger. Es war schon schön exklusiv, in Malta
aufgenommen zu haben, aber wir sind eigentlich auch nicht ganz fertiggeworden,
und mussten dann später nacharbeiten. Beim neuen Album haben wir die bequemere
und zeitaufwendigere Variante gewählt. Ausserdem, wenn man eh so viel unterwegs
ist, ist der Reiz, woanders aufzunehmen, nicht mehr da. Wir hätten auch nach
New York oder sonst wo hingehen können, aber wir haben mittlerweile unser
eigenes Studio, in dem wir uns so viel Zeit lassen konnten, wie wir wollten.
Das heisst?
Torsten: In
Salzgitter haben wir ungefähr 5 Monate aufgenommen, und danach nochmal 3 Wochen
in Düsseldorf abgemischt. Wir haben uns eigentlich ohne Songs im Studio
getroffen, ersteinmal ein paar Wochen nur gejammt, und aus den Songfragmenten
und Ideen danach die Stücke komponiert. Das hätten wir in einem gemieteten
Studio natürlich so niemals machen können. So konnten wir auch viel
experimentieren und Elemente hinzufügen, so dass wir, glaube ich, ein sehr
rundes Album abliefern konnten.
Und dann kam Peter
Walsh dazu – wie war die Zusammenarbeit mit ihm?
Thomas: Das war
absolut toll, wir waren menschlich und musikalisch auf einer Wellenlinie.
Er kam ja auch auf
Euch zu – ist das nicht relativ ungewöhnlich?
Torsten: Jein, es
kommt ja auch für den Produzenten – und für die Musiker gleichermassen - darauf
an, dass er das Material mag, das er bearbeiten soll. Er hatte mal den Song
„Still“ im Radio gehört, und war dadurch auf uns aufmerksam geworden.
Hat er auch das
aktuelle Werk von Peter Gabriel wieder in den Fingern?
Torsten: Ja, aber
Gabriel macht auch viel selbst. Ich glaube, Peter Walsh hat nach 4 Monaten
wieder aufgegeben... dauert ja alles ein bisschen länger bei Gabriel.
Apropos länger dauern
– ihr seid in der noch immer gültigen Besetzung jetzt schon eine ganze Weile zusammen!
Thomas: Ja, wir
waren alle auf der selben Schule, und haben da angefangen, Musik zu machen.
Irgendwann haben wir sogar mal auf einem Abi-Ball gespielt. Und damit fing
alles an. Auf dem „Salzgitter International“ Stadtfest 1991 war dann unser
erster offizieller Auftritt.
Als junge Band muß
man sich ja oft auch recht seltsame Rezensionen gefallen lassen – gab´s eine,
die Du richtig doof fandst?
Torsten: Wir
lesen ja längst nicht alles, möchte ich auch gar nicht. Wir kriegen viele gute
Kritiken, aber wenn eine Kritik schlecht ist, sollte sie zumindest gut
geschrieben sein. Richtig bescheuert war z.B. die in der TVToday kürzlich, nach dem Motto „die Band kommt aus Salzgitter,
und das erklärt ja einiges“... ja was
denn? Fand ich schon etwas seltsam. Ein bisschen ärmlich. Aber letztendlich:
jeder schreibt was er will – und wir machen die Musik, die wir wollen.
Thomas – Du schreibst
die Texte, wie wichtig sind sie Dir?
Thomas: Sie sind
mir wichtiger geworden – ich bin ja auch älter geworden. Beim Debüt war ich
noch froh, 11 Texte zu haben, beim neuen Album fiel es mir leichter, weil ich
auch eher wusste, was ich damit erreichen wollte.
Zum Beispiel?
Thomas: Es gibt
ein paar Texte, die sich um die letzten zwei Jahre drehen, und ich denke, wenn
man sie sich durchliest, kann man nachvollziehen, was wir durchgemacht haben.
Was gleich geblieben ist, ist die Tatsache, dass ich versucht habe, den Hörer
oder Leser mit einzubeziehen, dass der Leser interpretieren kann und seine
eigenen Dinge aus den Texten herauslesen kann. Man kann also sich schon mit den
Texten beschäftigen – man kann aber auch weghören, man muss ja die Texte nicht
unbedingt lesen, um ein Lied gut zu finden. So wichtig sind Texte dann auch
wieder nicht, da mache ich mir keine Illusion.
Deswegen deutsche
Texte zu schreiben, käme für Dich also nicht in Frage?
Thomas: Nee, so
prätentiös sind meine Texte auch nicht. Und deutsche Lyrik würde ich auch etwas
albern finden. Es wäre mir etwas zu gefährlich, seltsame Bilder zu benutzen,
die dann wahrscheinlich eher kitschig klingen – und Wolle Petry finde ich eben
auch nicht so gut.
Wenn wir jetzt mal
die beiden ersten Singles nehmen – wovon handeln die?
Thomas: „Off we
go“ handelt von einem Neuanfang – von einer oder auch mehreren Personen, die es
schaffen, sich von dem, was sie kennen, zu lösen, und sich einfach frei auf
etwas neues zu bewegen, ohne zu wissen, was sie erwartet. „Somenthing else
about you“ ist eine kleine Geschichte, die aber eigentlich auch vielschichtiger
ist, als man am Anfang denkt. Es geht um einen Mann, der sich in eine
Busfahrerin verliebt, und dann jeden Tag mit diesem Bus fährt, und versucht,
diese Frau von sich zu überzeugen. Aber sie beachtet ihn nicht, was ihn aber
nur noch mehr anspornt, und das geht dann so weit, dass sie ihn einfach
umfährt, weil sie so genervt ist von ihm. Aber auch das versteht er nur als Akt
der Liebe, denn so nah war er ihr sonst nie gekommen, und so viel Aufmerksamkeit
hatte sie ihm vorher nie geschenkt – und das fand er gut.
Ich habe noch ein
paar „Kurzantwortfragen“:
Dein Manager ruft
Dich an – Ihr seid #1: über welche Chartsführung würdest Du Dich am meisten freuen?
Torsten: Nummer 1
in den richtigen (Media Control) Charts sind schon das größte. Heisst ja auch
etwas für die Verkaufszahlen.
Thomas: Wir sind
von 0 auf 30 eingestiegen. Ist zwar noch nicht Nummer 1, aber ist ja auch erst
die erste Woche...
Ein Werbefuzzi fragt
Euch nach einem Song: für welches Produkt würdest Du am liebsten werben?
Torsten: Och, da
gibt´s viele. Wenn das zu uns passt, und zur Musik, kann man darüber reden,
aber speziell fällt mir jetzt nichts ein.
Wer bügelt Deine
Hemden?
Torsten: Ich
selbst.
Thomas: Ich auch.
Mit welcher Band
würdest Du gerne einmal auf Tour gehen?
Thorsten: Skunk
Anansie
Thomas: Nee, die
sind zu hart für uns. Das passt nicht richtig.
Thorsten: Dann
Peter Gabriel.
Und Du?
Thomas: Die
meisten sind schon nicht mehr – Jeff Buckley, die Beatles, ... deswegen würde
ich mal sagen, Manic Street Preachers würden wohl passen.
Na, wie schön, dass
Ihr Euch darüber nicht zu streiten braucht bei Eurer Tournee... Viel Spaß!