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Wirtz: Das ist der Traum eines Musikers!

Interview 2015.                                                 Ein früheres Interview mit Daniel Wirtz gibt es hier!

                         Einen Artikel - ursprünglich erschienen im Melodie & Rhythmus - über sein Solodebüt 2009 gibt's hier.

Bremen. Und plötzlich ist er wieder in aller Munde: VOX sei Dank steht Daniel Wirtz wieder im Spotlight. „Wieder“, weil ihm das als ex-Sub7even-Frontmann natürlich nicht ganz neu ist. Mit der Band hatte er gleich im ersten Jahr das volle Programm: Majordeal, Megahit, große Produktionen – in Zeiten des funktionierenden Musikbusiness brachte das schon einige Annehmlichkeiten mit sich. Sub7even schienen damit überfordert, zerfielen, Wirtz machte solo weiter. Mit dann deutschen Texten, deutlich schlankerem Aufwand und kleinerer Aufmerksamkeit. Aber mit fantastischen Alben, nicht zuletzt dank großartiger Texte. Mit seinem 5. Album „Auf die Plätze, fertig, los“ kommt er am Freitag, 11. September ins Aladin.

 

 

Hallo Daniel, zurück im Geschäft?

Sagen alle so, ne?

Sagst du nicht?

Weiß ich nicht, mein Arbeitstag war vorher auch schon lang und, ja gut, er ist nicht kürzer geworden. Aber das fühlt sich schon sehr gut an, sehr gesund, was mich sehr freut.

 

Die Zahl der Interviews dürfte schon größer geworden sein, oder?
Ja, aber das wollte ich ja auch. Darauf arbeitet man ja die ganze Zeit hin.

 

Realistisch gesehen ist doch das Ziel eines jeden Künstlers, so viele Ohren wie möglich zu erreichen, oder?
Das stimmt wohl. Ich meine, ich denke ja auch, dass ich ja nur Hits schreibe. Ich bin nur nicht der klassische Hitsingle-Typ, bei mir geht es eher um das Album. und natürlich ist es schön, wenn der Club voll ist.

 

Wobei die Clubs auch bei der letzten Tour schon voll waren – im Nachschlag auch die Oldenburger Kulturetage, zB.

Das stimmt, und der logische nächste Schritt wäre jetzt ohnehin gewesen, auch die Clubs eine Stufe größer zu wählen. Das scheint jetzt noch einen Tick leichter zu sein: Man hat schon gemerkt, dass sich nach der Sendung, in der ich dran war, die Zahl der Ticketverkäufe nach oben gegangen ist.

 

Ich erinnere mich, Gregor Meyle vor der ersten Staffel 3x gesehen zu haben vor jeweils ca. 30 Leuten – nach der Staffel war das Konzert in Oldenburg monatevorher ausverkauft!

Gregor hat natürlich auch noch einen sehr viel kompatibleren Sound, und ich habe deswegen auch mich für die Sendung nicht groß verbogen, um eben keine Leute auf die falsche Fährte zu locken. Die Rock-affinen Leute, die die Sendung sehen, habe ich jetzt hinter mir, und die fügen sich auch nahtlos in mein Publikum ein, für alle anderen wäre es wahrscheinlich ein Kulturschock gewesen.

 

Prinzipiell ist das ja auch nicht neu für dich. Mit Sub7even warst Du schon einmal ziemlich weit oben!

Ja, das stimmt, aber diese Erfahrung hat für mich dazu beigetragen, darauf nicht mehr hinzuarbeiten. Dass die Leute nur wegen des einen Hits kommen, und sich den Rest der Zeit in der Nase bohren, ist natürlich für Künstler wenig befriedigend. Da habe ich ein Publikum lieber, bei dem ich jederzeit aufhören kann zu singen, und der Rest des Ladens macht weiter. Das ist der Traum eines Musikers!

 

Und das hat dich auch immer bestärkt, über deine ersten drei Soloalben deinen Stiefel so durchzuziehen?

Ich habe schon immer ein sehr breit gefächertes Publikum gehabt – vom 20- bis 70jährigen, vom Punker über den Tätowierten bis zum Lehrer und Politiker, das ist schon eine sehr gute Mischung. Und der zweite Garant war immer, dass wenn man zehn Leuten das Album gab, haben es sieben Leute abgefeiert – das waren zwei Komponenten, die mir immer gezeigt haben, dass es noch Luft nach oben gibt, sprich, wenn man das auf eine größere Bühne stellt, dass es noch Potenzial gibt. Natürlich gibt es immer Leute, die sagen, wie sieht der denn aus, oder verzerrte Gitarren sind überhaupt nicht meins, aber n netter Typ, das wusste ich auch, aber es gibt eben noch eine Menge Leute, an denen es einfach noch vorbei gegangen ist. Und das ist eben die Chance, die man hat im Fernsehen.

 

Inwieweit hat dein Unplugged Projekt das Ganze schon eingeleitet?
Das war ja eigentlich ein Wunsch, der von den Leuten, die bei mir schon länger mit dabei sind, immer wieder mal so vorgetragen wurde, das mal in Angriff zu nehmen. Dass das mal eine Vorlage für die anderen in der Show werden könnte, bei denen man sich abkucken kann, wie diese Songs klingen können, wenn man sie auf andere Instrumente herunterbricht, war natürlich überhaupt nicht der Plan.

Für mich war das eine unglaublich schöne Tour und eine tolle Sache, und das Album klingt wie Hölle und für jeden, der ein bisschen Textaffin ist, auch die Gelegenheit, sich darauf noch mehr zu konzentrieren, weil die natürlich noch besser zur Geltung kommen, als wenn man gegen Gitarren und Schlagzeug anschreien muss. Es waren echt unglaublich schöne Konzerte. Gedacht war eigentlich mal, mit der Westerngitarre loszuziehen, aber dass es dann mit Cello und Piano endet, war fast überraschend auch für mich.

 

Mit „eingeleitet“ meinte ich auch, dass du dich damit ja einem Publikum geöffnet, dem deine Gitarren vielleicht auch zu heftig waren.

Ja, aber es hat ja keiner mitgekriegt. Die Leute, die bei den Konzerten waren, waren die alten Fans. Vielleicht 5-10% andere, aber ansonsten war der einzige Unterschied, dass wir uns alle mal ein hübsches Hemd angezogen haben und bei den Konzerten gesessen haben. Aber gerade nach dieser Sendung kann es natürlich praktisch sein, so etwas im Repertoire zu haben, weil da eben jeder bedenkenlos zugreifen kann, ohne Angst vor den Gitarren haben zu müssen.

 

Oder aber das neue Album! Denn auch das erscheint mir etwas gemäßigter, oder?

Weniger Brett, ja. Die „Akustik Voodoo“ war ja schon sehr dunkel und Alice in Chains-mäßig gerockt, und mein Ziel war, mal wieder zum klassischen Songwriting zurückzukehren und ein paar mehr Klangfarben mit reinzubringen, anstatt nur auf einem Ton zu schreiben. Das war aber auch Das Einzige, was ich mir auf die Fahne geschrieben hatte, bevor es ins Studio ging. Ansonsten hatte ich immer das Gefühl, ich mache immer das Gleiche, am Ende klingt es nur anders und kann das aber gar nicht so erklären. Jedes Album ist eine Momentaufnahme der Zeit, ob und warum das anders klingt, weiß ich nicht.

 

Du würdest es also nicht mit Entwicklung, Alter oder vielleicht… Familiensituation erklären wollen?

Ich schreib einfach alles rein und ich kann ja immer nur die Wut aufnehmen, die ich habe. Und ja, vielleicht hat auch mein Vaterwerden etwas mehr Ruhe und Entkrampfung reingebracht oder hier und da auch mal Fünfe gerade sein lassen. Aber das ist keine bewusste Entwicklung. Gut „Freitagabend“ oder „Ich weiß es nicht“ sind schon leichtere Kost, aber davon hatte ich auch in der Vergangenheit schon Beispiele.

 

Geblieben sind die Texte. Dein Markenzeichen?

Ja. Ich renn ja mit offenen Augen durch die Welt, und das meiste was man sieht bringt halt Frust. (lacht)

 

Mein Lieblingszitat aus einem früheren Gespräch mit Dir war, „deutsche Texte zu schreiben ist wie nackt U-Bahn fahren“. Ist das immer noch so extrem für dich?

Ja, es ist immer noch sehr speziell, v.a. wenn man vor fremde Menschen tritt. Nach acht Jahren wissen wir ja mittlerweile, wer vor unserer Bühne steht, da ist es dann eher wie ein Treffen anonymer Alkoholiker, man weiß ja, wem man etwas sagt. aber bei Naidoo im Vorprogramm ist das eine andere Situation. Und um die Dinge gleich klarzustellen starte ich mit „Ne Weile her“, weil ich denen auch die Chance geben will, von vorne anzufangen, damit auch relativ schnell klar ist, wenn ihr das mögt, dann seid ihr bei mir richtig. Und dann auf einem sonnigen Platz zu stehen und zu singen, „ich hab gefickt ich hab betrogen“, dann ist das immer noch wie nackt U-Bahn zu fahren.

 

„Ich weiß es nicht“ hat Stones-Feeling…

Ja, das Zitat hab ich dann auch extra mit reingebracht, als ich merkte, dass es passt – naja und thematisch passt es ja ohnehin auch. Der Moment, in dem ein gehörnter Transsexueller mich auseinander nimmt, hat es ja auch etwas teuflisches… also „Sympathy for the Devil“!

 

Gibt es Songs, die nicht persönlich sind?
Nee. Ich kann gar nicht schreiben, wenn mich das nicht betrifft. Irgendwelche theoretischen Sachen aufzustellen, ist gar nicht so meins.

 

Das jetzt aber dann dazu zu sagen, ist aber noch eine Stufe mehr, oder? Also man hätte ja jetzt auch vorgeben können, dass es dich nicht unbedingt persönlich betrifft…

Klar treibe ich es manchmal etwas auf die Spitze, wenn ich es in einen Text verpacke, aber am Ende hat der, der meine Platten hört, schon ein ganz gutes Bild von mir. Wäre ml interessant, wenn ein Psychologe es in die Hand kriegte und mir vielleicht noch ein paar Dinge erklären könnte.

 

Aha, die Aufarbeitung des Ganzen?

Eigentlich versuche ich das ja selber, aber es wäre ja interessant, was ein Psychologe dazu sagen würde. Ich weiß, was meine Eltern dazu sagen und was meine Freunde dazu sagen, aber ein außenstehender Fachmann hat dann ja vielleicht auch noch einen anderen Blick darauf.

 

Gab es mal Kommentare zu deinen Tattoos?

Nee, nicht wirklich. Es gab mal den Moment in der Sendung, als es um mich ging und ich auf der Couch plötzlich alle meine Tattoos sehen wollten, aber das war v.a. für mich dann eher eine Fremdschäm-Situation, weil dann erwachsene Menschen plötzlich an meinem T-Shirt rumzuziehen begannen – macht ja bei Yvonne auch niemand. Aber nachdem mittlerweile auch die Fußballer so aussehen, ist es ja in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

 

Heute ist es eher cool, keine Tattoos zu haben, oder? Hat es dir schon mal Leid getan?

Nein, das noch nicht. Für mich war es damals ein Ausdruck meiner Person und Persönlichkeit, aber wie du schon sagst, heute würde ich wohl auch lieber keins haben. Meinem Son würde ich jetzt auch eher raten, zu warten, bis er 20 ist. Danach kann er machen, was er will. Aber wahrscheinlich wird es am Ende so sein, dass ich ihm zum 20. einen Gutschein schenke und er mir sagt, „Papa, ich will gar keins!“ Also heißt das für ihn: Vorstand Deutsche Band. (lacht)