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Frost*

 Interview 2016   Ein älteres Interview mit Jem Godfrey gibt es hier!

Es geht doch noch weiter! Nach acht Jahren Pause gibt es endlich eine Fortsetzung – und ein drittes Album! „Falling Satellites“ macht da weiter, wo Jem Godfrey auf dem ersten Albumdoppel „Milliontown“ (2006) und „Experiments In Mass Appeal“ (2008) angefangen, bzw. auch wieder aufgehört hatte. Gemeinsam mit John Mitchell (u.a. It Bites), Nathan King (Level 42) und Craig Blundell (Steven Wilson) ist dieses Album ein Feuerwerk an Ideen, Inspirationen und Innovationen. Eine spannende Mischung aus modernem Rock, elektronischen Ausflügen und diversen 70s-Prog-Elementen. Höchste Zeit, bei dem englischen Produzenten und Songwriter wieder mal durchzuklingeln.

Wir hatten schon mal das Vergnügen!

Ja, ich weiß. Aber das ist acht Jahre her!

In der Tat! Eine lange Zeit. Trotzdem scheint die Nachfrage groß zu sein, wenn ich sehe, wie schwierig es ist, einen Termin bei Dir zu bekommen.

Ja, und das obwohl es so lange relativ ruhig um uns war.

Naja, ihr wart zwischendurch ja immerhin live aktiv.

Ich habe v.a. vier Kinder groß gezogen, das war noch mehr Arbeit.

Wow, Gratulation. Das ist gut über dem Durchschnitt!

Vielen Dank. Und es ist sehr laut am Frühstückstisch. Deswegen bin ich so gerne im Studio – es ist der leiseste Platz im Haus.

Oh, sorry dear, I have to do an interview…

Ja (lacht) und nun schon wieder… (lacht)

OK, dann lass uns loslegen – denn es gibt ein sehr spannendes Thema! Ihr habt es geschafft, nebenbei oder trotzdem oder wie auch immer ein neues Album einzuspielen!

Ja, und es ist ein Abschied vom letzten Album, und noch dichter am „Milliontown“ Album, als an „Experiments“. Ich finde, „Towerblock“ (vom neuen Album, Anm. d.Red.) und „Black Light Machine“ („Milliontown“, Anm.) sind wie Cousins.

Warum also ein Abschied?

„Experiments“ war ein sehr dunkles, gitarrenbasiertes, sehr wütendes Album, das neue ist viel optimistischer.

Hast Du eine Erklärung dafür?

Ich denke, ich bin heute glücklicher, als früher. Ich hatte so viel mit Pop zu tun und es war sehr stressig. Ich denke auch, dass das Album überstürzt war. Ich habe dem Album auch zu wenig Zeit gegeben. Wir hatten die Veröffentlichung schon angesetzt. Wenn ich es heute höre, denke ich, oh, das hätte ich besser hinkriegen können. Ich habe schon darüber nachgedacht, ob ich es noch einmal remixe und neu herausbringe, weil es doch ein paar sehr gute Songs hat, die nur noch ein bisschen mehr Zeit gebraucht hätten. Für das erste Album hatte ich so unendlich viel Zeit – und die Leute liebten es – aber ich mochte es nie so.

Im Ernst? Damit fing doch alles an. Und ich erinnere mich daran, dass, als wir uns 2006 darüber unterhielten, du sehr enthusiastisch warst – und so viele Pläne hattest. Nur kurze Zeit später kündigtest du an, dass du Frost* beenden würdest. Was war passiert?

Es hatte verschiedene Gründe. Ganz ehrlich, ich hatte große Pläne und Wünsche für diese Band, aber ich habe gelernt, dass ich den Mund nicht mehr so voll nehmen darf. Ich fürchte, ein paar Dinge, die ich damals gesagt habe, sind mir heute eher peinlich.

Also warst Du enttäuscht von dem, wie es gelaufen ist?

Ach, ich hatte solche Pläne, wie fünf Alben in fünf Jahren – was eigentlich gar keine soo schlechte Idee war… - aber Frost* waren nie da angekommen, wo ich sie haben wollte. Aber das hatte auch mit dem Download-Problem von Musik zu tun, dann kamen die Kinder dazwischen – die Musikerkarriere war plötzlich nicht mehr so einfach.

Ich dachte, Frost* war ohnehin immer nur als Nebenprojekt geplant?

Das stimmt, aber ich konnte ihm aufgrund der äußeren Umstände einfach nicht genug Zeit widmen. Und dann wartete ich lange darauf, dass mir neue Songs zufliegen würden, aber sie kamen nicht – und letztes Jahr kamen sie plötzlich alle auf einmal. Aber ich habe das Thema noch bedeckt gehalten, bis es soweit war – und habe auch die Band erst kontaktiert, als ich genügend Songs zusammen hatte.

Das war eine meiner Fragen – zu welchem Grad ist dies Dein Baby?

Ich schreibe das meiste – auch mit John (Mitchell). Ich liebe es, mit ihm zu arbeiten, wir sind uns in vielen Dingen sehr ähnlich. Wir teilen dieselben Einflüsse und sind uns sehr nahe. Leider nicht geografisch, aber das ist heute ja nicht mehr ganz so schlimm. Schon eher die Tatsache, dass er so beschäftigt ist und alle drei Stunden ein neues Album veröffentlicht. Ich komme also mit den Ideen zu den anderen und sie fügen ihre Ideen und ihre Charakter hinzu. That`s it.

Inwieweit ist – ich wollte diese Frage später stellen, aber wenn wir den ersten Teil schon abgehakt haben, mache ich das jetzt: Inwieweit ist Frost* die Essenz dessen, was Du in Musik gut findest?

Hmm, ich glaube, Frost* ist dem am nächsten, was mir im Kopf umhergeht. Ich habe ja durchaus andere – Pop-basierte – Projekte und da sind so viele andere Faktoren im Spiel, aber ja: Frost* ist durchaus die Essenz dessen, was ich bin. Manchmal träume ich Musik – und mit Frost* kann ich umsetzen, was ich erträume.

Du schaffst es, aufzuschreiben, was du geträumt hast?
Wenn ich schnell genug bin, ja. Melodiefetzen, Textideen. Manchmal wache ich um 3 Uhr auf und denke, ja, das war so gut, das kann ich mir merken, und dann wache ich um 7 auf und merke, oh shit, wie war das noch. Deswegen gehe ich, wenn ich mit einem guten Chorus aufwache, jetzt immer sofort runter und schreibe ihn auf.

Jetzt weiß ich auch, was du meintest mit `ich wartete auf Songs´…

Ja, es muss einen Teil in meinem Unterbewusstsein geben, der mich anschreit: „Wake up, Godfrey!“ Aber ich hab mein Studio im Gartenhaus, da muss ich 30m hinsprinten, um das zu speichern, aber ich schaff das mittlerweile im Dunkeln.

Das neue Album hat ja einen sehr modernen, leicht elektronischen Touch – was den Trend des zweiten Albums fortsetzt, oder?

Joaahhh… was denkst Du noch über das Album?
Ich fragte mich anfangs, ob das noch Prog ist?

Ja, ich denke schon!

Das erste Album war sehr typischer IQ-Prog, das zweite war moderner – und das neue Album setzt das fort und dürfte auch noch mehr für nicht Prog-Puristen interessant sein; es ist offener im Rock-Ansatz.

Heute ist ja sehr viel Prog v.a. Prog-Metal. Es geht immer um Gitarren und harte Riffs. Abgesehen von Big Big Train, die sind von solch einer Entwicklung verschont geblieben. Und die Keyboarder müssen immer gegen die Gitarren ankämpfen. Ich vermisse die Tage, in denen die Keyboards ein wichtiges Soloinstrument waren. Das ist auch ein Ansatz, in dem John und ich uns schön ergänzen. John macht Musik, wie Steve Hackett sie machen würde und ich eher so, wie Tony Banks sie machen würde. Aber beides ist Prog. Und das Album hat lange Stücke, es gibt eine Menge Soli, es gibt viele Prog-Trademarks, aber das Endergebnis ist kein typischer, traditioneller Prog.

Nun wie gesagt, ich fragte mich anfangs… spätestens in der Mitte der “Sunlight”-Suite ist diese Frage eh obsolet.

Aber auch „Lights Out“: du meinst, das ist ein Popsong? Es ist ein Song über eine Schwangere, die bei einem Autounfall stirbt. Und ein Song über ein sterbendes Kind ist bestimmt kein Pop. Gut, ist es deswegen jetzt Prog? Kate Bush oder Peter Gabriel würden einen solchen Song schreiben – und das hat mich beeinflusst. Süße Sounds und heftige Themen. Thomas Dolby konnte das auch.

Interessanter Gedanke. Wir sprachen beim letzten Mal übrigens über Kevin Gilbert – hattest du mittlerweile Zeit, seine Musik kennenzulernen?

Ja, hab ich! Und es ist mir peinlich, dass ich beim letzten Mal so ignorant über seine Arbeit war. Und ich sehe die Parallelen unserer Arbeit.

Kevin hat auch Musik gemacht, die weder Pop noch Prog war.

Genau. Es geht gar nicht immer um die typischen Rhythmen und Breaks und Solos. Nicht immer.

Nicht immer. Apropos Big Big Train! Wie bist Du auf ihrem Album gelandet?

Ich kenne Greg (Gregory Spawton) seit vielen Jahren. Wir haben in den 90ern schon mal was zusammen gemacht. Sie sind eine der klassischen britischen Progband, sie sind schon so lange dabei uns haben so tolle Alben gemacht. Und dann kam es dazu, dass ich dieses Keyboardsolo auf ihrem Album “The Underfall Yard” gespielt habe – und daraus entstand die Zusammenarbeit mit Joe Satriani. Was für eine lustige Geschichte. Das war echt eine spannende Odyssee!

(XTCs Dave Gregory hörte das Stück – und hörte danach von Mike Keneally (ex-Zappa), dass er einen Ersatzkeyboarder für ein paar Joe Satriani Shows suchte, weil er 2010 nicht in die UK kommen könnte; Godfrey übernahm diesen Job – und spielte danach Keyboards auf der kompletten europäischen Joe Satriani / Steve Vai-G3-Tour 2012! Im Gegenzug spielte Satriani ein Solo auf dem neuen Frost* Album!; Anm. der Red.)

Ich habe Dave Gregory bis heute nicht getroffen! Und er sagte, oh, klar: Jem Godfrey! Und der Anruf bei mir kam aus heiterem Himmel. Er sagte, ´Hi hier ist Mike Keneally´ und ich dachte, ´oh my god!´. Er fragte, ob ich ihn für drei Shows ersetzen könnte und ich dachte erst, och nö… aber letzten Endes fand ich es doch spannend – und dann veränderte es mein Leben! Das Big Big Train Keyboardsolo hat mein Leben verändert!

Hat Joe Satriani dein Album gehört?

Ja, er sagte, er liebte die Melodien und die Songs und es wäre eine große Ehre für ihn. Naja, wieviel davon auch immer der Wahrheit entspricht, es ist eine Ehre für mich!

Ich muss auch noch nach dem Chapman Board fragen. Wie kamst du dazu?

Ich fand den Klang interessant. Man kennt ja den Chapman Stick – und das Board ist eine günstigere Variante davon, es wird aus einem einzigen Stück Aluminium gemacht.

Was macht den Sound aus?
Ich bin Keyboarder, ich bin ein schrecklicher Gitarrist. Aber das Board ist eine neue Art Mittelding für mich, die mir die Chance gibt, mal von den Tasten wegzukommen – und mir auch neue musikalische Möglichkeiten gibt.

Wie viele Saiten hat das Board?

Zehn. Und man schlägt es mit den Fingern an, so wie den Chapman Stick. Das wird oft für New Age Music verwendet. Und es reizte mich, weil man es ein bisschen wie ein Keyboard spielen kann.

Apropos wegkommen vom Keyboard: Gibt es eigentlich live-Pläne?
Ja, wir hoffen auf Möglichkeiten noch in diesem Jahr. Aber ich kann noch nicht versprechen, dass ich dann schaffe, live das Chapman Board zu spielen.

Eine Frage noch zu deinem „anderen“ Job – nicht dass ich den Namen vorher kannte, aber ich bin bei meinen Recherchen darüber gestolpert: Was macht Shayne Ward heute?
Shayne Ward?! Ich hab keine Ahnung. Musik wahrscheinlich. Und wahrscheinlich lebt er irgendwo im West End. Da landen sie doch alle früher später, oder?

Nun, immerhin hat er deinen Namen recht bekannt gemacht, oder?

Ja, das stimmt, aber ich habe ihn nie getroffen. Ich habe diesen Song geschrieben – oder co-geschrieben, um genau zu sein – und habe ihn weggegeben und neun Monate nichts mehr davon gehört. Und aus irgendeinem unerfindlichen Grund wurde er auserwählt, der Gewinnersong für The UK X Factor zu sein. Das war alles.

Das war nicht einer der Songs, die Du träumst?

Nein! Absolut nicht. Das ist eine andere Art, Songs zu schreiben. Beim Pop geht es eigentlich nur um eine einzige gute Hookline.

Geht es darum nicht immer?

Ja, absolut. John ist super darin. Wenn man keine gute Hookline hat, wird es anstrengend, zuzuhören. Emotionen kommen von der Melodie, nicht von irgendwelchen Soli.

Der ganze Rest ist doch nur dazu da, den Song interessant zu machen.

Es geht um die richtige Balance. Du brauchst melodische Abschnitte und technische Abschnitte. Deswegen sollte eine Band auch nie nur eine Sache machen. ´Hallo. Wir sind eine Instrumentalband. Hier sind 4000 neue Noten!“ Animals As Leaders wären z.B. eine grandiose Band, wenn sie einen Sänger hätten, finde ich. Instrumentalstücke sind fein, aber nach 4, 5 Stücken langweilt es mich.

Es kann aber auch nicht jeder einen so guten Sänger haben wie Du! Mittlerweile ist es – neben Deiner Rolle als Sänger – John. Ich liebe seine Stimme!

Er hat eine wundervolle, freundliche, friedliche Stimme. Er hat diese universelle Gabe, jedem Song das gewisse Etwas mitzugeben. Er ist ein sehr komplizierter Charakter, ich liebe ihn innig! Aber er hat diese Stimme. Auch live hat er diese Präsenz. Wenn er ans Mikro geht, hört ihm der ganze Saal zu. Ich wünschte, ich hätte ein Zehntel davon!