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Interview 2007 mit
Sänger Joey Tempest
Sie waren mit dem richtigen Sound zur richtigen Zeit zur
Stelle: Inmitten der 80er-Jahre AOR/Hardrockwelle ließen sie ihrem The Final Countdown einen Meilenstein vom
Stapel, von dem sie sich nie wieder erholen sollten. Was seine negativen wie
positiven Seiten haben kann. Natürlich schwimmt man gut auf der Welle des
Erfolges – aber alles Weitere wird daran gemessen – und machte auch eine
Weiterentwicklung nicht gerade einfacher. 1992 kam Grungemusik – und ließ die
Band auseinander gehen, Soloalben entstehen und erst ein überraschendes Konzert
zum Millenniumwechsel
in ihrer Heimatstadt Stockholm bringt sie gemeinsam zurück auf die Bühne. Seit 2003
machen die Fünf wieder gemeinsam Musik, haben zwei neue Studioalben
veröffentlicht – und erinnern zum 20jährigen Geburtstag jetzt noch einmal an
ihre glorreichen Tage: Die DVD „The Final Countdown – Live in Sweden“ bringt
die langen Haare, engen Hosen und natürlich alle Hits zurück ins Rampenlicht. Ralf
Koch im Gespräch mit dem blonden Schweden.
Du lebst in London?
Ja, schon lange. Ich habe meine Frau hier kennen gelernt,
sie kommt aus London. Und ich habe London schon immer geliebt. Immer wenn wir
hier auf Tourneestop waren, habe ich mich auf London gefreut.
Du bist also eher der
Großstadttyp? Kein schwedischer Landjunge…
Nein, ich komme aus einem Vorort von Stockholm, also bin ich
große Städte gewöhnt. Trotzdem hatten wir als Band nie eine direkte Beziehung
zu Stockholm. Wir haben schon als Teenies einen Bandwettbewerb gewonnen, haben
einen Plattenvertrag bekommen und sind direkt nach Japan und Skandinavien
gefahren – und sind eigentlich nie als Stockholm-Band bekannt geworden. Das war
schon witzig.
Die ersten beiden
Alben sind ja gar nicht weltweit veröffentlicht worden…
Nein, erst später. Anfangs kamen die nur in Skandinavien und
Japan heraus waren die Grundlage für unseren Vertrag mit CBS. Nachdem die
Konkurrenz Polygram gerade Bon Jovi gesignt hatten, wollte CBS auch so eine
Band – und die Wahl fiel auf uns. Das war schon Wahnsinn. Wir waren noch Kids,
und haben einen absoluten Mega-Deal bekommen, von dem sie sagten, es wären die
gleichen Bedingungen wie bei George Michael.
Mit dem Ergebnis,
dass „Final Countdown“ oft als Debütalbum angesehen wurde – hat Euch das
gestört?
Ich weiß nicht. Wir wussten ja, wo wir herkamen und was wir
für unseren Erfolg schon getan hatten. Wir hatten mit 14, 15 gemeinsam
angefangen und wollten so etwas machen wie Deep Purple, Queen und Thin Lizzy,
und waren im Endeffekt einer der wenigen schwedischen Bands, die so etwas auf
internationalem Level auch machen konnten. Dass wir mit dem Album dann so in
die Pop-Welt geworfen wurden, war viel verstörender – und unser Gitarrist, John
Norum hat uns auch deswegen für eine Weile verlassen. Er hatte keine Lust auf
die Magazine oder Playback-Sachen. Aber es war schon eine heiße Zeit, wir
hatten eine Menge Parties!
Wessen Idee war die
Veröffentlichung der DVD?
Die Idee kam von Warner, der Film-Company. Und wir wussten,
dass wir diese Show hatten, dass die Show damals in Stockholm gut war, und,
hey, da hängen schon ein paar tolle Erinnerungen dran. Es ist schon ein
interessanter Rückblick in die 80er, das hat schon Spaß gemacht. Trotzdem wär
mir noch wichtiger, eine neue DVD zu machen von unserer aktuellen Tournee –
aber da bleibe ich jetzt mal am Drücker!
20 Jahre sind schon
eine lange Zeit. Aber das Album ist ja im Prinzip etwas, an das ihr ständig
erinnert werdet, oder? Hat es je ein Konzert, je ein Interview gegeben, in dem
das Wort Final Countdown nicht gefallen wäre?
Nein, ich glaube nicht. Manche versuchen es zu vermeiden…
aber warum? Ich liebe diesen Song, wir sind stolz darauf, er hat uns all dies
ermöglicht, und wir lieben ihn, live zu spielen. Es immer noch ein ganz
besonderer Moment der Show, die Leute flippen immer noch aus. Ich meine, dieser
Song war nie als möglicher Hit gedacht. Er sollte lediglich ein Opener für
unsere Shows, also etwas für unsere Fans sein.
Trotzdem: Ist es
nötig, mit diesem Rückblick noch einmal so explizit darauf einzugehen?
Weiß ich jetzt auch nicht, aber der Gig war gut, die Songs
waren gut, die Kameraführung auch – ich denke, man sollte das wirklich als
Snapshot der damaligen Zeit ansehen. Abwer wie gesagt, ich kann nicht erwarten,
unsere nächste DVD in Angriff zu nehmen.
Nun, Eure letzten
Alben haben ja bewiesen, dass für Euch die Zeit nicht stehen geblieben ist.
Oh, absolut nicht. Wir haben so viel gelernt über die Jahre,
so viele Erfahrungen gemacht, unsere Instrumente noch besser beherrschen
gelernt – und da sollte man schon versuchen, sich auch musikalisch nicht auf
der Stelle zu bewegen. Nein, ich glaube, wir sind heute viel weiter mit Europe.
Als ihr mit „Start
from the Dark“ zurück kamt – hattet Ihr kurz daran gedacht, Euch umzubenennen?
Nein, das wäre dumm gewesen. Wir wollen unsere Vergangenheit
ja nicht verstecken. Da gab es genügend Material, auf das wir stolz sind, und
das wir ja auch weiterhin spielen wollten, also warum umbenennen? Ich denke,
dass man lieber so beweisen kann, dass man sich trotzdem weiter entwickeln
kann.
Im letzten Jahr
erschien Euer „zweites“ Album „Secret Society“ – was ja sogar noch runder war,
oder?
Ja, wir waren richtig wieder „drin“, konnten wirklich sagen,
dass wir mit beiden Beinen im neuen Millenium standen, hatten tolle Leute, mit
denen wir zusammen gearbeitet haben, deswegen ist der Sound besser, die Songs
sind besser, aber die Dynamik ist noch breiter und wir haben uns noch weiter
entwickelt.
Natürlich musstet Ihr
Euch weiter entwickeln – da seid ihr ja auch keine Ausnahme – aber denkst Du, dass
Ihr Euch je von den Altlasten Eurer Vergangenheit befreien könnt und Leute
erreicht, die auf Eure 80er-Zeit nicht so stehen und standen?
Ja, ich denke schon. In den 90ern war es schon einmal so,
dass man es sehr schwer hatte als 80er Band, da war es wirklich eine Altlast.
Aber die neue Generation hat das nicht, die finden das schon wieder cool. Die
bewerten das nicht so negativ, die nehmen es einfach, wie es ist. Natürlich
werden wir unsere 80er-Wurzeln nie verlieren, und das wollen wir auch gar nicht,
aber man kann trotzdem zeigen dass man noch relevant ist, dass man noch gute
Sachen macht, und dass man schwer arbeitet und sich weiter entwickelt hat. Aber
das Musikbusiness hat sich eh so sehr geändert. Eine gute Website ist wichtig,
ein guter Kontakt mit den Fans, man muss auf Tournee sein und DVDs sind auch
wichtig.
Ja, bei all den
CD-Downloads vielleicht sogar bald wichtiger als CDs, oder?
In manchen Ländern stehen CDs und DVDs schon durchaus
gleichberechtigt nebeneinander – auch platzmäßig. Aber das ist noch
unterschiedlich. Ein ganz neuer Markt ist ja auch Osteuropa – die fangen
plötzlich wie wild an, Platten zu kaufen, und damit werden diese Länder auch
für Tourneen plötzlich viel interessanter. Das ist sehr spannend.
Du hast vorhin schon
Bon Jovi erwähnt – die ja doch noch etwas anders abgegangen sind…. Was haben
die anders gemacht?
Die sind etwas glücklicher durch die Neunziger gekommen.
Hatten zwar Anfangs auch ein paar Probleme – Nirvana, Pearl Jam, sogar
Guns’n’Roses haben da schon einiges durcheinander gebracht – aber die hatten
eine Plattenfirma hinter sich, die alles möglich gemacht hat. Wir dagegen haben
eine lange Pause gemacht, haben Soloalben gemacht - aber wir brauchten das auch. Wir hatten in
unseren Teens angefangen, und waren schon irgendwie „auf“. Und, hey, danach
wieder zusammen zu kommen, hat so noch viel mehr Spaß gemacht!
Was waren die Gründe
für die Pause – der Drang nach Freiheit, der fehlende Erfolg?
Der Erfolg war durchaus noch da, aber wir brauchten eine
Pause! Ich wollte gerne ein Soloalbum machen, wollte etwas anderes machen, den
anderen ging es ähnlich – und wir hatten nie vor, die Pause so lang werden zu
lassen. Aber jetzt sind wir alle fünf wieder zusammen – das ist doch klasse.
Bon Jovi sind nur noch vier…
Was war denn
überhaupt die Initialzündung – außer der Milleniumshow? Ihr standet ja
durchgehend in Kontakt, habt Euch gegenseitig bei Euren Solosachen ausgeholfen…
Ja, Lust hatten wir schon vorher, haben uns immer mal wieder
angerufen und darüber gesprochen, aber teilweise waren wir auch noch in unseren
Verträgen gefesselt.
Und Deine Solopläne
sind jetzt erstmal vorbei?
Ja, ich habe eine Trilogie gemacht, habe drei sehr verschiedene
Alben gemacht, eins in Nashville, eins in London und eins zu Hause, ich habe
viel amerikanische Musik studiert, Americana, Singer Songwriter, habe viel
meinen Lieblingssänger Jackson Browne gesehen, habe viel übers Texte schreiben
gelernt – und habe davon viel mit nach Hase gebracht.
Die Texte auf Eurem
neuen Album haben sich stark gewandelt – ein Ergebnis Deiner Solojahre?
Ja, ganz bestimmt. Zwar auch die Tatsache, dass ich seit
Jahren in England, also in der englischen Sprache lebe, aber die Studien der
textlichen Möglichkeiten haben bestimmt meinen Horizont erweitert. Und man wird
ja auch älter… da schreibt man über andere Inhalte, schreibt auch persönlicher
und damit auch ehrlicher.