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Interview 2005
Die Story von Barclay
James Harvest beginnt in den frühen Sechzigern in Nordwest-England, als John
Lees und Stuart "Woolly" Wolstenholme von der Band namens The
Sorcerers mit Les Holroyd und Mel Pritchard von Heart And Soul And The Wickeds
verbündeten. Über ihre frühen Jahre, in denen sie viel mit progressiven Sounds
experimentierten, bauten sie sich eine Fangemeinde vor allem in Deutschland
auf, wo sie, inzwischen mit weniger komplexen, kommerziellerer Musik ihre
größten Erfolge feiern konnten: Am 30. August 1980 kamen 175,000 Leute zu ihrem
kostenloses Konzert auf den Stufen des Reichstags in Berlin, 7 Jahre später
waren sie im Ostberliner Treptower Park vor einem geschätzten Publikum von
170,000 Fans die erste westliche Rockband mit einem Open-Air Konzert in der
damaligen DDR.
Nachdem 1979 Wooly Wolstenholme ausgestiegen war, fand sich John Lees 1998 für ein neues Album mit ihm zusammen, woraus sich eine Art Aufteilung in BJH/A (featuing John Lees) und BJH/B (featuring Les Holroyd) ergab. Ein Verwirrspiel, das sich erst heute aufzulösen scheint: Holroyd im Interview, passend zu Veröffentlichung der CD „On The Road“.
Die aktuelle Tournee
ist, um die neue DVD zu promoten?
Die DVD, ja, und es gibt eine Compilation, „Evolution Years“, die gerade veröffentlicht wurde, und auch ein Livealbum, das auch noch recht aktuell ist. Aber im Endeffekt wurde es einfach wieder Zeit zu touren, wir lieben es, in Deutschland zu spielen.
Nun, mit Studioalben seit ihr ja auch nicht so übermäßig aktiv...
Das stimmt, aber wir wollen noch dieses Jahr ein neues Album aufnehmen. Aber es wird wohl eher Ende des Jahres werden. „Revolution Days“ ist ja schon eine Weile her mittlerweile.
Hat man da einen bestimmten Tour-Set, oder sind Eure Tourneen eh Best-of Programme?
Nein, wir versuchen, das zu mischen. Natürlich spielen wir die alten Stücke, weil wir wissen, dass die Fans die hören wollen, aber wir bauen immer auch neue Songs mit ein. Wir versuchen immer, ein neues Set zusammen zu stellen – es gibt ja auch an alten Klassikern noch genügend, aus denen man wählen kann.
Wenn ich ehrlich bin, wusste ich von der „Evolution Years“ nicht einmal etwas...
Ja, ich weiß, es ist etwas verwirrend, wenn man in verschiedenen Ländern auf so vielen verschiedenen Labels veröffentlicht, das macht es für uns und unsere Fans etwas schwierig, das stimmt. „Evolution Years“ spannt sich von den frühen Songs bis zu den neuen Sachen und ist meine ganz persönliche Best-of Zusammenstellung.
Also auch unter Barclay James Harvest featuring Les Holroyd? Das ist ja das nächste verwirrende, oder?
Ja, das stimmt. Allerdings, so weit ich weiß, macht John nichts mehr unter dem Namen, insofern scheinen wir mittlerweile die einzigen zu sein, die etwas unter dem Namen BJH machen.
Dann kannst Du Dir die „featuring“-Sache ja sparen.
Ja, auch das ist nicht ganz so einfach. Das hat nämlich weniger mit meinem Ego, als viel mehr mit rechtlichen Gründen zu tun. Momentan werden wir darauf nicht verzichten zu könne. Aber wir arbeiten daran, diese Dinge klarer zu stellen, es gibt eine neue Website, und wir versuchen, die Verwirrung aufzulösen.
Für Dich waren BJH also eine sich immer weiterentwickelnde Band?
Absolut! Das muss man machen, sonst wird man ganz schnell eine Oldieband. Und wir haben weit mehr als das zu geben, wir haben großartige Musiker, wir haben neue Ideen und wollen neue Sachen ausprobieren.
Gab es denn so große musikalische Unterschiede zwischen den beiden BJH-Ablegern einerseits und den alten und den jetzigen BJH andererseits?
Gar nicht mal so sehr, wenn man die Konzerte betrachtet, einfach weil ich so lange für die Hälfte des Materials verantwortlich war, du die Alben arrangiert und produziert habe, von daher werden immer ganz entscheidende Elemente von BJH einfach da sein. Und es ist ja auch nicht so, dass wir uns radikal verändern würden, wir versuchen immer noch, den BJH-Sound zu bewahren.
Was waren die Gründe für den Split?
Nun, solche Sachen passieren. Zunächst wollte John ja sein eigenes Ding durchziehen und hat die Band verlassen. Es gab einfach musikalische Differenzen insofern, dass John in der Vergangenheit bleiben wollte, und die alten Sachen immer und immer wieder spielen. Wir wollten uns weiterentwickeln, also entschieden wir uns, getrennte Wege zu gehen.
Und nun, da es John´s Ableger nicht mehr gibt, siehst Du bessere Chancen, zu zeigen, dass sich BJH weiterentwickelt haben?
Ich denke, man muss diese Band einfach einmal live gesehen haben, dann wird man sehr schnell sehen, dass es sich gelohnt hat, weiter zu gehen.
Ich habe John´s BJH auf der 2000er Tournee gesehen, und meine Frau nannte es ´gepflegte Langeweile´ - was wäre Deine Antwort auf eine solche Bemerkung?
Nun, es ging um John´s Band, und ich könnte da nicht einmal so widersprechen (lacht). Wie gesagt, man kann die alten Sachen nicht ewig einfach weiter spielen. Ich kann nur sagen, dass unsere Band aufregender ist (lacht).
Gab es die John Lees & Wolly Wolstenholme gegen Les Holroyd & Mel Pritchard-Einstellung?
Nun, ich glaube, man hat es eine Weile so gesehen. Und es gibt auch eine Story dahinter, aber ich glaube nicht, dass man diese alten Konflikte wieder aufleben lassen sollte. Es hat eine Menge mit Geschäftlichem zu tun, aber ich habe das nie so gesehen, und habe mich auch nie für diese Art von Konflikt interessiert. Mir ging es um unsere Musik.
Nun, nach dem Tod von Mel wird die Zukunft eh ohne ihn weitergehen müssen. Was ändert das für Dich?
Nun, wir werden nicht mehr mit 2 Drumsets spielen, wir werden Mel natürlich nicht ersetzen. Für das nächste Album werde ich wohl der Haupt-Songwriter werden, aber die anderen werden ebenfalls Ideen mit einbringen.
Chris Squire von Yes sagte mir, dass seine Band eh schon immer die beste in der Welt war – was hält Dich bei der Stange?
Ich liebe es, live zu spielen. So lange, wie die Leute zu unseren Shows kommen, und auch immer wieder junge Leute neu dazu kommen, werden wir das weiter machen.
Ihr wurdet lange als Progressivrockband gehandelt, bzw. Eure Plattenfirma nennt Euch heute noch so... ist es das?
Ich denke schon, wir sind jedenfalls keine Popband mehr. Wir hatten ja einige Charts-Hits, aber so etwas darf auch passieren, ohne dass man sich Trends anbiedert. Wir hatten einfach zur richtigen Zeit die richtige Publicity.
Trotzdem gab es Soundexperimente vor allem in den frühen 70ern nur, oder?
Ja, aber wie gesagt, wir haben immer versucht, unsere typischen Trademarks zu bewahren. Und gleichzeitig versuchen wir, uns weiterzuentwickeln – also sind wir auch progressiv, oder?
Nee, das ist mir zu einfach. Dann müsste man ja jede neue Strömung in der Rockmusik Progressivrock nennen.
Na gut, dann nenn´ es Symphonic Rock, damit kann ich auch gut leben.
Hast Du eigentlich eine Erklärung dafür, dass Ihr in Deutschland so überaus erfolgreich seid, so überproportional mehr als in anderen Ländern?
Nein, und ich werde das oft gefragt, aber niemand konnte mir je eine gute Erklärung dafür geben. Was ich weiß ist, dass wir zur entscheidenden Zeit sehr aktiv auf Tour waren, das war sicherlich ein Grund. Aber ansonsten scheint es irgend etwas in unserer Musik zu geben, dass der Mentalität der Deutschen besonders gefällt, etwas unerklärliches, was ihrer Psyche etwas gibt. Ich habe keine Ahnung, ich denke, wir hatten einfach Glück. Aber wir fühlen uns in Deutschland auch sehr wohl
Die DVD wurde ich Deutschland aufgenommen – deswegen?
Ja, natürlich. Wir haben schon viele Konzerte in Deutschland aufgenommen, und jetzt wollten wir auch endlich mal wieder etwas veröffentlichen. Und dafür gibt es in Deutschland beste technische Voraussetzungen, also warum nicht.
Am Anfang der Beginn begrüßt Du sogar das Publikum in Leipzig!
Ja, das war unser Tourstart, glaube ich. Und so sind wir ein bisschen quer durch unseren Tourplan gegangen. Wir starten gerne in den neuen Bundesländern, einfach weil wir in Berlin unsere bisher größten Erfolge feiern konnten. Und die Setlist ist die von dieser Tour, insofern bekommen die Fans der 2002-Herbsttour einen repräsentativen Mitschnitt.
Allerdings auch nicht viel mehr, oder? Für die erste Veröffentlichung die speziell als DVD geplant war, hätte man auch noch ein paar Extras hinzufügen können, oder?
Nein, wir wollten unser Konzert festhalten und wir wollten den Fans zeigen, wer in der Band heute ist, und was mit der band inzwischen passiert ist.
Die DVD beginnt mit dem Song „It´s my Life“ – ist das autobiografisch?
Könnte man so sehen, ja. Irgendwie schon, obwohl ich gar nicht so sehr viel dazu sagen will. Man muss nicht jeden meiner Songs auf die Goldwaage legen.
Und seit wann spielt ihr „Life is for Living“ in deutsch?
Hmm, wir hatten es zunächst mal unplugged ausprobiert – und das kam so gut an, dass wir es seit dem immer gerne mal machen. Die Übersetzung ist zwar nicht 1:1, aber es kam mir darauf an, dass der Song gut klingt.
Sprichst Du deutsch?
Ich sollte mittlerweile, so oft wie ich hier war (lacht). Aber sehr viel ist es nicht. Ich kann mich verständigen, wenn ich muss. Sehr flüssig ist das jedenfalls nicht, aber ich kann mich ein wenig unterhalten.