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Vor dem Abschlußkonzert in Hamburg, am 21.1.98, hatten mein
Radio-Partner Udo Klingsporn und ich die Möglichkeit, uns ein bißchen mit
Drummer Nick D´Virgilio und Sänger und Chef der Band, Neal Morse, zu
unterhalten.
Nick: Es war
unglaublich! Deutschland, Holland und Paris haben uns mehr als gut aufgenommen,
die Zuschauer haben sich die Kehlen aus dem Hals geschrien – es war wahnsinnig.
Wie wichtig ist
Europa als Markt für euch?
Nick: Sehr! In
den USA haben wir weit weniger CDs verkauft als hier.
Warum hat es dann so lange gedauert bis ihr hier auf Tour gekommen seid?
Nick: Um ehrlich
zu sein, ich weiß es nicht. Ich schätze, es dauert so lange, bis man sich so
weit „bekannt gespielt“ hat, dass es sich lohnt.
Zum neuen Album: ist
schon euer drittes!
Nick: Ja, Neal hat so viel Material; wir sind ziemlich
schnell.
Ist das neue Album
anders? Wenn ja, warum?
Nick: Ich würde
sagen, es ist härter; es rockt mehr. Durch die Produktion und durch die
kürzeren Songs; es fetzt manchmal ganz gut.
Klingt, als ob ihr das besser finden würdest
Nick: Nein, ich
mag beide Stile. Es ist einfach mehr songorientiert, was ich sehr mag. Ich
finde es am besten, wenn „progressive“ mit Songwriting verbunden wird, ich sehe
uns in diese Richtung bewegen.
Neal: Ich mag
auch beides. Ich meine, ich habe Lieblingstitel, aber das ist auch oft aufgrund
der Mixe. „Walking on the Wind“, z.B. ist ein absolut genialer Mix von Kevin,
schon fast magisch, ich könnte jdesmal weinen, wenn ich das Ende höre. Das neue
Album hat insgesamt einen guten Mix, hier sind „The good don´t last“ und „Flow“
vielleicht meine Lieblingslieder. Obwohl ich „June“ auch liebe!
Nick: Meine sind „Harm´s
World“ und „Strange World“
Seht Ihr da eine Kontinuität über die drei Alben, eine Art Entwicklung?
Neal: Ich glaube, das bleibt dem Hörer überlassen. Ich mache
mir keine große Gedanken über die „Entwicklung der Band“. Ich schreibe Songs,
und wir wählen einfach ein paar aus, die uns gefallen, ohne Rücksicht auf
übergreifende Schemata. Vielleicht entwickeln wir uns ja, wer weiß.
Sind es alles neue
Songs, oder gibt´s noch altes Material?
Neal: Bis auf
Flow stammt alles aus den letzten 2-3 Jahren. Flow ist zeimlich alt, das habe
ich geschrieben, als ich 16 war, oder so.
Für eine US-Band
klingt Ihr sehr britisch...
Nick: Ja da kommt
ja auch all die gute Musik her – Genesis, Yes, King Crimson, Pink Floyd, ich
meine, ich mag auch eine Menge amerikanischer Bands, aber das ist dann mehr
Rock´n´Roll-Business. Ich stehe mehr auf Prog, und da eben v.a. auf Sachen wie
Genesis.
Nick: Das war
echt verrückt: Ich war auf Tour mit Tears for Fears, und wir hatten einen Gig
in London. Da kam mir zu Ohren, dass Genesis einen neuen Drummer suchen
könnten, und ich bin zum Management gefahren, hab mich denen vorgestellt,
gesagt, dass ich z.Zt. bei Tears for Fears spiele, habe sie zum Gig eingeladen
und ihnen ein paar Spock´s Beard – CDs mitgebracht. Als die Tour dann vorbei
war, ca. 2 ½ Monate später, bekam ich einen Anruf und sie luden mich ein zur
Audition mit der Band. Und so kam ich auf einen Teil der Platte.
Wie war das, für eine Band zu spielen, deren großer Fan man ist?
Nick: Unglaublich.
Ich kannte ja alle Stücke seit ich ein Kind war, d.h. damals noch mehr als
heute. Als ich 15 war, kannte ich jeden Drumfill, alle Texte die Phil Collins
je gespielt oder gesungen hat, auch mit Brand X. Ich war fanatisch.
Was sind eure Pläne für dieses Jahr?
Nick: Ich werde
zurück fahren nach L.A., und mit ein paar lokalen Bands spielen, keine
bekannten, einfach lokale Größen, dann wollen Tears for Fears eine neue Platte
aufnehmen, auf der ich spielen werde, und dann kommen Spock´s Beard vielleicht
ja auch schon mal wieder nach Europa, Ende des Jahres oder auch schon früher.
Neal: Ich dachte
eigentlich, wir nehmen im April/Mai eine neue Platte auf
Nick: seht ihr,
da habt ihr´s.
Neal: Ja wir
machen jedes Jahr eine neue Platte, normalerweise im Januar, aber dieses Mal
müssen wir es auf Mai verschieben.
Wie lange braucht Ihr für eine Platte?
Neal: Ich
schreibe das Material im Voraus, d.h., vieles habe ich bereits geschrieben seit
1995. Dann wählen wir das Material aus, was auch nicht soo lange dauert, und
dann wird aufgenommen. Nick und Dave haben ihre Parts von „Kindness of
Strangers“ in 2 Tagen aufgenommen (so gut sind die! Es ist unglaublich.). Ryo
hat 1 ½ Tage gebraucht. Normalerweise geht das alles sehr fix, wir sind alle
bei der Sache, und dann geht´s los.
Meine Parts sind meist schon vorab fertig, für das aktuelle
Album habe ich ca. eine Woche gebraucht.
Wenn du so viele Songs schreibst, woher nimmst du deine Inspirationen?
Neal: Ich höre
viele Sachen. Und dann mache ich mir meine Gedanken. Z.B. lag ich im Bett, und
plötzlich hörte ich den Anfang von „Mouth of Madness“, dieses dadodadodey,
dadodadodeyn (...) und ich sagte, uhoh, ich muß aufstehen, meine Frau so „stay
in bed“ und so...
Es klingt, als ob da
noch jede Menge Alben zu erwarten wären...
Neal: Oh ja! Wir
fangen doch gerade erst an!
Erzähle uns etwas
über die Texte...
Neal: In „The good don´t last“ beschwere ich mich
über unsere Kultur – ich meine, wir könn(t)en alles erschaffen, was wir
woll(t)en, und alles was wir erschaffen, ist DIES, was man eben auf alles
beziehen könnte, was nicht so toll ist, was eben auch wieder eine ganze Menge
ist. Trotzdem, große Sachen kommen auch vor, und gibt es auch. Es ist also möglich.
Ich mag es nicht, Dinge im Hoffnungslosen zu beenden. Die meisten Songs enden
eher hoffungsvoll.
Du bist also eher
optimistisch.
Ja, ich glaube schon. Ich weiß es nicht, ich krieg´s nicht
raus. Ich bin entweder optimistisch oder pessimistisch, ganz das eine oder ganz
das andere – Mitteldinger gibt es nicht. Meine Frau nennt mich Mr. Jones – der
aus dem Film. Da ist Richard Gere ist auch entweder manisch depressiv oder
himmelhochjauchzend. Sie sagt immer: „It´s Mr Jones Jr.“
„Mouth of Madness“
handelt davon, wie cool oder seltsam es wäre, wenn man komplett verrückt werden
würde.
„Take walk on Easy
Street“ ist von meiner Frau inspiriert, als ich mal eine Depression oder so
hatte – sie sagte: du solltest glücklich sein, immerhin hast du Arme und Beine.
Der Song ist also über jemanden, dessen Leben in die Brüche geht, aber er hat
zumindest trotzdem eine gute Zeit.
„Strange World“
ist auch ein Kommentar auf unsere Zeit, “Harm´s
Way“ ist irgendwie, was sich gut anhörte zu singen. Es ist ein proggiger
Titel, und da ist ja eigentlich alles erlaubt, solange es gut klingt und sich
gut singen läßt.
Worum geht es in June – ist das Kevin Gilbert gewidmet?
Nick: Auch eine
interessante Idee... nein nein, Neal hat
sich uns als Band in vielen Jahren vorgestellt, wie wir dann zurückschauen auf
unsere Karriere. So nachdem es wieder beragab gegangen ist mit uns, wenn es mit
der Band längst wieder vorbei ist.
Wenn Ihr einen Wunsch hättet, mit wem würdet Ihr am
liebsten einmal spielen wollen/gespielt haben wollen?
Nick: Led Zeppelin. Und Genesis, das wäre natürlich auch
toll. Ich wollte immer mit Tears for Fears spielen, das war schon immer eine
meiner Lieblingsbands – und das ist ja schon eingetreten. Und Kevin Gilbert.
Der war hier nie richtig bekannt, aber ich war immer ein großer Fan von ihm. Er
hatte eine Band namens „Toy Matinee“ – wenn Du die irgendwo kriegen solltest,
kauf sie! Sie ist Wahnsinn. Songorientiert, aber fast Prog. So wie Steely Dan
meets Prog und Pop alles zusammen. Auf Magna Carta´s „Supper´s Ready“ haben wir zusammen den Titel
„Back in N.Y.City“ gespielt und auf „Tales from Yesterday“ „Siberian Khatru“.
Und in diesem Moment kam Thomas Waber herein und holte die
Jungs zum Soundcheck ab. Das Konzert, was dann folgte, war der (sehr frühe)
Höhepunkt der Konzertsaison 1998. Es war unglaublich, wie mitreißend und genial
die Jungs ihren Set spielten. Auch hier hatten sie alle Zuschauer auf ihrer
Seite und alle Kehlen zur Unterstützung – die Neal Morse mit seiner auch nach 7
Gigs in Folge und recht aktivem Nikotinkonsum sehr vollen Stimme kaum nötig
hatte.
Ihr habt´s gelesen, sie wollen wiederkommen, ich empfehle
jedem, sich diese wahren Kings of Prog anzutun – before it´s „June“.
Ralf Koch