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Gregor
Meyle
Interview 2018 . Zwei Interviews von 2011 gibt es hier!
Vor genau sieben
Jahren war er zu Gast in der Blizzard Friday NIght Rock Show
bei Radio Jade –
damals kurz vor seinem Auftritt im Tunis in Marx vor rund 100
Zuschauern.
Seitdem ist eine Menge passiert – allem voran „Sing meinen
Song“, was einem
explosionsartigen Anstieg der Popularität und Zuschauerzahlen mit
sich brachte
– viel verändert hat sich indes trotzdem nicht. Zumindest
nicht, was die Person
Gregor Meyle betrifft. Seine Platten erscheinen weiterhin im
Zweijahresrhythmus
und zeigen einen Sänger und Songwriter, der entspannt genau das
macht, was er
möchte. Entsprechend authentisch sind seine Songs. Und für
ein Interview nimmt er sich mal eben 90 Minuten Zeit und plaudert
genauso unterhaltsam und lebhaft wie ehrlich und unverblümt. Wie
vor sieben
Jahren. Bei Radio Jade.
Mit seinem neuem Album „Hätt' auch anders kommen können“ ist er am
Samstag, 1. Dezember in der Weser-Ems Halle, Oldenburg.
Gregor Meyle: Tja, in der Tat ist eine Menge passiert in den
letzten 7 Jahren. Ich lebe diesen Traum,
Musik machen zu können – und hab damit schon so viele tolle Sachen
erlebt. Wir waren aber auch sehr fleißig. Ich hab mir die komplette Band aus
Leuten, mit denen ich vorher schon immer mal gespielt hatte, die ich mir aber eigentlich
nie leisten konnte, quasi unter den Nagel gerissen, um damit auf Tournee zu
gehen – 2015 haben wir rund 150 Konzerte gespielt, das war viel, heute spielen
wir deutlich weniger, weil wir alle Familie haben.
Also alles super?
Meyle: Alles super. Ich habe mein Studio direkt am Haus, bin
wie gesagt heute auch eher zuhause als früher und kann v.a. auch abends für
mich werkeln. Da kann ich mir das so einteilen, wie es passt, kann mich um
meine 16-monatige Tochter kümmern und zwischendurch arbeiten. Wir streben auch
nicht die Weltherrschaft schneller, höher, weiter an, es geht mir darum, Musik
zu machen, Konzerte zu spielen – und mit einem Tross von mittlerweile 18
Leuten, die wir auf Tournee sind, ist das eben auch schon ein ganz schönes
Unternehmen. Jedes Jahr wird neu gewürfelt, was steht an, machen wir ein neues
Album, wieviele Termine können wir planen
„..lebe diesen Traum“
– das hast du ja eigentlich auch schon in den 5 Jahren davor gemacht. In den
letzten 7 aber wahrscheinlich wesentlich komfortabler, oder?
Meyle: Wesentlich komfortabler – aber man kann nicht sagen,
dass ich weniger gemacht hätte. Du musst dir vorstellen, du stehst auf dem
Tennisplatz und hast das noch nie vorher gemacht – und es kommen 50 Bälle auf
einmal – und du schaffst es irgendwie alle 50 wieder zurückzuspielen ins
gegnerische Feld. Soll heißen, man wundert sich manchmal, dass das alles so gut
funktioniert. Aber wir treffen sehr entspannte, langfristige Entscheidungen,
backen immer kleine Brötchen, machen nicht zu viele Schritte auf einmal. Das
erste was ich nach „Sing meinen Song“ gemacht habe, war, dass ich mir einen
Bulli gekauft habe. Ich dachte mir, wenn das alles nicht mehr so läuft, dann
hab ich aber endlich mein eigenes Gefährt, mit dem ich weiterziehen kann,
schnappe mir meine Gitarre und fahre einfach los. Das war immer n Problem
damals, da ist immer die Karre verreckt. Und ich hatte das nach der Stefan
Raab-Sache schon einmal erlebt – das war so ne Welle, aber irgendwann ist die
auch wieder vorbei. Aber momentan reiten wir einfach weiter auf dieser Welle
und haben auch eine Liga erreicht, in der wir einfach nur glücklich sind.
Aber ist das nicht
unfair zu sehen, dass es eben nicht nur auf Qualität der Musik ankommt, sondern
auf den Grad der Publicity?
Meyle: Ich weiß was meinst, das stimmt auch, aber es ist
mehr als das. Man kann das schwer trennen – aber es fing ja an mit diesem einen
Song „Keine ist wie du“, den jemand bei „The Voice“ gesungen hat, den Sarah
Connor dann ja auch für sich gewonnen und zu ihrem Song gemacht hat, und der
dadurch plötzlich eine irre Bekanntheit gewonnen hat. Und das ist es: Du musst
im richtigen Moment mit dem richtigen Song an die Öffentlichkeit, der Song, der
den Zeitgeist und die Situation am besten trifft. Und ich hatte, als ich die
Show gemacht habe, ja auch schon 5 Alben, der Name war so ein bisschen bekannt,
weil ich ja auch schon eine Weile unterwegs war – und dann haben sich die Leute
ja auch plötzlich auf alle Alben gleichzeitig gestürzt, und noch während die Sendung lief habe ich an
einem Abend in Hannover vor 150 Leuten gespielt, weil der Club schon lange
gebucht war, und am nächsten Abend vor 3000 Leuten.
Und in dem Rahmen
bewegst du dich ja auch immer noch.
Meyle: Ja, wir sind meistens bei rund 1500 Leuten, manchmal
mehr, was eine schöne Größe ist, weil man von den Leuten noch was mitbekommt
und wo man von den Leuten auch noch was zurückbekommt. Das ist ein schöner
Austausch von Energie, größer muss es gar nicht werden. Ich find`s z.B. doof,
wenn ich auf die Bühne komme und diesen fetten weißen Strahler im Gesicht habe,
so dass ich nichts mehr sehe. Dann bin ich viel zu sehr mit mir selbst
beschäftigt. Dann musst du auf Knopfdruck so funktionieren. Mein Geheimtipp,
mich nicht beobachtet zu fühlen, ist, selbst die Leute zu beobachten. Ich kuck
mir die Leute an und da sind Pärchen da, da sind Leute, da denke ich, hey, kuck
mal, Matthias Reim hat sein Double geschickt, das ist ja lustig.
Für Fotografen vor
der Bühne leider eine Katastrophe... Aber noch einmal zur Publicity: Im Radio
kommst du dagegen immer noch sehr wenig vor…
Meyle: Das stimmt, daran hat sich nicht viel geändert. Ich
hab bislang noch nicht so recht ins Format gepasst – und bin auch mit meiner
kleinen Plattenfirma kein Licht, was gegen die ganzen Knebelgeschichten der
großen Labels anleuchten kann. Die haben halt ganz andere Argumente in der
Hand, locken mit großen Namen, wenn ihre neuen Leute entsprechend gepusht
werden. Ich kenne viele Programmchefs, die privat meine Musik hören,
wahrscheinlich im Auto auf dem Weg von der Arbeit, weil sie ihr eigenes Radio
nicht mehr hören können… aber in ihr Programm nehmen sie es trotzdem nicht auf.
Aber die
Unabhängigkeit der kleinen Plattenfirma ist dir wichtiger?
Meyle: Absolut, das stört mich nicht wirklich, weil mir die
Sache, so wie sie ist, groß genug ist. Ich habe mich nie von Kalkül leiten
lassen. Das erste Album, das ich nach der TV-Euphorie gemacht habe, war das
Jazz-Album „New York Stintino“, dafür hätte mich jeder Labelmanager für
verrückt erklärt. Aber wir hatten das so geplant, und ich war total heiß drauf,
weil da einfach unglaubliche Leute mitgemacht haben, die so viel Idealismus und
Herzblut da reingesteckt haben. Allein dieser Toningenieur aus den Avatar
Studios, der noch nie aus der 54. Straße rausgekommen ist, der hat sich selber
eine Goldene Platte davon gemacht, an die Wand gehängt und bei Facebook
gepostet, weil er sich so gefreut hat, dass ich ´ne goldene Platte gemacht
habe. Der Typ hat George Harrison produziert, U2 gemischt, Eric Clapton, Bob
Dylan, keine Ahnung was, aber er uns postet er!
Dein neues Album hat
einen sehr schönen Titel „Hätt auch anders kommen können“ – was sagt er für
dich aus?
Meyle: Ja, du hast es ja selber mitgekriegt, es hätte auch
in eine komplett andere Richtung gehen können. Dass ich keine Musik machen
kann, das ich keine Familie davon ernähren kann. Ich war mehrmals kurz davor
die Gitarre an den Nagel zu hängen, und deshalb bin ich sehr stolz und
glücklich mit dem Leben, das ich jetzt führen kann und für das ich früher
vielleicht auch viel „normales“ Leben geopfert habe. Nicht dass mich das je
gestört hätte, aber ich habe schon viel Zeit mit Leuten in dunklen Kellern
verbracht, in der andere Leute Partys gefeiert und andere tolle andere Sachen
gemacht haben. Ich bin halt nicht nach Neuseeland gereist nach dem Abi, sondern
hab mit 17 meinen Gewerbeschein gemacht und bin auf Tour und hab halt 300 Jobs
im Jahr gemacht. Ich habe sehr, sehr viel gearbeitet in meinem Leben, und das
war ne gute Schule. Wenn man heute mal hadert und denkt, es geht nicht weiter,
dann weiß man, dass man früher noch viel mehr gemacht hat, um weiter zu kommen.
Für wen ist „Stolz
auf uns“?
Meyle: Für meine Mama. Mein Bruder hatte dieses Bild zur
Beerdigung mitgebracht, das steht jetzt bei mir im Studio, und das ist jetzt
auch im Cover zu sehen, das hat mich dazu gebracht. Ich hab ja noch zwei Brüder
und dieses Lied ist quasi im Namen unserer Familie für sie geschrieben.
Ein sehr persönliches
Lied, das dieses Album sehr gelungen abrundet.
Meyle: Sie ist gegangen, viel zu früh, und meine Tochter ist
gekommen, das ist zwar der Kreis des Lebens, aber das hat mich halt sehr viel
beschäftigt – aber es ist schön, dass ich daraus Musik schreiben kann – und
darf. Und was das Abrunden betrifft, auch das ist immer eine Momentaufnahme.
Wenn ich heute ältere Platten höre, denke ich auch, dass ich manches anders
machen würde. Aber ich habe jetzt auch diese unglaubliche Band aus
Weltklassemusikern, die können das halt auch so spielen. Es ist ja quasi
dieselbe Band wie bei BAP oder auch MTV unplugged mit Gabalier, deswegen können
wir auch z.B. im Januar, Februar nicht spielen, weil die mal wieder anderweitig
beschäftigt sind.
Deine Alben sind nur
sehr begrenz bei Streaming Diensten zu finden. Du bist dein Label, also
entscheidest Du das.
Meyle: Ja, wir haben zwei, drei ältere Alben und jeweils die
aktuelle Single. Ich beobachte das sehr genau, wie sich das entwickelt – aber
mein erstes Ziel ist es, meine Musiker bezahlen zu können, und das schafft man
wesentlich schwerer mit Streaming. Ich glaube, dass wir insgesamt ein schönes
Taschengeld verdienen könnten, aber gerade in den ersten Monaten ist es mir
eben auch wichtig, dass das Album erstmal gekauft wird. Außerdem muss ich auch
sagen, geht mir diese Einstellung auf den Sack, dass die Leute mehr Geld für
einen Kaffee an der Autobahn ausgeben, als für ein ganzes Album, das bestimmt
eine schöne Zeit länger hält als der Kaffee. Solange ich es nicht dringend
brauche, und so lange die Bedingungen nicht besser sind, möchte ich das nicht
in dem Maße unterstützen. Das ist, als wenn ich bei Edeka 10 Euro bezahle und
so viele Gurken mitnehmen kann wie ich will. Wie soll denn ein Bauer dafür so
viele, Gurken anbauen?
Ich bekomme 0,004 Cent pro Stream. Ich habe mich darüber
auch mit Bryan Adams unterhalten, der hat ja das Coverfoto gemacht. Der hat 22
Alben bei Spotify mit weltweiten Nummer-1-Hits – und hat 2017 eine Gesamtsumme
von 3.800 $ verdient – da läuft doch was schief!