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„Ich
habs nicht ausgehalten“: Michael Sadler im Saga
Interview
Fünf Jahre sind es
schon wieder, seit Sänger Michael Sadler nach kurzer Auszeit zur Band zurückgekehrt
ist, zwei Alben wurden seitdem veröffentlicht, im April kommen sie wieder auf
deutsche Bühnen. Als Live-Institution, die sie sind, brauchen sie kaum einen
aktuellen Grund, um auf Tournee zu gehen. Trotzdem haken wir nach – im Hinblick
auf die aktuellen ReReleases, auf das
erklärungsbedürftige Tourneemotto und aktuelle Projekte und überhaupt: Dass
sein Ausstieg bei der Band nur vier Jahre hielt, musste Sadler noch einmal
erklären.
Die Tournee läuft
unter dem Motto „Will it be you“ – wofür steht das?
Wir wollten dieses Jahr touren, auch wenn nächstes Jahr
erst das große Jubiläum ansteht, also haben wir gesagt, gut, dann touren wir
eben für die ReReleases – man muss dem Kind ja einen Namen geben. Also wird
unser Set zu großen Teilen aus alten Stücken bestehen, die nicht nur die großen
Hits sind. Daneben wird es jeden Abend einen Gewinner geben – ich will nicht zu
viel verraten, aber deswegen gilt für jeden Abend die Frage „will it be you?“
Ok, ich erinnere
mich an die 25-Jahr-Geburtstagstour, bei der ihr immer ein Kuchenwettessen
hattet..
Oh ja, das war sehr lustig, weil wir auch nie wussten,
was passiert und es war auch garantiert jeden Abend anders. Aber dieses Mal
wird es nicht der Kuchen sein, aber ich verrate nicht, was der Preis sein wird.
Lass dich überraschen.
Ihr wollt also die
alten Songs in den Fokus rücken?
Ja, es wird sehr retro sein, viele Stücke, die wir sehr
lange nicht gespielt haben und wir werden eine große Zeitspanne beackern. Ich
bin mir nicht ganz sicher, ob wir es schaffen, von jedem Album mindestens ein
Stück zu spielen, aber in die Richtung wird es gehen, und die Fans haben immer
wieder danach gefragt.
Nun gibt es die
obligatorischen Stücke, die ja auch schon fast die ganze Zeitspanne abdecken
können, oder?
Die, ohne die man uns nicht aus dem Haus lässt (lacht)?
Nein, sogar von denen haben wir versucht, ein paar zu ersetzen. Wir haben sie
nicht ignoriert, aber es wird eine angenehme Überraschung, das kann ich
versprechen.
Das ist es also,
was euch dieses Jahr beschäftigt? Die ReReleases und die Live-Termine?
Ja, wir werden bis zum Jahresende immer wieder mal
touren, Festivals, USA, Kanada, den Rest der Zeit werden wir uns vorbereiten
auf unser Jubiläumsjahr und das neue Album. Es wird ein wichtiges Jahr werden
und wir wollen sicherstellen, dass es eins unser besten Alben wird, also wollen
wir ihm so viel Zeit wie möglich widmen.
Ich hatte mich
schon gewundert – „Sagacity“ ist zwei Jahre alt, für eure Verhältnisse schon
eine ungewöhnlich lange Pause.
Für unsere Verhältnisse, ja, aber wie gesagt, anstatt
etwas zu überstürzen, wollten wir es lieber so herum machen.
Und offensichtlich
sind neue Alben ohnehin nicht notwendig für euch, um zu touren…
Nicht mehr so wichtig, wie früher, das stimmt – sowohl
für uns, als auch für viele andere Bands. Solange man eine Fanbase hat und live
etwas bieten kann, geht es auch so. Aber trotzdem und gerade deswegen versuchen
wir, uns für jede Tour etwas Neues zu überlegen.
Und wir könnten
uns ja auch über „Sagacity“ unterhalten… zB. über die Frage, ob es, nach zwei
Jahren darauf zurückblickend, wert ist, darüber noch zu reden?
Haha… ich weiß nicht, ob ich die Frage richtig verstehe.
Wir werden auch daraus etwas im Programm haben. Was mich betrifft, ich
beschäftige mich selten mit Alben im Nachhinein. Wenn sie fertig sind, sind sie
fertig und ich kümmere mich um etwas Neues.
Nun ist es nicht
euer stärkstes Album in eurer Diskografie, oder?
Nicht das stärkste, aber bei weitem auch nicht das
schwächste – obwohl ich dir jetzt nicht sagen werde, was ich für das schwächste
halte (lacht). Es gibt ein paar Dinge, die bei der Produktion des Albums nicht
optimal gelaufen sind, aber ich bin glücklich mit dem Ergebnis.
Ok, das schwächste
verrätst du mir nicht - gibt es ein bestes Album für dich?
Da sind verschiedene aus verschiedenen Gründen. „Worlds
Apart“ weil es so erfolgreich war und weil es ein Meilenstein für uns war, aber
mein ganz persönliches Lieblingsalbum ist „Behaviour“. Alles was damals
passiert ist und was wir auf diesem Album gemacht haben resultiert in dem
komplettesten Album, das wir herausgebracht haben.
Aber das ist ganz
subjektiv, ich bin mir sicher, dass wir da alle verschiedenen Ansichten haben.
Das ist ja gerade, was diese Band ausmacht. Wir sind 5 Individualisten
5 verschiedene
Jungs, die als Team so gut funktionieren.
Diese
ReReleases-Idee, kam die von Euch oder von der Plattenfirma?
Sie kam von der Plattenfirma. Sie legten uns ihre Pläne
vor und wir fanden sie gut, deswegen haben wir zugestimmt.
Was ist euer
Input?
Wir haben die finalen Mixe abgesegnet. Sie haben daran
arbeiten lassen und sie uns dann geschickt und wir haben entschieden, was
veröffentlicht werden soll.
Die Bonustracks
sind nicht sehr reichlich, gab es Ideen für verschiedene Formate oder z.B.
Boxsets? Man hätte sicherlich noch mehr draus machen können, oder?
Grundsätzlich stimme ich dir da zu, aber das war die
Entscheidung der Plattenfirma. Es war ihr Spiel, unsere Sorge galt mehr der
klanglichen Qualität. Ich weiß, dass die Fans gerne noch mehr Bonus Tracks
gehabt hätten, aber es ist, wie es ist.
Wir haben uns
schon mehrmals unterhalten, aber ich glaube, ich habe das nie gefragt: Ihr
hatten von Anfang an einen sehr speziellen, sehr eigenen Sound, der für viele
Bands als Referenz diente, kannst Du dich an Eure frühen Einflüsse erinnern,
die für euren Sound verantwortlich waren?
Jim und ich waren immer Progressive Rock Fans – die
frühen 70er, Genesis, Gentle Giant, all diese Bands. Steve Negus kam eher aus
einem RnB-Background, während Ian in Led Zeppelin Coverband gespielt hat und
aus dieser Gitarrenwelt kam. Und wir haben versucht, genau diese Elemente zu
kombinieren, die Rock-Elemente, die vertrackten Sachen und die Funk-Rhythmen –
und ich glaube, das haben wir auch heute in gewisser Weise immer noch.
Mein Gesang hat sich auch total geändert. Anfangs sang
ich wie ein Kirchenchorjunge. Ich habe 8 Jahre lang so gesungen und musste für
Saga komplett umprogrammiert werden, was wohl der Verdienst von Rupert Hine
ist. Wenn ich die frühen Alben höre, klingt das sehr diszipliniert, was ist ok
ist, aber ich weiß noch wie heute, als wir mit Rupert für „Worlds Apart“
zusammenkamen, sagte er: „Michael, wir wissen, dass du singen kannst. Nun
möchte ich, dass du alles vergisst, was du übers Singen gelernt hast. Sing
einfach, denk nicht drüber nach. Sei nur du selbst.“
Ich habe gerade
das neue Karibow-Album gehört, auf dem du einen Song singst!
Ja. Er kontaktierte mich über facebook und dann trafen
wir uns, als wir mit Saga in Bochum gespielt haben. Ich mochte die Musik, aber
ich fand, die Gesangslinien hätten etwas stärker sein können – und ich bin froh,
dass ich ins Booklet gekuckt hatte, denn er war der Sänger. Also musste ich
sehr vorsichtig sein, als ich ihn traf, was ich sage, aber was ich sagte, war,
dass ich seine Musik mag und ich gerne wüsste, wie mein Gesang dazu klingen
würde. Das war sehr diplomatisch von mir. Er sagte, er schreibe an neuem
Material, das könnte er mir schicken und von den drei, die er mir schickte,
gefiel mir „River“ am besten, also habe ich den eingesungen.
Schätze, du
bekommst solche Anfragen durchaus öfter, oder?
Ja, durchaus, aber ich bin da sehr wählerisch. Aber ich
mache das auch gerne, weil es immer wieder interessant und inspirierend ist,
mit neuen Leuten zu arbeiten. Das Spannendste war ein Swing Projekt, bei dem
ich mit einem kleinen Orchester aus der Nähe von Aschaffenburg gesungen habe.
Das war so ein Spaß, mit ihnen zu arbeiten. Sie hatten sechs oder sieben Saga
Songs genommen und sie in Swing-Arrangements verpackt. Normalerweise haben sie
Rocksongs – ich hab z.B. „Highway To Hell“ als Swing gesungen und „Jump“ und
„Humble Stance“, „Careful where you step“, sehr lässig!
Anderes Thema: Du
hast Saga aus guten Gründen verlassen, was hat dich so schnell wieder zurückgebracht?
War es schnell?
Oh ja, definitiv schneller als ich dachte. Ich hatte es
meine Auszeit genannt, meine Ferien, vielleicht meine permanenten Ferien, wie
auch immer, aber ich hatte klar gemacht, dass es nicht ausgeschlossen wäre,
dass ich zurückkehren würde. Ich hatte die Tür zugemacht, aber nicht
abgeschlossen. Klar war, dass es nur möglich sein würde, wenn das Timing stimmt
und alle Beteiligten das wollen, also auch meine Familie, mein Kind usw.
Mindestens aber nach 5 Jahren. Dass ich nicht einmal die durchgehalten habe,
lag an verschiedenen Dingen. Ich war immer in Kontakt mit Jim und es war immer
unser Spielball, dass ich zurückkommen würde und wir noch einmal groß und
berühmt werden würden. Und je öfter wir uns diesen Ball zuspielten, desto
ernster wurde der Ton, bis er schließlich fragte, was ich denn wirklich davon
halten würde. Also sagte ich, ich bespreche das mit meiner Familie und er solle
das mit der Band besprechen. Jeder sollte seine Meinung dazu sagen und, ganz
wichtig, auch Rob Moratti musste mit einbezogen werden. Es wäre das letzte, ihm
irgendwann einfach zu sagen, danke und tschüss! Aber irgendwie haben wir es
hinbekommen und das Timing war offensichtlich passend.
Es hätte also ganz
anders laufen können, wenn sie mit Rob erfolgreicher gewesen wären?
Absolut. Es hätte trotzdem passieren können, aber vielleicht auch viel später –
aber das ist alles Spekulation. Aber ich weiß, was du meinst.
Und hattest du,
was du wolltest in der Zwischenzeit? Hast Du erreicht, was du erreichen
wolltest?
Alles! Alles und noch viel mehr! Die Geburt meines Sohnes
allein war es schon wert. Ich war in der Lage, meine Batterien wieder
aufzuladen, mich selbst neu zu fokussieren, stärker, energetischer kreativer
zurückzukommen, ich konnte eigene Projekte verfolgen, meine Zeit selbst
einteilen und dazu noch meinen Sohn aufwachsen sehen. Und nebenbei jeden Tag
beobachten, was die Jungs anstellen.
Im Ernst?
Natürlich. Nach 30 Jahren gehst Du nicht einfach raus und
es lässt dich in Ruhe. Ich war sogar bei ihrer ersten Show in einem kleinen
Club in Toronto, noch zu einer Zeit, als sie einfach nur ein paar Test-Gigs
machten. Ich war inkognito da und kuckte ihnen zu von hinten. Sie spielten
„Wind him up“, aber ich habs nicht ausgehalten. Nach dreiviertel des Songs
musste ich rausgehen. Es klang ok, aber es war so surreal, jemandem dabei
zuzusehen, wie er macht, was du 30 Jahre lang gemacht hast…
…mit den Jungs,
mit denen du es gemacht hattest!
Ganz genau. Er ist ein toller Sänger, eine andere Art von
Sänger, aber er ist sehr professionell. Aber um ehrlich zu sein, er passt
besser ins AOR-Genre.
Das ist ungefähr, was
Fish sagte nach Marillion. Er fühlte sich, als wenn er jemanden beobachten
würde, der mit seiner Frau schläft.
Das ist in der Tat ein sehr seltsames Gefühl. Ich habs
nicht ausgehalten. Deswegen bin ich zurück!