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Selig: Noch viel Platz in der Biografie

Interview 2013. Ein älteres Interview mit Selig (2010) gibt es HIER!

Bremen. Sie galten als die Erneuerer des (deutschen) Rock, flogen nach ihrem 1994er Debütalbum ganz hoch – und stürzten nach der dritten CD tief: Bandauflösung 1999, kompletter Kommunikationszusammenbruch, 10 Jahre Sendepause. Wer nun dachte, sie würden in der Neuauflage alten Erfolgen hinterherrennen (müssen), hat das neue Album noch nicht gehört! „Magma“ ist der ganz große Wurf, der alles, was seit dem Debüt erschienen ist, übertrifft. Selig geben sich gereift und gewachsen, entspannt und abgeklärt – und dieser Eindruck des Albums bestätigt sich auch im Interview mit Drummer Stoppel (Stephan Eggert) zu ihrem Konzert am Freitag, 5. April live im Aladin.

 

Wir hatten uns beim letzten Treffen noch über Zinoba unterhalten – über die Du mir sagtest, es gäbe ein fertiges Album, das leider noch nicht veröffentlicht wurde, das ihr aber über die Homepage zugänglich machen wolltet… und dann überholten Euch die Ereignisse mit Selig.

Das stimmt, das Album hat’s bis heute nicht geschafft, dabei war das so ein schönes Album. Aber ich fürchte, da ist auch nichts mehr mit geplant. Marco und Jan spielen ja auch zusammen in der Rio Reiser Geschichte, aber das Album, nee, ich fürchte, das musst Du abschreiben.

 

Wie ist es überhaupt wieder losgegangen mit Selig? Wann wusstest Du, dass es wieder klappen könnte?

Zunächst mal sehr lange nicht. Jan rief mich irgendwann an und meinte „Operation S“, ich komm mal eben vorbei. Und dann fragte er mich, was die anderen wohl dazu sagen würden, dass wir es nochmal probieren könnten. Ich sagte, ich wüsste nicht, ob es da Bedarf gäbe, aber wenn‘s dich interessiert, ruf sie doch an. Bevor wir diesen Groll für weitere Jahrzehnte mit uns herumtragen, kann man ja mal drüber reden, und das muss man Jan wirklich zu Gute halten, dass er da die Initiative ergriffen hat. Und es war anfangs auch ziemlich unangenehm, weil die gegenseitigen Anschuldigungen gleich wieder losgingen, und ich dachte danach wirklich, das wird nie was. Aber wir blieben über ein Jahr lang im Gespräch, bis wir endlich alle Leichen aus dem Keller gezerrt hatten und wir uns endlich wieder an die Instrumente trauten. Und was da abging, war extrem verblüffend. Wir waren sofort alle wieder drin, es hat super Spaß gemacht und es klang absolut nach Selig – und das war dann auch der Startschuss, von dem wir uns fragten, warum wir das eigentlich weggeschmissen haben, wenn wir eine solche Band hatten.

 

Und mittlerweile gibt es das dritte Album seit jenem denkwürdigen Tag!

Ja, wir sind total happy damit. Schon die Entstehung war wirklich besonders,  weil die Situation wirklich sehr unverkrampft war. Das erste Album war ein Herantasten, bei dem zweiten hatten wir uns schon wieder richtig gefunden und beim Dritten konnten wir uns wirklich alles rausnehmen und sagten uns mal Kucken, was mit uns passiert. Wir hatten noch nie vor einer Produktion so viele Songs, wie dieses Mal, konnten wirklich aus dem Vollen schöpfen bei der Auswahl und haben dann in Ruhe alle Songs ausgearbeitet, weil wir zum ersten Mal alle Songs fertig haben wollten, bevor wir ins Studio gehen. Früher haben wir uns immer gesagt, was uns noch fehlt, fällt uns schon noch ein, aber diese Arbeitsweise hat einfach für unheimlich viel Entspannung gesorgt.

Dann hatten wir ja erstmals wieder einen Produzenten, Steve Power, haben mit ihm in England aufgenommen, der uns viele Entscheidungen und andere Dinge vom Kopf abhalten konnten, das war schon sehr wertvoll.

 

An dem könnte es liegen, das dieses Album so viele potentielle „Hits“ enthält, angefangen mit „Alles auf einmal“, dem meisten Hit, den ihr je vö. habt, oder?

Weiß ich nicht, wir denken eigentlich nicht in Hitformaten. „Wir werden uns wiedersehen“ hatte uns auch schon sehr viel positives Feedback gebracht, aber das stimmt schon, dass wir jetzt auch in Radios gespielt werden, die uns sonst nicht im Programm hatten.

 

Das Debüt steht ja aus verschiedenen Gründen auf einem Extrasockel – aber ich finde, nie wart ihr so dicht dran, wie mit diesem Album.

Das ist witzig, dass du das sagst, das haben uns nämlich, warum auch immer, schon mehrere vermittelt. Steve Power ist ja Pop-Produzent (Blur, Robbie Williams), das war schon auch `ne Fahrt ins Blaue für uns – mit einem sehr schönen Ausgang, wie wir finden.

 

Wo steht denn die Band heute für Dich – wenn Du das mit früher vergleichst? Damals die jungen Freaks mit abgedrehten Konzerten… hat sich das geändert?
Klar, man wird ja auch älter. Wir waren zwar auch schon Mitte 20, aber doch noch in unserer musikalischen Pubertät. Auch wenn ich glaube, dass das live immer noch abgeht, hat sich das schon auch verändert. Gleichzeitig denke ich aber auch, wenn es auch mittlerweile fast alles auch aus deutschen Landen gibt, gibt es noch nichts wirklich, was so klingt wie Selig. Damals gab es ja plötzlich von ganz vielen Plattenfirmen den Versuch, eine deutsche Rockband mit dreckigen Texten rauszubringen, aber irgendwie ist nichts davon übriggeblieben.

 

Dem neuen Image steht ein bisschen der Titel „Magma“ gegenüber – spielt ihr da mit eurem alten Bild?

Nee, der Titel war witzigerweise vor der Musik da, als wir angefangen sind mit neuen Songs, da haben wir immer herumgealbert, wir müssen mal nach unserem Magma suchen, und irgendwie war alles danach Magma – und dann ist es so geblieben.

 

Zu Eurem Debüt hätte das ja noch besser gepasst…

Ja, ist so n bisschen Stoner-Rock-mäßig, oder? Wir hatten auch ein paar Songs, die noch Magma-mäßiger waren, aber die haben’s nicht auf die CD geschafft.

 

Bis auf den Titelsong. Und der Rest bleibt für Single-B-Seiten?
Ja, der Titelsong. Aber ich fürchte, für B-Seiten haben wir die Songs nicht genügend weiterverfolgt.

 

Die Pop-Produktion ist, abgesehen von der Instrumentierung, auch hörbar im Mix. „Zeit“ ist der einzige Song, auf dem noch `richtig was abgeht´ – aber das ist so weit in den Hintergrund gemischt, dass man schon genau hinhören muss.

Ja, das ist schon schräg, wenn man das im Vergleich hört mit der „Hier“-Platte. Da ist der Gesang extrem eingebettet in die Musik und alles andere, was auf dem Album passiert. Man versteht ihn zwar, aber er ist nur Teil des Ganzen. Auf dem neuen Album steht er dagegen ganz klar vorne und ist extra so hingestellt, dass man ihm zuhören kann. Aber das war nicht, was wir vorhatten. Steve war für uns ein Zufallstreffer und wir haben uns einfach drauf eingelassen, was er mit uns vorhatte.

 

Der Opener des Albums… anfangs dachte ich ja, es wäre ein Album für unseren ehemaligen…

…Bundespräsidenten?
Absolut ja, hast Du das schon mal gehört?
Nee, das fiel mir jetzt spontan ein.

Wollte ich aber auch sagen. Song zwei passt auch dazu, da dachte ich schon, wow, das ist mal spontan. Aber ab Song drei kann ja auch Christian Wulff wieder durchatmen. Musikalisch hat Song 1 aber auch viel von „Wenn ich wollte“!

Ja, das stimmt wohl auch.

 

Und „433“ ist ja wohl Radiohead`s „High and Dry“, oder?

Darauf machte uns jemand im Studio aufmerksam, dann haben wir uns das erstmal angehört. Ja, das stimmt, aber sie sagten uns, wir sollten das jetzt drinlassen, weil das ja unser Lied wäre und völlig anders. Aber ja, wir waren auch echt bafff.

 

Der Song war euch also nicht so geläufig…

…nee, den haben wir im Studio dann angehört und sind dann abwechselnd weiß und rot geworden. Ja, da gibt es schon einige Parallelen – aber wir haben ihn eigenständig komponiert!

 

Das nachfolgende „Love & Peace“ ist genauso extrem – musikalisch und sogar vom Text her – „We didn’t start the fire“, oder?
Jein. Wir hatten den Riff und hatten gerade damit herumgespielt, als wir den Song auf der Rückfahrt im Radio hörten. Und dann kann uns die Idee, den genauso aufzubauen – und letztendlich war er die Basis für unsere gemeinschaftliche Arbeit an dem Song. Ja, da gibt es also eine Patenschaft.

 

Ein Problem Eurer Frühphase war, dass ihr viel zu dicht zusammen wart – was ein übliches Problem von jungen Bands ist. Macht ihr das heute anders?

Ja,  auf jeden Fall! Es gibt schon Phasen, wo es mehr ist, nach so einer Platte kommt die Promo, und dann muss man ja auch über alles reden, wir sind ja eine demokratische Band, aber wir ziehen auch Grenzen, wir haben jeder unsere eigene Familie und Rückzugsmöglichkeit und eigene Projekte – und ich denke, wir schaffen es jetzt wesentlich besser, uns zu arrangieren. Und wir haben noch viel, viel vor – so ist die Planung.

 

„Für immer kann`s nicht sein“ heißt es in „Zeit“ – aber schon noch für lange?

Ja, das Leben ist ja offensichtlich endlich, aber die Bandbiografie hat noch viel Platz nach hinten. Gerade gestern sagte Jan nach dem Auftritt in Bielefeld: Im Grunde sind wir so was wie ein zwanzigjähriger One-Night-Stand bis heute… ja, genau. So sehen wir das J

 

Gibt es ein musikalisches Leben neben Selig?
Ja, ich bin gleich eine Woche nach unserer Tour wieder 5 Wochen mit James Last unterwegs, und das macht auch sehr viel Spaß. Und Jan hat sein Rio Reise Ding und eine regelmäßige Verpflichtung am Wiener Burgtheater.