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Sie gelten als eine
der einflussreichsten deutschen Bands, waren v.a. auch im Ausland und von anderen
Musikern extrem erfolgreich und hoch angesehen. Gegründet 1968 gab es das
Kölner Experimentierkollektiv um die klassisch ausgebildeten Musiker Irmin
Schmidt (Tasten) und Holger Czukay (Bass), den vom Free Jazz desertierten
Drummer Jaki Liebezeit und den jungen Beat-Gitarristen, Michael Karoli,
gemeinsam auf der Suche nach neuen musikalischen Konzepten zunächst 10 Jahre
lang. Aber auch nach 1978 gab es neben diversen Solo-Projekten noch bis 1991 immer
wieder Alben unter dem Namen Can, seit dem Tod von Michael Karoli scheint eine
weitere Zukunft jedoch undenkbar.
Nachdem es zunächst die Doppel-DVD „CAN“ gab, startet nun die Wiederveröffentlichung ihrer Alben in aktueller ‚state of the art’ SACD Klangqualität mit den ersten vier Alben, "Monster Movie" (1969), "Soundtracks" (1970), "Tago Mago" (1972) und "Ege Bamyasi" 1972), wofür uns Keyboarder Irmin Schmidt gerne Rede und Antwort stand: Obwohl nach seinem Musikstudium in den 60ern gerade dabei, eine erfolgreiche Karriere u.a. als Dirigent aufzubauen, entschloss sich Schmidt 1968 für Can. Seit 1978 als Produzent und freier Komponist mit zahlreichen Projekten und Soundtracks erfolgreich, führte er 1998 seine Fantasy Opera ´Gormenghast´ zum ersten Mal auf und führt noch heute die Can-Tradition in seinem Projekt KUMO fort. Bei so viel Erfolg unter eigenem Namen war meine erste Frage deshalb, ob er sich eher als die (Solo-)Person oder den Can-Musiker Schmidt sieht.
Wie stellst Du dich vor?
Natürlich kann ich sagen, ich bin Irmin Schmidt von Can, weil ein Teil meiner Identität mit Can zu tun hat, und nichts mich so sehr geprägt hat, wie die paar Musiker, die mich über Jahrzehnte begleitet haben. Ganz besonders Michael, weshalb es ja auch so furchtbar ist, dass Michael gestorben ist – er hat eigentlich auch nach dem Ende von Can und nebenher im Prinzip an all meinen musikalischen Projekten mitgewirkt. Jaki und Michael sind Teil meiner eigenen Identität.
Trotzdem ist ja vieles – gerade an Filmmusik – unter Deinem Namen erschienen.
Ja, aber die Verbindung ist einfach da und sie ist sehr stark.
Darum ist es auch so undenkbar, dass es noch einmal etwas neues unter dem Namen Can geben wird?
Wir hatten zwar verschiedene Sänger und Begleitmusiker, aber die Stammbesetzung waren immer Holger, Jaki, Michael und ich – wir sind die Can. Die anderen Musiker hatten sich nie so richtig eingefügt in das, was die Musik von Can ausmacht. Wir vier haben in Can alles geteilt, Autorenfragen gab es z.B. nie – und diese Kameradschaft hat es mit den anderen einfach so nicht gegeben.
Das Faszinierende an Can ist ja, dass Ihr so prägend war, obwohl es die Band gar nicht so sehr lange gab.
Als konzertierende Band nicht, das stimmt, da waren es „nur“ 10 Jahre – was aber auch schon wieder eine Zeit ist, die für heutige Verhältnisse eine kleine Ewigkeit für eine Band ist. Trotzdem hat es Can natürlich auch nach 1979 weiter gegeben, wie haben immer wieder etwas gemacht – mal ´ne neue Platte hier und da, und ich kann auch sagen, gäbe es Michael noch, würde es auch möglicherweise noch wieder eine neue Platte geben können oder alles andere, was man sich vorstellen kann. Aber Michael ist als Gitarrist einfach unersetzbar.
Dann leuchtet es natürlich auch ein, was für Veröffentlichungen in diesem Jahr so von Euch erscheinen – ist das der Rückblick auf ein Kapitel, das definitiv abgeschlossen ist?
Gar nicht mal so, eigentlich wären diese Veröffentlichungen auch so erschienen. Die waren schon in Planung, als man noch nicht wissen konnte, dass Michael sie nicht mehr erleben würde. Was die DVD betrifft – die hat sich ja nun offensichtlich über eine sehr lange Zeit entwickelt, teilweise gab es davon ja schon was auf der – limitierten – Can Box, und jetzt gibt es die gesammelten Materialien mit und über Can eben auf DVD und in besserer Qualität. Und was die CDs in remasterter Form anbetrifft, das war erst recht eine Sache, die seit langer Zeit in Planung war. Tatsache war, dass es zu der Zeit, als die CD aufkam, eine gewisse Klangästhetik gab, dass man für CDs eine ganz gewisse Art von Mastering machte. Und irgendwann ist einem auf
Das heißt SACDs sollten auch jeden Vinyl-Fan von überzeugen können?
Das möchte ich schon meinen. SACDs klingen einfach noch ein bisschen besser als CDs und der eigentliche Unterschied ist vor allem, dass wir die originalen Bänder remastert haben, da sind mit heutigen Techniken ja einfach erstaunliche Dinge möglich. Wie gesagt, als die CD aufkam, fand man diesen digitalen Klang einfach unheimlich spannend, aber man hat irgendwann festgestellt, dass der alte Sound ohne den ganzen Heckmeck einfach besser war – nur eben mit Rauschen und Knacksen. Und das kann man heute heraus filtern.
Die Studio-CDs waren die eine Seite von Can, die andere waren Eure Live Shows: Endloses Improvisieren, ja komponieren auf der Bühne. In wieweit waren die Songs der CDs da Ausgangspunkt?
Im Studio haben wir unsere Sachen bis ins letzte Ende ausgefeilt – wobei sich allerdings die Songs dann immer so weit verändert hatten, dass sie mit der Ursprungsidee oft gar nichts mehr gemein hatten, weil wir uns nie wiederholt haben. Was zählte, war dass wir endlich den richtigen Groove oder die richtigen Harmonien gefunden hatten. Die CD-Aufnahmen waren eine Mischung aus unglaublicher Spontaneität und bis ins Letzte ausgefeilten Stücken – wir haben das immer spontanes Komponieren genannt. Und live haben wir unsere Stücke manchmal – aber auch nur manchmal als Ausgangspunkte benutzt, aber sogar dann wurden sie so extrem verändert und erweitert, dass es im Prinzip auch schon wieder eine neue Komposition war.
Haben Eure Zuschauer
nie die Songs von der CD gefordert?
Doch, aber sie haben schnell begriffen, dass man bei einem Can Konzert nie wissen konnte, was einen erwartet. Und es erwartete einen auch schon mal der pure Schrecken, denn dieses spontane auf-der-Bühne-Erfinden ging auch manchmal furchtbar schief. Auf der anderen Seite, war es auch manchmal so gut gelungen, dass die Leute ausgeflippt sind und sich in den Reaktionen überschlagen haben, weil einfach etwas passiert ist, was nur passieren konnte, wenn alles richtig läuft, und der Abend einfach ein einmaliger Moment war. Wenn es schlecht war, waren die Leute auch nie sauer, sondern haben mit uns mitgelitten.
Und wenn man merkte, dass es in die Hose geht – greift man in einem solchen Moment auf die Stücke der Platten zurück?
Das hat nichts geholfen (lacht), denn die Stücke waren nie so, dass sie reproduzierbar waren. Und selbst wenn wir sie gespielt haben, haben das die Leute oft auch gar nicht erkannt.
Trotzdem gab es nie
ein Live-Album!
Nein, weil wir immer darauf bestanden hatten, dass es dann ein richtig produziertes Album hätte sein müssen, mit mehreren Nächten, die man hätte mitschneiden müssen – aber damals war das gar nicht so angesagt.
Nun kommen alle CDs in remasterter Form heraus – für den Fan durchaus eine Investition. Trotzdem habt Ihr außer dem perfekten Klang keine Änderungen – sprich Bonusmaterial – hinzugefügt.
Darüber haben wir lange diskutiert. Aber wir sind zu dem Schluss gekommen, dass jedes Album in sich ein abgeschlossenes Werk darstellt. Und eine Neuveröffentlichung eines bedeutenden Buches wird nicht dadurch bedeutsamer, dass man noch 2 Gedichte des Autors beifügt. Bonusmaterial hat auch was von Ausverkauf – „jetzt noch 25% gratis“ – aber wir haben ganz bewusst diesen Ausverkauf unserer Musik nie betrieben. Was für uns in Frage käme, wäre eine Extra-CD für Fans, die wir zu einem Extra Preis anbieten – aber das wäre dann dieses eine Geschenk an unsere Fans.
Can galten als die Soundpioniere – fühlst Du Dich – z.B. mit ´Kumo´ - noch immer als Pionier?
Ja, ich glaube schon. Einfach weil dieses Projekt etwas ganz neues enthält. Genauso wie die Oper „Gormenghast“, die im Prinzip wie alle meine Arbeiten auf dem Prinzip von Can aufbauten. Ich bin ein Fünftel Can – und diese Identität kann man auf allem, was ich mache heraus hören.
War diese Oper eine
Art Wunschtraum für Dich?
Wunschträume gab es für mich nie. Es war nur so, dass ich immer wieder die Herausforderung gesucht habe. Auch damals, als ich noch Dirigent und klassischer Komponist war, war Can ja für mich kein Wunschtraum. Ich wusste nur, dass ich etwas anderes machen wollte, das war kein musikalischer Wunschtraum, sondern eine persönliche Notwendigkeit. Man kommt immer wieder an den Punkt, an dem man etwas „machen muss“ – und wenn man mutig genug ist, macht man das auch. Da geht es ja auch durchaus um ökonomische Gesichtspunkte... Ich war damals auf dem besten Wege, erfolgreicher Dirigent zu werden, und verdiente schon gutes Geld, und habe das getauscht gegen Can, mit denen ich 2 Jahre zunächst gar kein Geld verdient habe.
Baute die Rezeption von
„Gormenghast“ auf der Rezeption von Can auf?
Ich glaube nicht, da der größte Teil des Publikums Can gar nicht kannte. Ob Can jetzt über die Zeit seinen Teil zur Veränderung des Bewusstseins und der Hörgewohnheiten beigetragen hat, indem wir immer bewiesen haben, dass Rockmusik auch Kunst sein kann, und das kein Widerspruch sein muss, mag ja sein. Mein Anliegen ist und war immer, zu beweisen, dass es eben nicht nur auf der einen Seite die gelehrte Kunstmusik gibt und auf der anderen Seite „dumme“ Popmusik, sondern auch eine kunstvolle, verständliche populäre Musik gibt; Eine Verbindung, die in der Malerei selbstverständlich ist. Diese Trennung habe ich nie anerkennen wollen, und damit waren wir in Europa relativ einzigartig. In Amerika gab es zumindest Zappa und Velvet Underground, die ähnliches gemacht haben.