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1985 gegründet von
Sven Regener schwimmen die Berliner derzeit auf einer außerordentlichen
Erfolgswelle mit ihrem aktuellen Album „Mittelpunkt der Erde“ –
Chartplatzierungen, ausverkaufte Hallen ihrer letzten Tournee,
Echo-Nominierung. Erste Bekanntheit erlangte die Band mit ihrem von John Cale
produzierten Album „Try to be Mensch“ 1987, seit 1991 singen sie auf deutsch.
Nach einer gemeinsamen Tournee mit Herbert Grönemeyer und dem Erfolgsalbum
„Weißes Papier“ finden Element of Crime auch in den Charts statt. Seit rund 10
Jahren engagieren sich die Mitglieder der Band auch in erfolgreichen
Nebenprojekten (17 Hippies, Das Dreckige Dutzend; Kindermusik, Theater- und
Filmmusik; zudem wurde Regener auch als Autor der Bücher "Neue Vahr Süd"
und "Herr Lehmann" bekannt). Umso beruhigender, dass nach vier Jahren
nicht nur das neue Album erschien, sondern dieses auch so extrem erfolgreich
ist. Ich sprach mit Sänger und (neben Trompete, Akkordeon und Klavier)
Gitarrist Sven Regener.
Eure erste Single
heißt und dreht sich um Delmenhorst - warum Delmenhorst?
Die Idee kam mir wegen des Klang des Namens, warum auch
immer. Eigentlich war es die Herausforderung, den in einen Song zu verpacken.
Ansonsten verbindet mich eigentlich nichts mit Delmenhorst. Die Idee des Songs
ist ja auch eher, dass eine Person ins Exil geht, an einen Ort, wo ihn niemand
vermutet – und dafür ist die Stadt natürlich prädestiniert, weil es eine Stadt
ist, die nur wenige auf der Rechnung haben.
Der Song klingt auch
nicht unbedingt wie eine Liebeserklärung...
Man macht doch an Städte keine Liebeserklärung. Man liebt
Menschen, keine Städte. Städte sind viel zu komplexe Dinger. Und „New York, New
York“ oder „Berlin, ick liebe dir“ ist auch nicht die Art von Liedern, die wir
schreiben. Ich schreib ja auch keine Lieder über´s surfen – weil ich da keine
Ahnung von hab. Man muss ja nicht alles machen.
Aber Delmenhorst ist genauso kunstfähig wie Berlin oder New
York.
Ihr werdet gerne die
Melancholie-Rocker genannt.
Ich habe die Musik von Element of Crime eigentlich nie als
so melancholisch gesehen. Und wenn´s mal melancholisch werden sollte, dann auch
richtig, dann auch konsequent. Aber ansonsten haben die Leute auf unseren
Konzerten sehr viel Spaß. Da geht´s keineswegs nur um Trauer.
Wieso, Melancholie heißt doch nicht unbedingt Trauer
sondern kann doch auch etwas schönes sein...
Das stimmt schon, natürlich. Sogar das Traurige kann Spaß
machen. Das Ding ist, ich habe mich irgendwann nicht mehr gegen den Begriff
Melancho-Rocker gewehrt, aber im Grunde sind unsere Songs nur Songs, und ich
würde auch sagen rund 90% aller Songs sind Liebeslieder. Wir schreiben ja keine
Songs, weil wir ein bestimmtes Anliegen haben, sondern weil wir Songs schreiben
wollen. Und Worte haben im Endeffekt einen bestimmten Klang – das ist die Idee
von Poesie überhaupt.
Sind Deine Texte
nicht musikalische Poesie?
Nein, sie sind Songtexte, da muss man kein großes Etikett
für suchen. Da muss man kein großes Aufheben machen oder einen besonderen
Begriff suchen, um sie zu begreifen. Sie sind einfach, was sie sind.
Nun gibt es aber auch
wesentlich banalere Songtexte...
Trotzdem sind sie Songtexte. Es gibt auch ganz banale Poesie
oder auch ganz blöde Poesie. Von daher ist der Vergleich mit Poesie für mich
auch kein Kompliment. Wie man die Texte dann findet, ist ja eine andere Sache.
Aber wir machen ja immer erst die Musik, und dann versuche ich dazu einen Text
zu finden. Das ist ja auch völlig normal in der Musik. Das haben die Beatles
auch nicht anders gemacht.
Die – v.a. in ihrer
früheren Zeit einen etwas direkteren Weg ihrer Wortwahl gewählt haben.
Natürlich gab es Songs wie „Love me do“ oder „She loves me“,
aber spätestens mit „Lucy in the Sky with Diamonds“ oder „Helter Skelter“ oder
„Cross the Universe“ von John Lennon hatten die doch Texte, die auf´s
kontroverseste diskutiert wurden. Aber beide Arten von Texten haben ihre
Daseinsberechtigung. Ein bestimmtes Lied will auch einen bestimmten Text haben.
Wir haben nie Rockmusik gemacht, weil wir eigentlich weil wir eigentlich
Dichter sein wollten.
Und das seit gut 20
Jahren mittlerweile! Hättest Du gedacht, dass du das so lange durchhalten
würdest?
Nee, natürlich nicht, aber ich habe da auch nie groß drüber
nachgedacht. 20 Jahre sind eine lange Zeit, wer kann sich das schon vorstellen.
Klar ist das eine lange Zeit, aber wenn man eine Band findet, in der es richtig
gut funktioniert, dann ist es auch klar, dass das halten kann. Ich hätte auch
nie gedacht, dass wir mal in Berlin die Arena ausverkaufen oder in Köln vor
4000 Leuten, wie es jetzt ist.
Das aktuelle Album
ist ja sowieso extrem erfolgreich.
Ja, die letzte Tournee ging unglaublich durch die Decke, wir
haben in größere Hallen verlegt oder wo das nicht ging, Zusatzkonzerte gemacht
– das ist schon ziemlich erschütternd. 1993 hatten wir schon einmal so einen
Effekt, dass plötzlich wie auf Kommando alles nach oben ging. Aber erklären
lässt sich das nicht – warum gerade jetzt, warum nicht mit der Platte davor.
Man trifft sich mit der Zeit.
Die Mysterien des
Musikbusiness
Ja, der Kunst allgemein.
Nun ist deutsche
Musik ja derzeit sehr populär – passt Ihr da rein?
Ja, wir passen überall rein und nirgends. Wir gehören ja
nicht zu irgendeiner bestimmten Szene. Wir stehen ja schon durch unsere
Biografie etwas alleine da, die anderen Bands die es da noch so gibt sind Bap
oder die Toten Hosen oder die Einstürzenden Neubauten. Aber da gibt es wenig
Überschneidungen – genau genommen gar keine. Außer dass das alles Rockmusik
ist.
Ist das überhaupt
Rockmusik?
Würdest Du das Leonard Cohen oder Adam Green auch fragen?
Zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug, was soll denn das sonst sein. Wir machen erst
die Musik, dann den Text, wir spielen in unbestuhlten Hallen und haben ein
klares, elektrisches Instrumentarium, und wären für mich die Kriterien für
Rockmusik. Das ist Rock´n´Roll, man schreibt zusammen Sonogs und spielt die mit
elektrischen Instrumenten.
Rock war lange Zeit eine ganz eingegrenzte Sache,
Lederhosen, VoKuHiLa, Ausfallschritt und Ricke-Racke-Rock-Riff, aber das ist
doch so ein weites Feld! Beim Echo waren wir ja auch (neben In Extremo,
Kettcar, Subway to Sally und den Gewinnern Rammstein, Anm. d. Red) nominiert in
der Sparte „Alternative Rock“ – noch
Fragen?
Während der Echo verliehen wurde, habt Ihr ein Konzert in
Stuttgart gespielt. War das Kalkül? Immerhin bist Du nicht unbedingt scharf auf
derlei Veranstaltungen, oder?
Och, wenn wir nicht gespielt hätten, wären wir da wohl
hingegangen... ich war auch schon beim Echo. Dagegen muss man nichts haben. Ich
habe mal einen Deutschen Filmpreis gewonnen, und da habe ich kritisiert, dass
die Leute sich mit der S-Klasse vorfahren lassen, und sich dann über gekürzte
Subventionen der Hamburger Kulturbehörde beschwerten. Das passte für mich nicht
zusammen, dagegen hab ich revoltiert.
Ihr habt ein Vorwort
zur neuen Tomte CD verfasst, wie kam´s dazu?
Die waren mal Vorgruppe bei uns und haben mich gefragt, ob
ich Lust hätte, das zu machen. Ist doch ne prima Band. Wenn man mit Leuten
befreundet ist, dann macht man das einfach. Dann fragt man nicht lange, sondern
findet entweder die Zeit oder eben nicht. Warum hilft man einer Oma über die
Straße? Das macht man einfach mal so.
Ob Tomte jetzt dieser Vergleich gefallen würde...
Zugegeben, dieser Vergleich ist jetzt etwas hart. Tatsache
ist, dass man solche Sachen eigentlich gar nicht erklären sollte.
Eine Frage, die Du wahrscheinlich früher eher mehr als
heute beantworten musstest – was bedeutet dir der Bandname?
Da hab ich mir seit Jahrzehnten keine Gedanken mehr drüber
gemacht. Wir hatten damals einen Namen gesucht, und dieser Film war gerade
populär. Würd ich heute so auch nicht mehr machen. Wir hatten dann auch
überlegt, als wir ins deutsche gewechselt sind, ob wir den ändern sollten. Aber
Tatsache ist, dass nach einem Jahr ein solcher Name einfach auch die normative
Kraft des Faktischen hat. Aber wir haben den Namen nie als Auftrag verstanden
oder als Verpflichtung, noch als Mahnung.
Du sagst, Du willst
gar kein Star sein – kann man das immer so kontrollieren?
Das hängt davon ab. Wenn ich auf die Bühne gehe und da
stehen ein paar Tausend Leute, dann sind wir die Stars, ganz klar. Dann haben
wir das auch verdient, wir haben die verdammte Halle ausverkauft. Die Leute
kommen wegen uns und unserer Musik. Aber das heißt ja nicht, dass ich mein
Leben danach ausrichten muss. Ich bin ja kein Robbie Williams. Das will ich
nicht. Wenn es denn so ist, und sich nicht vermeiden lässt, dann muss man sich
was Neues überlegen, aber im Alltag strebe ich nicht an, ein Star zu sein. Ich will
auch nicht auf der Straße erkannt werden.
Du wirst nicht
erkannt?
Manchmal schon. Aber das Angenehme ist ja, dass ich maximal
von Leuten erkannt werde, die interessiert, was ich mache – und diese Leute
lassen einen dann auch meistens in Ruhe.