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Mit Tipps vom Profi
Mit seinem Label
Goldene Zeiten hat sich ex-Toten Hosen Drummer Wölli weiter in der Musikszene
etabliert
Das war 1999, Wölli war 49 und damit viel zu jung für den
Ruhestand. „Ich hab mir gesagt, ich mach seit 40 Jahren Musik,
ich kann und will gar nichts anderes machen. Also hab ich angefangen,
jungen Bands meine Hilfe anzubieten.“ Anfangs noch aus reiner
Freundschaft, dann mit der Idee, sie auch tatkräftig zu
unterstützen: Am 23.10.2001 fand das erste Rock am
Turm-Newcomerfestival in Meerbusch statt, für viele der
auftretenden Bands die erste Gelegenheit, auf großer Bühne
mit großer PA und vor rund 1000 Zuschauern einen professionellen
Auftritt zu erleben. „Und so kam dann eins zu anderen“,
erinnert sich Wölli. „Der nächste Schritt war der
Tralala Musikverlag, mit dem ich dann mit zunächst vier Bands
richtig fest zusammengearbeitet habe.“ Erste Vermittlungen Bands
an Indie-Plattenfirmen in Köln und Nürnberg schienen
erfolgreich – „aber was da passiert ist, war wirklich ganz
schwach! Und da hab ich mir gesagt, das kann ich besser! Es scheint,
dass manche Label einfach nur viele Bands um sich versammeln und dann
passiert nichts weiter, weder persönliches noch finanzielles
Engagement, da war ich ziemlich enttäuscht. Also hab ich eben auch
noch das Label gegründet.“ Goldene Zeiten brachen also an
– und in See. „Mein erster Plan war, anstatt einfach mal
ein Album zu raus zu bringen, und dann nach ein paar Monaten wieder mal
eins, und keiner kriegt’s richtig mit, anfangs gleich vier Alben
gleichzeitig zu veröffentlichen, damit Goldene Zeiten auch gleich
in aller Munde war. Meerbusch sollte sich gleich als Ort für gute
Bands auf der musikalischen Landkarte etablieren. Und das hat auch ganz
gut hingehauen. Aber um dann in diesem Stil weiter zu machen, fehlten
einfach die finanziellen Mittel – wie bei allen Labels“,
ärgert sich Wölli über den längst eingetretenen
Verkaufsnotstand was die Albumverkäufe nicht nur in Deutschland
angeht.
Die rekrutierten Bands waren schnell gefunden – gab es doch
genügend Anschauungsmaterial bei den organisierten Festivals.
„Im Endeffekt sind alle Bands zu mir gekommen, ich hab da nicht
groß geworben“, winkt der geborene Kieler mit breitem,
norddeutschen Akzent ab. „Und ich brauchte auch keine
Märchen zu erzählen. Wir haben gemeinsam diskutiert und
überlegt, was möglich ist, was ich machen kann und was die
Jungs vorhaben.“
Und trotz der eigenen musikalischen Wurzeln im Punk ist das Spektrum
seiner neun Schützlinge durchaus breiter gestreut. Während
Planlos, Massendefekt und TV Smith zwar das Old-School-Punk Genre
bedienen, haben sich Age Of Orange der moderneren, mehr
Pop-orientierten Variante verschrieben, spielen sfh Ska-Punk und
Capricorn und P:lot eher Deutschrock/New Pop. Richtig spannend wird es
musikalisch auch bei den Alternative-Rock-Bands Cho-Jin und Stigma
– die, wie die meisten der Bands auf dem Goldene Zeiten Label
v.a. durch ihren deutschen Gesang so einzigartig werden.
„Musikalisch ist Eigenständigkeit das wichtigste für
mich“, stellt Wölli seine Bedingungen an seine Bands klar.
„Ich brauche mündige Bands mit einem eigenen Sound, keine
Bands, die so ähnlich sein wollen wie ihre Vorbilder. Ich bin auch
der Meinung, dass wir in Deutschland mittlerweile eine Soundvielfalt
haben, die sich vor Amerika nicht verstecken muss.“
Dass er sich damit zwar auf den deutschen Markt beschränkt, ist
ihm durchaus bewusst, stört ihn aber nicht. Zumal die
jüngsten Versuche mit einem sehr viel versprechenden Kontakt in
den USA außer Arbeit und viel Zeitverschwendung nichts gebracht
haben. „Da haben wir ein halbes Jahr sehr intensiv dran
gearbeitet, Stigma und Cho-Jin hatten ihre Alben bereits auf Englisch
neu eingespielt – und dann ist die Seifenblase doch
zerplatzt“, erzählt Wölli enttäuscht. „Jetzt
bin ich natürlich das gebrannte Kind, das erstmal vorsichtig ist,
die Fühler in diese Richtung auszustrecken.“
Die Misere ist auch ein Grund, weshalb es mit dem 2. Album von
Capricorn in diesem Jahr auch lediglich eine einzige
Veröffentlichung auf Goldene Zeiten gab. Weitere kündigen
sich für Anfang 2008 an. „Da haben wir alle sehr viel Zeit
verloren, sonst mache ich mindestens 3 bis 4 Veröffentlichungen im
Jahr. Aber ich kann trotzdem stolz sein, in zwei Jahren über 10
Alben mit Newcomerbands gemacht zu haben – das ist mehr als
einige Major Companys im gleichen Zeitraum“, ist sich Wölli
seinen Verdiensten um den deutschen Nachwuchs sicher. Natürlich
ist das auch ein finanzielles Problem, denn Aufbauarbeit kostet Zeit.
„Mir ist durchaus bewusst, dass das alles noch etwas dauern kann.
Aber ich bin nicht unzufrieden und ich habe auch die Geduld, darauf zu
warten, dass es mit den Bands losgeht. Ich binde meine Bands nicht an
irgendwelche Quoten, wegen zu geringer Verkaufszahlen setze ich keinen
vor die Tür. Da muss man einfach penetrieren – das war
früher mit den Hosen auch nicht anders. Da hat es auch Jahre
gedauert, bis wir gehört wurde. Wir haben einfach immer weiter
gemacht, überall gespielt – und irgendwann kamen die nicht
mehr an uns vorbei. Der Weg für eine Rockband geht auch heute noch
in erster Linie über die Bühne, und deshalb weiß ich,
dass das auch noch klappen wird.“
Und wenn das alles nicht reichen sollte, hat er für Mitte 2008
Ausnahmsweise ein 10. Bandprojekt geplant (ansonsten sind mit seinem
1-Mann-Betrieb mehr als 9 Bands nämlich nicht zu schaffen, da
müssen leider alle regelmäßig eintreffenden Bewerbungen
abgeschmettert werden). Denn neben dem regelmäßigen Kontakt
zu seinen alten Bandkollegen will auch Wölli wieder selbst aktiv
werden: „Gemeinsam mit Vom plane ich gerade ein neues
musikalisches Projekt – also der alte und der neue Hosen Drummer
zusammen, Vom spielt Schlagzeug, ich singe.“ Arbeitstitel: Too
Drunken Drummers und das Goldene Zeiten Orchestra, für das
Wölli mit allen Bands auf seinem Label zusammen arbeitet. Eine
Veröffentlichung ist allerdings erst für den 8.8.08
geplant…