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Reamonn: „Wir haben
unser „Joshua Tree“ noch nicht geschrieben“
Sie gehören schon zu
den Big Playern des deutschen Musikbusiness. 1999 gegründet legten sie mit
„Supergirl“ einen Auftakt nach Maß hin, mit ihren folgenden vier Studioalben
bewiesen sie, dass sie kein One-Hit Wonder sind. Im Gegenteil, sowohl ihre
Nachfolgesingles, die sie beständig im Radio halten sie, als auch ihre
begeisternden Live-Konzerte konnten ihren Status immer weiter ausbauen. Im
Zentrum des Geschehens: Der genauso sympathische wie charismatische Frontmann
Rea Garvey, den ich anlässlich des letzten Studioalbums "Reamonn" zum Gespräch traf.
rk. Das neue Album bringt
Euch noch ein bisschen näher an Stadion-Acts, wie U2, oder?
Rea: U2 sind natürlich eine Wahnsinns-Stadionband, Coldplay sind
auch gut, aber musikalisch weiß ich nicht, ob man das so vergleichen muss. Aber
es gibt eben diese Momente, die man im Hinterkopf behält, wenn man einfach
erschlagen ist, wenn man einen Schritt zurück gehen muss, um das alles zu
fassen, wenn man geblendet ist von der Musik und den Emotionen und von dem
Alarm – und solche Sachen beeinflussen natürlich das Songwriting auch.
rk. Ihr hattet drei
verschiedene Produzenten – inwieweit haben die sich auf die Songs ausgewirkt?
Rea: Ganz unterschiedlich – auf die Songs, auf die Produktion,
auf die Emotionen – oder auch einfach auf den Aufnahmemix, da hat Chris
(Lord-Alge)einfach einen tollen Job gemacht. Und gerade, dass alle sich auf
ihre ganz eigene Art einbringen konnten, hat dieses Album so reich gemacht. Ich
arbeite gerne mit anderen Leuten zusammen, bin auch sehr offen für die Ideen
von anderen. Und ich kann mich auch mehr für ein Album begeistern, wenn ich
weiß, wie viele Leute sich da eingebracht haben.
rk. Brian Howes hat zuletzt
mit Chris Cornell, Daughtry und Hinder aufgenommen – aber in die harten Kanten
wolltet Ihr gar nicht zurück?
Rea: Die haben wir jetzt vor allem in unseren Live-Shows, das
stimmt. Auf unseren Platten dominieren heute eher die Balladen. Ich denke, der
Schlüssel ist einfach, dass man sich selber spielt, nicht irgendjemanden nimmt,
der einen irgendwo hinbringt. Wir sind ja auch älter geworden, gewachsen, haben
uns verändert. Und z.B. „Faith“ rockt sehr wohl! Wr sind immer noch eine
Rock-Band, wenn wir schon bei Definitionen sind. Aber die Eagles würde ich auch
eine Rockband nennen.
rk. Früher habt Ihr noch
mit kleinen Akustikshows in den Irish Pubs Euer neues Album mit den Fans
gefeiert…
Rea: Dafür haben wir neulich zumindest eine Clubshow für Fans
gespielt, die man als Internetstream sehen konnte (livedome.com). Und diese
Möglichkeiten werden sich immer ergeben, denn ich schreibe nicht Musik für
mich, sondern für die Welt, sonst könnte ich auch gleich in meinem Zimmer
bleiben. Damals waren die Irish Pubs die Plattform, um direkt an die Fans zu
kommen, heute ist u.a. auch das Internet ein Weg, dahin zu kommen. Ich sehe
Dinge nie nur so oder so, ich probiere gerne die Möglichkeiten aus und nutze
sie.
rk. „In die Welt“ ist
natürlich durchaus ein Stichwort, wenn man das neue Album hört, oder?
Rea: Von mir aus gerne, wir haben unser Bestes gegeben, nun
werden wir die Platte den Rest machen lassen müssen. Ich denke, dass unsere
Musik wirklich sehr stark geworden ist, aber mehr können wir nicht machen. Und
wenn die Welt es haben will, bitte sehr.
rk. Das war, was ich mit
dem U2-Vergleich meinte – der weitere Schritt auf ein internationales Level.
Rea: Den ich auch nicht falsch verstanden habe. Ich bin auch
U2-Fan genug, um das als Kompliment zu verstehen.
rk. Wobei die aber auch
mehr Experimente gewagt haben…
Rea: Ja, das stimmt, ich weiß nicht, ob ich die alle empfohlen
hätte.
rk. Im Nachhinein haben
die sie auch weitergebracht oder?
Rea: Ich weiß nicht, ob „Pop“ sie wirklich weitergebracht hat,
aber ich weiß, was Du meinst. Aber wir haben unser „Joshua Tree“ noch nicht
geschrieben. Wenn diese neue Platte unser „Joshua Tree“ geworden ist, dann
können wir auf dem nächsten Album auch experimentieren.
rk. Wann wird sich das
herausstellen?
Rea: Schon bald. Ich meine, für mich ist es schon die „Joshua
Tree“, aber jetzt ist die Frage, wie das der Rest sieht.
rk. Und experimentieren
darf man erst danach?
Rea: Ja, ich finde schon, dass man sein Meisterwerk vollbracht
haben muss. Warum soll man etwas verändern, was Du selber noch nicht
perfektioniert hast?
rk. Während Eure
Studioalben eher immer Radio-freundlicher geworden sind, präsentiert ihr auf
der Bühne eine Stadionreife Rockshow – wie passt das zusammen?
Rea: Was ist schon Pop? Na gut, härter sind wir über die Jahre nicht gerade geworden, aber wir haben schon jetzt ca. 30 neue Songs für´s neue Album geschrieben, und es wird auch da wieder die komplette Bandbreite von Reamonn geben. Aber ich würde vor allem sagen, dass wir unsere fetten Gitarren gut in den Sound einpacken, anstatt sie dominieren zu lassen. Das ändert viel am Sound – und tritt dann oft erst wieder zu Tage, wenn wir auf der Bühne stehen. Ich würde uns auch immer definitiv als Rockband bezeichnen, denn eine Rockband ist für mich eine Band, die ihre Sachen komplett selber spielen kann.
rk. Nachdem ich Euch gesehen hatte, fragte ich mich allerdings, ob es wohl für Leute, die nur Eure Radiosingles kennen, zu extrem war.
Rea: Hey, wir sind keine Metal-Band auf der Bühne (lacht)! Unser Publikum ist schon immer sehr gut gemischt – genauso wie unser Programm. Es ist mir wichtig, eine Steigerung innerhalb eines Konzertes zu haben. Wenn Reamonn auf die Bühne kommen, muss es erst einmal krachen, dann wird es ruhiger, dann mal wieder lauter und irgendwann auch bis zum ganz, ganz leisen, und dann geht man wieder hoch. Ich glaube, diese Wechsel gelingen uns ganz gut.
rk. Ein weiteres Highlight der Konzerte sind Deine Zwischenansagen – bei denen Du, ähnlich wie im Roadmovie auf der DVD – einfach sagst, was Du denkst. Da hat man nicht das Gefühl, irgendwelche einstudierten Sachen zu hören. Allerdings sind die auf der DVD größtenteils gekürzt...
Rea: Ja, Du hast Recht. Wir haben lange darüber diskutiert. Erst wollten wir mehr drin lassen, aber dann gehört das auch wieder zu den Sachen, die man am besten in einem Konzert erleben kann. Vieles passt einfach nur in die Live-Situation.
rk. Du sagtest bereits, Ihr habt schon neue Songs geschrieben. Ich dachte, Ihr wolltet eine Pause machen.
Rea: Ja, die Pause war schon lange geplant, mit einem Vierteljahr jetzt zwar nur halb so lang, wie ursprünglich angedacht, aber das ist auch ok. Und wir haben lieber schon ein paar Writing Sessions gemacht, damit wir nicht bei Null anfangen müssen.
rk. Und Ihr sorgloser an die neue Platte gehen könnt.
Rea: Sorglos sind wir nie, aber so können wir mit unseren Streits anfangen. Die sind immer sehr produktiv – weil sie für das richtige Ding sind, nämlich für Musik. Aber es stimmt schon, man geht ja vor jeder Platte ins Studio mit der Frage, ´was ist, wenn nichts kommt´? Wir wissen schon jetzt, dass die nächste Platte uns auch noch weiter nach Europa führen soll, und da überlegt man automatisch, ob und was man anders machen soll. Aber wie auch immer sie klingen wird, sicher ist, dass am Ende ein Produkt stehen muss, hinter dem wir alle voll stehen können.
rk. Die neue Platte wird bei einer neuen Plattenfirma erscheinen!?
Rea: Ja, wir haben das Label gewechselt. Keine leichte Entscheidung für uns, aber alle Leute, die uns bei Virgin wichtig waren, und mit denen wir über die Jahre gearbeitet hatten, sind bei Umstrukturierungen „verloren gegangen“, und wir haben gemerkt, dass Virgin nicht mehr unser Label ist. Wir sind sehr dankbar, für alles, was wir hier erlebt haben, aber Dinge ändern sich eben.
rk. Du erwähntest die europäische Veröffentlichung – waren Reamonn bislang ein deutsches Phänomen?
Rea: Nein, wir haben schon mit „Supergirl“ in vielen Ländern erfolgreich gewesen, aber „Beautiful Sky“ hat wirklich alles getoppt. Wir sind durch ganz Europa getourt. In Portugal haben wir vor 12,000 Leuten gespielt – der Wahnsinn! Oder in Litauen hatten wir ein Open Air Konzert vor 30,000 Leuten. Hammer!
rk. Das ist dann der Punkt, an dem es für Musiker richtig anfängt, Spaß zu machen, oder?
Rea: Ja, aber es ist auch sehr verantwortungsvoll. Man will am liebsten jeden bedienen, aber manchmal geht das gar nicht so einfach. Wir waren Nummer 2 in Holland, und konnten nicht hin, weil wir gerade am Aufnahmen waren. Und das muss für das neue Album einfach besser geplant werden.
rk. Als deutscher Fan müssen wir uns dann ja schon Sorgen machen... Fury in the Slaughterhouse fingen dann auch irgendwann an, nur noch in den größten deutschen Städten zu spielen...
Rea: Ich muss Dir ehrlich sagen, es gibt auch ein leben neben meiner großen Liebe, der Musik. Ich habe Familie, die ich auch sehr gerne erweitern würde, ich habe Freunde etc. Deswegen auch die Pause jetzt. Aber ich kann trotzdem versichern, dass Reamonn eine deutsche Band bleiben, und wir ausführlich touren werden. Und was die kleineren Städte betrifft – da sind wir ja auch für unsere „Irish Pub Tour“ bekannt, die es immer zur Veröffentlichung der neuen Platte geben wird – auch zur nächsten! Das ist unser Dank an die Fans, da gehen wir in die „Dörfer“ und stellen unsere neuen Songs als erstes vor. Das sind immer sehr spezielle Abende! Naja, und davor gibt´s ja erst einmal die Festivals – und bei aller Liebe, aber ist Aurich eine Weltstadt?! (lacht)