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„19-96-06-2-dreiheiheizehn“…
so ungefähr könnte man in Anlehnung an ihren größten Hit die wichtigsten
Eckdaten der Bandbiografie vertonen. Nach ihrer Gründung 1996 war es vor allem
das WM-Jahr 2006, in dem ihr Name und ihr(e) Song(s) in aller Munde war(en).
Danach war es zwischenzeitlich fast ruhig geworden, bis sie in diesem Jahr mit
einem Paukenschlag zurückkehrten. „Applaus, Applaus“ gab es nicht nur von den
Fans sondern auch von den Radiostationen, die die Münchener als neue deutsche
Größe präsentierten. Ihre Deutschlandtournee im November ist entsprechend
nachgefragt: Die meisten Konzerte sind bereits ausverkauft! Ich sprach mit Bassist Rüdiger „Rüde“ Linhof.
Das neue Album hat
etwas länger gedauert als man von euren bisherigen Pausen gewöhnt war…
Ja, wir hatten einfach Lust, uns ein bisschen
zurückzuziehen und zu schauen, worauf jeder einzelne für sich Lust hat. Flo hat
ein Buch geschrieben, ich hab nebenbei ne HipHop-Platte gemacht und Pete hat
sich einfach mal entspannt. Und wir alle haben geschaut, woher wir neue Ideen
kriegen. Aber die Pause erschien eigentlich auch länger, als sie eigentlich
war. 2010 waren wir ja mit dem Unplugged Album unterwegs und die Pause war nur
2011, 2012 haben wir schon wieder mit den neuen Songs angefangen – das dauert
auch alles seine Zeit.
Albumproduktion
heißt für euch also konkret Rückzug, um daran arbeiten zu können?
Das war jetzt zum ersten Mal für uns so, dass wir uns
wirklich dafür treffen konnten und nicht nebenbei Auftritte oder Setlists oder
anderes besprechen mussten. Ich meine, wir haben uns ja sporadisch immer mal
gesehen, aber dann haben wir uns halt auch wirklich ans neue Album gesetzt und nur
wenig nebenbei gemacht. Ein paar kleine Konzerte wohl, um die neuen Lieder auch
auszuprobieren, aber nichts Großes, keine große Vorbereitung.
Und geschadet
scheint euch die Auszeit nicht zu haben, so herzlich, wie ihr allerorten
aufgenommen wurdet…
Im Prinzip ist vor jedem Album ja wieder alles offen.
Natürlich ist unser Name jetzt schon so bekannt, dass sich die Redakteure den
Song zumindest anhören, aber letztendlich muss es schon die Single sein, die
überzeugt und die den Hörern auch gefällt. Die entscheiden ja heute auch schon
mit. Aber es stimmt schon, man beackert da kein ganz unvorbereitetes Feld.
Muss man so ein
´standing` haben, um einen solchen Hiterfolg zu landen?
Ja, das macht es einem schon sehr viel leichter. Aber wie
gesagt, das ist auch noch kein Freibrief.
Aber musikalisch
hätte der Song auch vor 5 Jahren erscheinen können, oder?
Das stimmt, ja. Und wir freuen uns ja auch, dass wir so gut angekommen sind und
dass die Band unter einem so guten Stern zu stehen scheint. Gerade nach so
einer Pause ist ein neues Album ja auch wieder ein kleiner Neuanfang.
Siehst du den auch
musikalisch?
Das Unplugged Album war schon eine Art Zäsur – durch die neuen Erfahrungen, die
wir damit gemacht haben, genauso wie durch die Stellung in der Bandbiografie.
So ein Live-Album ist ja immer auch ein Abschluss einer Phase. Aber die Art,
wie wir uns eben auch auf neue Art mit den alten Songs beschäftigt haben, hat
eben auch die Herangehensweise für das neue Album beeinflusst und verändert.
Und das merkt man schon auch am Sound. Letztlich hat man seinen Stil und es freut
uns ja auch dass man uns als Sportfreunde erkennt, aber ich denke schon, dass
wir uns innerhalb unserer eigenen Grenzen auch entwickeln können.
Ob man das jetzt
labeln will oder nicht, aber ich hatte Euch früher eher im IndieRock gesehen,
heute seid ihr schon eher Mainstream-Pop, oder?
Ich weiß nicht, wie man’s nennen soll. Es ist halt nicht
Punk und auch nicht immer Rock, aber ich find‘s auch einfach schön, dass wir
unseren Sound gar nicht mehr erklären müssen. Das erleichtert wunderbar. Wir
müssen uns gar nicht mehr überlegen, was wir jetzt dieses Mal machen sollen,
wir machen einfach, was wir am besten finden, und irgendwie klingt’s nach den
Sportfreunden. Ich meine, diese Findungsphasen macht ja jeder Mensch und jede
Band durch, aber es ist auch schön, wenn man da nicht mehr durch muss.
Gleichzeitig ist
es ja auch in jeder Kunst –und damit auch eben in der Musik – kein Fehler, sich
weiter zu entwickeln…
Ja, aber es ist auch ein schöner Zustand, das anzunehmen,
dass sich das Leben entwickelt, dass man sich selber in seinem Ausdruck
entwickeln kann und darf, sonst bleibt man ja irgendwo stehen und blockiert
sich. Aber das ist eben auch schon die Art zu kommunizieren und sich mit Themen
auseinanderzusetzen, wie wach man durch den Alltag geht und sich inspirieren lässt.
Und wenn man in einer Band spielt und ein künstlerisches Mittel hat, sich
auszudrücken, dann ist das halt toll, das so zusammenzuführen und sich zu
verändern.
Mit welcher
Intention geht ihr denn an eure Musik, wie viel ist davon seriös, wie viel ist
Spaß? Oder anders: Wie ernst nehmt ihr euch und die Musik?
Die Musik ist da eine Art Spiegel von uns. Ich – und wir – haben verschiedene
Seiten. Ich bin oft ernst und brauche auch die Ruhe, mich mit Dingen zu
beschäftigen, und manchmal brauche ich’s auch, einfach primitiv mit Freunden
abgehen zu können, da bin ich oft eben einfach auch nur ein lebensfroher,
lustiger Mensch.
Und diese zwei Seiten willst Du auch in der
Musik unterbringen?
Klar, sonst gäbe es ein Lied wie „Festungen & Burgen“ auf der neuen Platte
nicht, genauso wie „Unter unten“ nicht. Uns war es immer wichtig, dass die
Stimmungen auf der Platte da auch in der Waage sind, sowohl musikalisch, als
auch textlich. Das beginnt mit „Eine Hymne auf Dich“, auf der wir davon reden,
dass man immer auch der Suche nach Neuem ist und ganz vergisst, dass man auch
einfach mal zufrieden sein kann mit dem, was man schon hat. Wir wollen uns da
auch gar nicht auf einen Themenbereich reduzieren.
Apropos reduzieren: Ihr habt früher oft
unter anderem Namen gespielt – macht ihr das immer noch?
Klar, das wird
immer passieren. Komisch eigentlich, dass wir das dieses Jahr noch nicht
gemacht haben. Z.B. als wir letztes Jahr solche kleinen Gigs gespielt haben.
Aber letztes Jahr waren wir ansonsten auch vor allem im Ausland, wo uns eh
keiner kennt – wenn wir da noch unter falschem Namen spielen, wird’s schon
haarig.
Aber wie kriegen das die Fans denn immer mit
– streut ihr heimlich selbst Hinweise? Das sind ja teilweise so abgefahrene
Namen, da kommt man doch nicht einfach drauf.
Tja, irgendwie
kriegen die das immer mit. Oft ist es dann ja auch so verpackt oder
kommuniziert, dass sich die Fans einen eigenen Reim bilden. Aber mit Namen wie
die „Travelling Wilburlis“ auf dem Highfield Festival konnten dann
offensichtlich doch nicht so viele etwas anfangen. Dann ist es für uns
superspannend zu beobachten, wie schnell sich die Sache herumspricht und sich
der Platz dann füllt, während wir spielen, das ist ein super Gefühl. Das ist
die Lust an der Überraschung. Viel mehr Gedanken machen wir uns darüber gar
nicht.
Ungewöhnlich ist
ja auch eure Verbindung von Musik und Fußball, oder?
Naja, das ging halt schon los mit der Gründung. Der Name kam ja schon vom
Fußball und Pete und Flo sind einfach unglaubliche Fußball-Nerds, angefüllt mit
völlig unnötigem Nischenwissen über Fußball aus den letzten 35 Jahren – das
kann einem schon unheimlich werden.
Umso
ungewöhnlicher, dass die Experten Bayern und 1860-Fans sind, oder? Das ist ja
wie St. Pauli und HSV, das passt doch eigentlich gar nicht, oder?
Nun, da Parallelen zwischen St. Pauli und 1860 zu ziehen
ist natürlich äußerst schmeichelhaft für 1860, ich glaube es ist schon
wesentlich leichter, Pauli-Fan zu sein. Am Anfang war das schon ein Weg, an
Interviews zu kommen, weil viele diese Kombination interessant fanden und weil
Pete und Flo sich auch sehr unterhaltsam darüber auslassen können, aber
mittlerweile ist das auch gar nicht mehr so extrem. Dann kam natürlich noch
dieses Lied 2006, dessen Refrain ihm beim Fußball kucken nebenbei eingefallen
war und das war dann der Höhepunkt, aber danach war’s das auch.
Der soll also
nicht noch einmal umbenannt werden?
Nee, die Umbenennung in „2010“ hatten wir 2006 ja schon gemacht und auf diverse
Server zum kostenlosen Download gestellt, das war einfach nochmal ein Witz,
aber wie gesagt, der ist jetzt auch alt und vorbei. Und da müssen wir auch für
die neue WM kein neues Lied schreiben. Wir werden nächstes Jahr einfach
entspannt Zuschauer sein. Wir sind ja auch eigentlich Musiker und super
glücklich, dass dieser Zivi- und Studenten-Traum so Wirklichkeit geworden ist
und wir nach 17 Jahren immer noch dabei sind und in diesem Leben zuhause.
Oder eben auch auf
Tournee… wird es mit jedem neuen Album leichter oder schwerer, die Setlist
zusammen zu stellen?
Vor allem spannender. Es geht ja immer um eine Dynamik
aus alt und neu. Wir spielen meist so 20, 22 Lieder, davon 8 neue und der Rest
ist eben eine Mischung aus den alten. „Kompliment“ z.B., bei dem es wirklich
Spaß macht, dieses Gefühl wiederzuerleben, das man gespürt hat, als wir es
geschrieben haben und es zuerst aufgeführt haben. Und andere Songs lassen wir
dann einfach mal weg und spielen sie beim nächsten Mal und entdecken sie dann
auch für uns wieder neu.
Kann man das bei jedem Konzert fühlen?
Ganz oft, ja. Klar,
manchmal ist man irgendwie abgelenkt und nicht in jedem Moment voll auf den
Inhalt des Songs konzentriert, aber meistens ist das so.
Welche Songs dürfen gar nicht fehlen?
„Wunderbaren
Jahren“ wird immer gespielt, weil es unser erstes Lied war – und weil diese Rückschau
aufs Leben, auf die Jugend und auf dieses Gefühl der Jugend, mit bangem Blick
nach vorne oder auch zurück zu schauen, auch immer noch zutrifft. Das spiele
ich immer wieder gern!