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Interview 2003
„Street Life“ – ein
Meilenstein in der Geschichte der Popmusik. Ein Meilenstein auch für Randy
Crawford und für die Crusaders. Trotzdem blieb ihre Zusammenarbeit ohne
Fortsetzung. Bis jetzt!
Mehr als 20 Jahre
nach ihrem letzten Album kehren die Crusaders in Originalbesetzung zurück –
sowohl auf Platte (am 19.5. erschien „Rural Renewal“) als auch auf die Straße,
oder besser gesagt auf deutsche Bühnen. Mit dabei: Randy Crawford! Ich sprach
vorab mit Pianist Joe Sample über das neue Album, gute Musik und über die
bevorstehende Tournee.
Wo sind Sie gerade?
Ich bin in Houston, Texas, meine Geburtsstadt. Ich hätte ehrlich gesagt selber nicht damit gerechnet, dass ich hier noch einmal lande. Ich habe Texas 1958 verlassen, da war ich 19 und inmitten all dieser Rassentrennung und den Anfängen der Gleichberechtigung, und ich habe geschworen, nie wieder einen Fuß in den Süden der USA zu setzen. Aber nun baue ich mir dort ein Haus, zwischen Houston und Galveston, direkt am Golf.
Tja, offensichtlich können sich manche Sachen ändern. Manche Dinge ändern sich allerdings nie, scheint mir. So wie die Musik der Crusaders!
Nein, das stimmt (lacht). Aber warum sollte man die ändern? So viele Musiker meinen immer, sie müssten etwas verändern. Auch im Jazz gibt es immer wieder neue Bewegungen, aber wirklich wichtige Veränderungen gab es lange nicht mehr. Wenn ich nach New Orleans komme und mir die Musik anhöre, dann höre ich Little Richard, Fats Domino. Ich höre all diese Sachen, die es schon immer gab – und ich hoffe, das wird sich nie ändern. Denn wenn sich so etwas ändert, dann werden die Quellen und Wurzeln unserer Gesellschaft auch verschwinden. Und das würde mir Angst machen.
Natürlich kann ich verstehen, dass Musiker experimentieren wollen, aber von mir aus müsste man das nicht mehr Jazz nennen. Ich bete dafür, dass die Traditionen des Jazz überleben. Und ich glaube, die Musik der Crusaders ist immer noch genauso wie auf unseren ersten Alben.
Würden Sie denn
sagen, dass das neue Album reiner Jazz ist?
Oh nein, ich benenne das gar nicht! Was wir wollten, war folgendes: Wir stellten einfach fest, dass die Afroamerikanische Musik in Amerika an Kultur verliert, sprich die spirituelle Qualität, der Sinn für Seele genauso wie der Sinn für Rhythmus und Groove, einen Groove der atmet. Musik, die von Menschen gespielt wird. Ich kann es einfach nicht ausstehen, Musik zu hören, in der Drumcomputer verwendet werden. Ich kann gar nicht verstehen, wie die Leute zu so etwas tanzen können, das hat doch überhaupt keine Seele! Und das wollten wir erreichen, als wir uns wieder zusammenfanden.
Ich meine, diese Musik kommt doch vom Land, lange bevor sie in die Städte ging und verkopft wurde. Die Wurzeln unsere Kultur kommen vom Land, den kleinen Dörfern aus Louisiana. Das war Musik, die zum Tanzen animierte, und das war, was wir wieder erlangen wollten, denn das ist, was der modernen Musik fehlt.
Die Crusaders haben
also nie darüber nachgedacht, den Sound zu modernisieren...
Wir wussten, dass als wir anfingen zu spielen, dass es nach typisch Crusaders klingen würde. Zu diesem Sound sind auch nur die Crusaders fähig, ich habe es nie geschafft, etwas derartiges mit anderen Musikern zu erreichen.
Die Crusaders haben viele verschiedene Sachen gemacht – Jazz, Blues, Pop, Soul, Funk – auf dem neuen Album gibt es von allem ein bisschen, oder?
Weißt Du was für mich das wichtigste an Musik – egal welcher Musikrichtung – wirklich ist? Ein Stück, egal ob Klassik, Pop oder Jazz, muß in der Lage sein, ein musikalisches Portrait für mich zu zeichnen. Es ist mir egal, wie schnell oder wie langsam jemand spielt, oder wie komplex – nur wenn ein Stück es schafft, mich zu packen, mir Stromstöße in den Körper zu jagen, dann ist es das richtige für mich. Das kann komplexe Klassik sein oder ein einfacher Folk-Song, die Chemie muss stimmen, dann ist es ein richtiger, ein essentieller Song für mich. Er muss mich emotional berühren. Und dann ist es egal, aus welchem Genre er kommt.
Wenn die Crusaders also zusammen kommen, dann gibt es den typischen Crusaders Sound. Sie haben mit diversen Musikern gearbeitet – gab es da nie diese typische Chemie?
Nein, es war immer etwas anderes. Es gab immer wieder Leute, mit denen ich wunderbar zusammen gearbeitet habe, mit denen man sich gegenseitig inspiriert, aber die Crusaders haben etwas ganz besonderes, und weißt Du warum? Weil wir alle „Territory Musiker“ sind – im 2. Weltkrieg wurde der Süden der USA „Territory“ genannt. Es ist sehr schwierig für einen Musiker aus New York City, in den Süden zu kommen, und beispielsweise mit Fats Domino zu spielen, die Kultur ist eine andere, der Sinn für Rhythmus ist ein anderer. Die Crusaders sind aufgewachsen als „Second Liners“. Die Second Line ist die Basis für alle Musik, die aus New Orleans kommt – von Louis Armstrong über Fats Domino und Little Richard bis zu Dr. John. Second Line heißt, von der Beerdigung zurück zu kommen – man spielt keine traurige Musik mehr, sondern nun beginnt die Party, also spielt die Brass Band und die Leute tanzen, und diese Menge, die der Band folgt, nennt man die „Second Line“. Und so sind wir alle aufgewachsen in New Orleans.
Es gibt ein erstes Yardbirds-Album seit 34 Jahren, ein neues Allman Brothers-Album, sogar Yes haben sich wieder mit Rick Wakeman zusammen getan – wie kommt es, dass so viele Klassiker zurück kehren heutzutage?
Nun, ich sehe all diese - wie die jungen Leute sagen – alten Leute, wir treffen uns in Hotels, am Flughafen und was weiß ich, und wir kommen immer wieder auf die Idee, etwas zusammen zu machen. Und weißt Du warum? Die heutige Musik ist furchtbar!
Früher gab es eine Devise: die älteren Musiker einer band mussten ihr o.k. geben für Neulinge, sie bestimmten, wann jemand gut genug war, wirklich mitspielen zu dürfen. Wir wuchsen auf unter der Fittiche von den Alten. Heute gibt´s das nicht mehr. Was ich sehe sind die Blinden, die von Blinden geführt werden!
Kann man als Aussage so stehen lassen, glaube ich! Etwas anderes: Bei all den Musik-Arten, die es von den Crusaders gab: am erfolgreichsten war doch die Pop-Phase, oder?
Ich habe Ende der 70er angefangen, für Randy Crawford zu schreiben. Ich wollte immer Popsongs schreiben, habe sogar mit ein paar der Motown-Songwriter geschrieben, aber sie mochten mich nicht wirklich. Sie mochten meine Melodien nicht, und ich mochte ihre Texte nicht. Ich bin kein „Oh Baby, Baby, Baby, I love you-Mann“. Ich war immer fasziniert von den Broadway Stücken, große Songs mit kraftvollen Texten. Gershwin war einer der bedeutendsten Schreiber – aber er hatte nie eine Hit-Single.
Zeichnet ihn diese Tatsache besonders aus? Versuchen Sie also am liebsten keinen Hit zu schreiben, weil ein Hit kein guter Song sein kann?
Ich weiß eh nicht, wie man einen Hit schreibt. Aber ich weiß, wann ich einen guten Song geschrieben habe. Das reicht mir.
Was hat „Street Life“
für die Crusaders verändert?
In den USA war „Street Life“ nie ein Hit! Nur in ein paar europäischen Ländern war das ein Hit. Dass Randy Crawford diesen Song gesungen hat, lag einfach daran, dass es ein unglaublich wundervoller, kraftvoller Song ist.
Nun gibt es die Tour mit Randy Crawford- ergab sich keine Zusammenarbeit schon für das neue Crusaders Album?
Nein, ich hatte kein „Street Life“ geschrieben (lacht). Ich brauche ja einen guten Grund, um sie für Aufnahmen zu bekommen. Um ehrlich zu sein, ich wusste gar nicht, wie Randy darüber gedacht hätte. Aber mittlerweile sie es mir gesagt: Sie fühlt sich wunderbar, sie will singen, sie will touren, sie fühlt sich wohl, und sie will eine der größten Sängerin ihrer Zeit werden. Sie weiß nun, was sie im Leben erreichen will.
Was können wir erwarten bei den gemeinsamen Konzerten - wird es eine Auftritt zusammen werden, oder 2 getrennte Shows mit nur ein paar Songs zusammen?
Die Crusaders werden ungefähr 60% der Show spielen, und dann wird Randy dazu kommen. Und ich kann Dir sagen: es wird unglaublich einfühlsam, einfühlsam, einfühlsam! Und es wird einen höllischen Groove haben! Ich habe mich entschieden, mein altes Rhodes-Piano und meinen Wurlitzer mitzubringen, und wir werden nur mit alten Instrumenten spielen, kein Technik oder modernes Zeug. Ray Parker Jr. spielt Gitarre - Ihr werdet wundervolle Musik zu hören und zu fühlen kriegen!
Gibt es schon weitere
zukünftige Pläne?
Ja, wir wollen weiterhin zusammen bleiben. Die Aufnahmen haben so viel Spaß gemacht. Ray Parker Jr. kam zu uns, probte mit uns und sagte, „Leute, ich bin so froh, hier zu stehen, das ist, was mir in den letzten 20 Jahren gefehlt hat!“ Und er kuckte uns an uns sagte, „hey, lasst uns das jetzt nicht versauen!“
Ray Parker Jr. ist nicht der einzige prominente Gitarrist auf dem Album - wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Eric Clapton?
Ich spielte meine Demos Stewart Levine, unserem Produzenten von. Und der erste Song, den er hörte, war „Creepin´“ – und er sagte, Mann, Eric Clapton würde das Stück lieben. Also rief er Clapton an, und Eric kam sofort. Er kam mit seinem kleinen Verstärker, einer akustischen und einer E-Gitarre, und er wusste exakt, was er tat. Und am Ende sagte er, es wäre eine Ehre gewesen, auf unserer Platte zu spielen. Das war schon was!