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Interview: Januar 2010
Die Norwegerin hatte zunächst in der Jazzszene einige interessante Kollaborationen – u.a. mit Wolfgang Muthspiel oder Julia Hülsmann – bevor sie begann, Soloalben zu veröffentlichen. Und auch wenn ihre Musik oft von Elementen des Jazz beeinflusst war, die sie auf sehr eigene Weise mit Pop und Folk-Elementen zusammenbrachte, wollte sie selbst von dieser Schubladisierung nichts wissen. Ihr viertes und jüngstes Album „Morning Hours“ zeigt sie dann auch von einer sehr viel mehr direkten Weise. Ich sprach mit ihr bei ihrem jüngsten Deutschlandbesuch.
Ziehst Du englisch
vor – ich hörte, Dein deutsch ist auch nicht so schlecht…
Ja, es geht, aber wenn wir sprechen zusammen es ist besser, wenn wir englisch sprechen, weil es ist leichter.
OK, kein Problem. Es
ist ja auch schon spät am Abend. Apropos: Bist Du ein Frühaufsteher?
Hmm, manchmal. Eigentlich stehe ich lieber spät auf, aber momentan bin ich gerade in einer Phase, in der ich durchaus auch gerne mal morgens aufstehe.
Und genießt die
Morgenstunden?
Oh, absolut!
Oder worauf bezieht
sich der Albumtitel?
Für mich sind die ersten Stunden des Tages ganz wichtig. Die Gedanken sind noch ganz frei, man ist offen für das, was noch kommt. Und das sind die ersten Stunden jeden Tages, ganz egal, wie früh man aufsteht. Früh ist ohnehin relativ, das muss jeder für sich selbst definieren.
Lass uns über das
Album sprechen. Hat sich etwas geändert? Was ist neu für Dich?
Hmm, muss ich das sagen? Es sind meine Songs und ich mache immer einfach das, wonach ich mich fühle. Ich hoffe, dass ich mich weiter entwickele, dass mein Songwriting besser wird, aber ich lege es nicht unbedingt darauf an, mich neu zu definieren. Ich probiere nur hin und wieder etwas Neues aus.
Immerhin ist die Band
schon mal neu.
Ja das stimmt, aber das ist nicht ungewöhnlich für mich. Ich nehme gerne mit neuen Leuten auf. Das hilft mir, die Sachen in neuem Licht zu sehen. Ob es mir dann gelungen ist, musst Du entscheiden! Also? Was sagst Du?
Nun, ich würde es
zunächst einmal als reduzierter bezeichnen – was die Songs noch fragiler macht,
als sie früher ohnehin schon waren…
Ja, das stimmt, und ich bin froh darüber, dass Du das sagst, denn so sehe ich das auch. Ja, sie sind reduzierter, rauer, zurück zu den Wurzeln, und ich war selbst überrascht, dass es eigentlich gar nicht mehr bedarf, dass meine Songs gar nicht mehr brauchen, als das. Die Songs können so nackt für sich stehen, wie sie sind. Ich habe das Album nach den Aufnahmen erst einmal gar nicht gehört, weil ich nicht den Eindruck hatte, dass sich etwas von dem verändert hatte, als was ich ihnen gegeben hatte. Und das war ein ganz komisches Gefühl. Ich war eins mit den Songs. Und wenn ich das Album jetzt höre, liebe ich es!
Du sagst „Zurück zu
den Wurzeln“ – zu Deinen? Ist das, woher Du kommst?
Ja, so habe ich angefangen, Songs zu schreiben. Solche Musik habe ich gehört, als ich vor der Anlage saß und mich etwas bewegen sollte. Und ich habe das Gefühl, auf diesem Album konnte ich das genau so wieder geben. Wir haben neulich eine Show gespielt und ich habe zum ersten Mal einen John Hiatt Song gecovert: Real Fine Love. Ein absoluter Männersong, so ein Rock`n`Roll-Country Song, ein Song, den ich früher so geliebt habe, und den ich wirklich vermisst habe. Und plötzlich habe ich das Gefühl, dass ich diesem Song näher gekommen bin, als ich je war.
Aber das ist
Hemdsärmel-Rock! Und damit doch ziemlich weit entfernt von den Songs auf Deinem
neuen Album, oder?
Naja, in „Powder Room Collapse“ werde ich auch laut! Und ich liebe die Rockgitarre. Und es gibt in vielen Songs Platz für genau das. In „Like Cologne“ oder „Ghost in this House“ zum Beispiel. Da sind Elemente drin, die eine Brücke in meine frühe Zeit zulassen. Naja, jedenfalls sind das meine Wurzeln, das war die Musik, die ich gehört habe, als ich meine erste Stereoanlage bekommen habe.
Es ist trotzdem ein
wenig überraschend… Ich hatte mich eigentlich schon früher gefragt, ob Du nicht
auch einmal den Wunsch hättest, über diese Zerbrechlichkeit hinauszugehen und
das neue Album ist ja eher noch fragiler – und jetzt kommst Du und sprichst von
Rock’n’Roll…
Ja, für mich hat dieses Album viel davon, auch wenn es keine lauten Gitarren und Geschrei und kopflose Körper gibt. Ich weiß auch nicht, warum so Viele meinen, es sei nur fragil – oder melancholisch. Ich sehe da überhaupt keine Melancholie. Ich bin auch alles andere als depressiv, deswegen kann ich da gar nichts mit anfangen.
Nun, Du hast mit
Deiner sehr eigenen Mischung aus Pop, Jazz und Folk schon sehr oft auch viel
Melancholie drin gehabt.
Ja, findest Du? Ich liebe Balladen, und ich schreibe ja auch, um mich selbst zu unterhalten, deswegen schreibe ich auch viele Balladen. Aber ich sehe mich nicht als melancholisch, aber vielleicht denke ich das ja auch nur und habe gar nicht gemerkt, wie melancholisch ich geworden bin…
Du siehst Dich
eigentlich eher als fröhlichen Mensch?
Ja, absolut. Ich erinnere mich, dass ich als Teenager traurig war, aber das war eine andere Zeit. Das macht jeder von uns mal durch, aber damit bin ich eigentlich durch.
Aber Melancholie muss
ja auch nicht nur Trauer sein, oder? Melancholie kann ja auch hin und wieder
ganz schön sein…
Ja? So hab ich das noch nicht gesehen. Ich möchte jedenfalls nicht als traurig gelten, denn das bin ich nicht!
Gibt es ein
übergreifendes Thema für Dich auf diesem Album?
Interessante Frage. Habe ich noch nicht drüber nachgedacht, aber ich erinnere mich, als wir für die Tour geprobt haben, und wir die Songs durchgegangen sind, dass mir aufgefallen ist, wie gut die Songs zusammenpassen. Sogar die, die nicht von mir sind. Als wenn sie eine musikalische Einheit sind. Naja und textlich… letzten Endes handeln fast alle meine Songs von der Liebe. Mehr oder weniger. Es geht doch alles um Liebe.
Ich fragte mich nur,
ob dieser neue, nacktere Ansatz, eine thematische Konsequenz war, oder wo die
Idee dafür herkam?
Es ging um genau die Herausforderung für mich, zu sehen, dass die Songs genau so funktionieren. Ganz ohne Produktion. Ohne Make-up. Das ist für mich genau der Vergleich. Ohne Make-up durch die Stadt zu laufen. Die Songs nicht auf Hochglanz zu bringen. Das war die Herausforderung für mich. Und es war eine wundervolle Erfahrung.
Du bist in erster
Linie über die Jazzszene bekannt geworden – Dein neues Album platziert Dich
eher in der Singer/Songwriterszene…
Wo ich mich ohnehin immer schon gesehen habe. Ich halte von Kategorierungen nicht so viel. Ich schreibe meine Songs und ich singe sie. Punkt. Aber es ist richtig, es waren die Kontakte mit der Jazzszene, die mich einem breiten Publikum vorgestellt haben.
Würdest Du gerne eine
Hitsingle landen?
Klar, warum nicht? Als ich in Wien lebte, hatte ich einen Nachbarn, dem ich alle meinen neuen Songs vorgespielt habe. Seit ich in Schweden wohne, habe ich diese Person noch nicht gefunden, aber Tatsache ist, dass ich gerne teile. Und ich mich gerne mitteile. Und einen Hit zu haben, bedeutet ja auch, von viel mehr Menschen gehört zu werden, also mit viel mehr Menschen zu teilen. Und das würde mich glücklich machen.
Muss man das
beachten, wenn man einen Produzenten auswählt?
Nee, so könnte ich nicht arbeiten. Wenn ich Songs schreibe, habe ich nichts als mich selbst im Kopf. Da könnte ich niemanden sonst im Kopf haben, es sei denn sie sind die Quelle für meine Inspiration, ansonsten würde alles stoppen. Also könnte ich auch nie mit oder für einen Produzenten schreiben. Ich kenne Songwriter, die können das, und ich bewundere, was sie machen, aber das ist nichts für mich selbst. Man weiß eh nie, was ein Hit ist, warum sollte man sich also diesem Stress aussetzen, zu versuchen, einen zu schreiben?
Und Deine
Plattenfirma hat kein Problem damit?
Nein, ich habe sie sogar gefragt, als ich zu Universal Deutschland gewechselt bin… ich erzähle Dir viel zu viel… aber ich habe sie jedenfalls gefragt, ob sie einen Radiosong bräuchten, aber sie sagten genau, was ich gerade gesagt habe: Nein, arbeite nicht so! Und ich war sehr froh über meine Entscheidung, zu ihnen gewechselt zu sein.
Jetzt geht’s wieder
auf Tour – wie verbringst Du Deinen Touralltag?
Wir machen nicht viel. Man entspannt viel. Und wir essen sehr gut. Mit der ganzen Band. Das ist sehr schön. Und wir trinken gerne ein Glas Wein. Ich musste jetzt EIN Glas sagen.
Änderst Du Deine
Setliste während der Tour?
Ja, ständig. Heute haben wir vier Songs gespielt, die nicht auf der Liste standen. Da sind wir immer sehr offen für Stimmungen. Meinetwegen auch Wünsche.
Auch innerhalb der
Songs?
Ja, auch das hängt viel von den Stimmungen ab. Von der Situation. Es geht nicht um Improvisation nur der Improvisation willen. Aber wenn es Sinn macht und wir wollen, dann kann das jederzeit passieren. Da hast Du`s: Das ist meine Jazz-Ader… (lacht).