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Interview 2000
Seit fast 30 Jahren mischt der kleine Mann mit der großen
Stimme im (Hard-)Rockgeschäft ganz oben mit. Drei Alben ab 1972 mit seiner
ersten Band, ELF, danach drei mit Rainbow und drei mit Black Sabbath, bevor er
1982 seine Solo-Band gründete. Schon das Debüt “Holy Diver” zeigt, dass er auch
ohne prominente Mithilfe absolut hochklassige Songs schreiben kann. Zwar blieb
das Solo-Debüt sein Meisterwerk, aber auch die Nachfolger “The Last in Line”
oder “Sacred Heart” waren nicht von schlechten Eltern Und selbst wenn die Fans
mit den Jahren doch immer kritischer wurden mit den Neuveröffentlichunge,
können sie nun endlich wieder aufatmen: Dios Album, mit dem er das neue
Jahrtausend einläutet, ist ein weiterer Meilenstein in seiner Geschichte. Ein
futuristisches Konzeptalbum über einen entfernten Planeten – aber eigentlich
auch eine über die Geschichte der Menschheit.
Wie kamst du darauf, ein Konzeptalbum zu schreiben?
Es begann mit dem “a”, das ich hinter das Wort “Magic”
stellte, und dachte, ´wow, ein großartiger Albumtitel´. Und dann dachte ich,
warum schreibe ich statt einem Song nicht gleich eine ganze Geschichte zu
diesem Titel. Ich wollte sowieso zurück zu dieser ´Fantasy´-Sache, weil ich
weiß, dass DIO-Fans darauf abfahren, was ich zu “Holy Diver”-Zeiten oder auch
schon in den Rainbow-Tagen gemacht habe. Ich meine, ich war einer der ersten,
der so etwas geschrieben hat, und die Fans waren etwas verstört von dem, was
wir in den letzten Jahren abgeliefert haben, vor allem das letzte Studioalbum
“Angry Machines”. Nun, mit diesem Titel, den ich mir vorgegeben hatte, gab es
eigentlich nur den einen Weg, zur Fantasy zurück zu kehren.
Hast du die Geschichte zum neuen Album alleine
geschrieben?
Ja, aber es war nicht so, dass ich mich hingesetzt habe, und
die ganze Geschichte herunter geschrieben habe. Das Konzept folgte den Songs
und die Songs folgten dem Konzept. Ich habe mich beim Komponieren von dem
fertigen Part der Story leiten lassen, diese Musik inspirierte mich wiederum
für die Geschichte, also kam beides immer abwechselnd. Was eigentlich auch der
einfachste, und der logischste Weg war.
Du fungierst ja auf dem Abschlusstrack des Albums als
“Storyteller” – interessante Idee übrigens – aber kannst Du für unsere Leser
die Story noch einmal zusammenfassen?
Klar! Die Geschichte spielt in der Zukunft, und Aliens kommen
in einen Sektor der Galaxie, in dem sie ein Signal von einem Planeten
empfangen, der “Blessing” heißt. Sie folgen dem Signal und gelangen zu der
Geschichte von Magica. Und der Rest ist die Geschichte von Gut gegen Böse. Wir
haben den Helden, namens Eriel, ein Hohepriester, der das Buch von Magica, ein
Zauberbuch, benutzt, um das Böse fernzuhalten. Und wir haben das Böse in Person
von Shadowcast, dessen Ziel es ist, das Buch zu bekommen und zu zerstören, und
somit alle “guten Geister” der Menschen des Planeten zu vernichten, bzw. sich
selbst unterzuordnen, um die Guten fernzuhalten. Das gelingt ihm, er nimmt
Eriel gefangen, vernichtet das Buch, aber Eriel kennt den magischen Spruch zur
Wiederherstellung, der bewirkt, dass nach drei Tagen alles wieder so ist, wie
es war. Aber er wird getötet, bevor er diesen Zauberspruch sagen kann, kann ihn
aber weitersagen an den jungen Challis. Ihm gelingt es, mit diesem Spruch alles
wieder herzustellen, und uns wird Glauben gemacht, dass alles Böse, also auch
Shadowcast, zerstört ist. Als schließlich herauskommt, dass Challis der
uneheliche Sohn von Eriel ist, wird er zum neuen Hohepriester auserwählt. Man
denkt, alles ist wieder gut, aber da kommt ER zurück – Shadowcast, und beweist,
dass das Böse niemals sterben wird. Dass die Welt nur bestehen kann mit dem
Gegensatz Gut und Böse, ohne das eine würde es das andere nicht geben, was
meiner Ansicht nach die Geschichte der Menschheit ist. Das könnte uns also zu
einer neuen Geschichte führen.
Wird es eine Fortsetzung geben?
Ich weiß nicht, ob es eine musikalische Fortsetzung geben
wird. Ich glaube, dass man ein solches Album nur einmal machen kann. Ein
zweites Album wie dieses wäre zu vorhersehbar, es sei denn, man würde es
wesentlich aufwendiger machen. Aber sage niemals nie, ich lasse mir die
Möglichkeit offen. Was ich mir aber vorstellen könnte, wäre eine Art
Fortsetzungsroman daraus zu machen.
Ronnie James Dio, der Schriftsteller?
Ja, vielleicht eine Trilogie, die man dann als Zeichentrick
verfilmen könnte. Das würde ich sehr gerne machen.
Und was hieße es für ein Album, “wesentlich aufwendiger”
gemacht zu sein?
Nun, wir haben dieses Album in fünf Wochen geschrieben, auch
wenn ich den ersten Part und die ersten Songs schon vor neun Monaten
geschrieben habe. Aber als wir uns dann wirklich dran gesetzt haben, Craig
Goldy (Gitarre) und ich, haben wir die Songs ziemlich schnell im Kasten gehabt.
In den fünf Wochen haben wir jeden Tag 12 bis 14 Stunden geschrieben – mit nur
einem “day off” insgesamt – nicht, weil wir ´mussten´, sondern weil es einen
solchen Spaß machte. So schnell kann es also gehen. Aber wenn ich es noch
einmal machen würde, würde ich es wesentlich größer angehen, und mir mindestens
sechs Monate Zeit lassen. Aber so viel Zeit möchte ich momentan gar nicht für
ein Album verwenden. Wir wollen jetzt erstmal auf große Tournee gehen, das wird
schon ca. ein Jahr dauern.
Die Musiker auf dem Album sind Deine momentane – feste –
Band?
Ja, sogar Jimmy (Bain, Bass) ist zurückgekehrt. Er stand auf
der Kippe zwischen Gefängnis, Tod und Leben und hat sich für Letzteres
entscheiden. er hatte eine wirklich schwere Zeit in den letzten 1 ½ Jahren,
aber er hat an sich gearbeitet, ist nun absolut ´clean´ und ich bin wirklich
sehr froh, dass ich ihn wiederhabe! Wir sind alle für ihn da, er hat in uns
drei echte Freunde, wir sind eine Familie, und für ihn ist es ein Neuanfang.
Ich habe von Dir gelesen, dass dieses Album mit keinem
früheren Line-Up möglich gewesen...
...was vor allem an meinem Gitarristen, Tracy G, gelegen
hat. Er hatte einen eher düsteren, krachigeren Stil. Ich dachte immer, er wäre
ein guter Gitarrist, aber mir haben so viele gesagt, ich solle mich von ihm
trennen. Und jetzt im Nachhinein, mit Craig als neuem Mann und mit dem fertigen
Album, erkenne ich, dass er vielleicht einfach nur nicht der richtige Gitarrist
für meine Band war, zumal ich ja immer mit dem Gitarristen komponiere. Da kann
man natürlich nur aus sich herausholen, was der Gitarrist Dir zurückgibt. Ich
habe fünf Jahre an ihm festgehalten, obwohl mir viele Leute geraten haben, ich
solle mich von ihm trennen, aber erst jetzt habe ich erkannt, dass er einfach
nicht der Mann war, um DIO-Songs zu schreiben.
Wie wichtig ist dieses Album für dich?
Ich glaube, es ist wahrscheinlich..., nein lass es mich so
sagen: es erinnert mich in vielen Punkten an “Holy Diver” – und von dem habe
ich immer gesagt, dass es das wichtigste und beste Album ist, das ich je
gemacht habe. Und dieses ist sogar ein Konzeptalbum, also ich glaube wirklich,
es ist ein sehr großes Album. Es ist natürlich sehr viel durchgestylter, aber
das ohne übertrieben zu sein. Es ist auch eines der wenigen Alben, die ich
selber habe. Normalerweise bin ich fertig mit Alben, nachdem sie veröffentlicht
sind. Ich habe sie geschrieben und komponiert, ich habe sie gespielt und
aufgenommen, also warum sollte ich mich weiter mit ihnen beschäftigen? Aber
dieses habe ich – und höre ich, und für mich ist eine Rückkehr zum DIO Sound.
Ja, ich sehe es ganz oben mit “Holy Diver”.
Zum Cover – ist das eigentlich als Wechselcover gedacht?
Das sind die beiden Seiten Gut und Böse. Aber für mich ist
das Böse, Shadowcast, die Hauptperson, weil er im Prinzip verantwortlich ist
für das ganze Abenteuer in “Magica”, er ist der Protagonist der Geschichte,
darum ist er auf dem Cover. Aber Eriel ist natürlich auch wichtig, deswegen
haben wir auch ein Bild von ihm mit hinzu genommen.
Das Cover ist ja ziemlich klischeemäßig
Heavy-Metal-Cover, stehst Du darauf?
Ja, ich liebe sie. Ich meine, es ist ein Fantasy-Album, und
der Typ ist ein fantastischer Typ. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern,
schon viel Leute, die so aussehen, auf der Straße getroffen zu haben. Ein paar
vielleicht...
Aber ich habe schon eine ganze Menge ähnliche Cover
gesehen. Brauchen Heavy-Metal-Scheiben solche Cover?
Sie brauchen sie nicht, aber sie sehen toll auf T-Shirts
aus. Man muss sich immer bewußt sein, was man vermarkten will, und den Lieben
würde ich ja nun nicht auf dem T-Shirt haben wollen.
OK, lass uns noch ein paar ganz andere Themen
anschneiden: Ich hörte, Du planst ein zweites “Hear´n´Aid”-Projekt!
Es hat mit der Organisation “Children of the Night” zu tun,
für die ich mich seit zwölf Jahren engagiere. Sie kümmert sich um misshandelte
Kinder, die als Prostituierte “benutzt” werden. Sie kümmert sich um sie, bis
sie volljährig sind, weil unser Staat das nämlich nicht tut. Wir konnten eine
Menge Geld sammeln, weil viele Leute sich vorbildlich engagiert haben. Richard
Marx, zum Beispiel, hat fast den gesamten Erlös eines seiner Album gespendet,
wir haben ein paar große Shows organisiert, deren Einnahmen wir zur Verfügung
gestellt haben, Ozzy (Osbourne) hat das selbe gemacht und ein paar weitere
Prominente. Und mit der ersten Platte hatten wir auch einen großen Erfolg, und
nun haben Craig und ich einen weiteren Song geschrieben, bei dem mal wieder
eine ganze Menge guter Leute mitmachen werden, Bruce Dickinson, Steve Lukather
(Toto), eine ganze Menge, die ich aber noch nicht alle verraten möchte.
Zusätzlich haben wir auch wieder die Zusage für ein paar Exklusivstücke anderer
Künstler für das Album. Aber es wird noch ca. sechs Monate dauern, bis das Ding
fertig ist.
Es gibt eine ganze Menge Internet-Sites über Dich, wie
ich gesehen habe. Wie nah stehst du Deinen Fans?
Sehr nah. Ich mache Chats mit ihnen, lese, was sie über mich
schreiben, reagiere auf ihre Fragen, usw. Der Grund für dieses Album waren auch
eben die Fans, ich habe es zum großen Teil auch für sie gemacht.
Wieder etwas anderes: was hast du eigentlich mit der Deep
Purple-Anniversary-Show zu tun?
Ich war Teil von Roger Glovers Part, weil ich 1974 auf
seinem “Butterfly Ball” Album gesungen habe. Roger ist ein guter Freund, und
ich war auch immer Teil der großen Deep Purple Familie. Es war eine
fantastische Angelegenheit, musikalisch und vor allem von der familiären Seite.
Und ich hatte endlich einmal die Chance, die Royal Albert Hall von innen zu
sehen. Du kannst fragen, wen du willst, es war einmalig.
Jon Lord hat mir das gleiche erzählt. Ich habe Jon
übrigens auch nach Richie Blackmore gefragt, der ja bei der Premiere dieser
Aufführung nicht ganz unbeteiligt war. Wie ist Dein Verhältnis zu Richie?
Ich habe ein gutes Verhältnis zu ihm. Ich meine, ich liebe
Steve Morse (mittlerweile Gitarrist von Deep Purple), aber es ist schon schade,
dass er nicht dabei war. Er war immer ein sehr wichtiger Motor für die besten
Songs von Deep Purple gewesen. Aber Richie kann eine Menge Chaos verbreiten –
weswegen er, glaube ich, auch nicht mehr bei Purple ist. Er kann eines Tages
sagen, ich mache dies, und am nächsten Tag sagt er, nein, ich werde es nicht
machen. Ist manchmal etwas schwierig, und ich glaube, die Jungs wollten sich
die dunkle Wolke über der Royal Albert Hall ersparen. Aber in musikalischer
Hinsicht ist es eine Schande, dass er nicht dabei war. Man kann nicht einen
Geburtstag feiern ohne denjenigen, der das alles möglich gemacht hat.
Aber deine letzte musikalische Zusammenarbeit mit ihm ist
schon eine Weile her...
ja, seit ich 1978 aus der Band raus bin, habe ich nichts
mehr mit ihm gemacht. Mitte der 90er war mal eine kurze Co-Headliner-Tour
DIO/Rainbow geplant, aber wie so vieles mit Richie, kam es nie dazu. Aber das
stört mein Verhältnis zu ihm nicht. Ich mag ihn, und weiß, wie ich ihn
einschätzen muss. 1998 war sogar mal
eine Reunion im Gespräch, das wiederum kam aber wegen Probleme der Managements
nicht zustande. Vielleicht wird das also noch einmal stattfinden, aber wer
weiß.
Aktuelle CD: Magica (Spitfire/Eagle)