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Mein Körper ist
clean, mein Kopf ist clear – ich fühle mich wirklich wieder jung!
Was für ein
Hammeralbum, was uns Saga anno 2004 beschert haben! Der erste Teil der
entsprechenden Tour liegt bereits hinter uns, alle Fans sind längst mit dem
Album bedient und vertraut und selig – und es gibt immer noch jede Menge Dinge,
die es mit dem Sänger der band zu klären gibt. Unter anderem ist nämlich auch
endlich – mit derzeit noch wesentlich geringerem Promo-Aufwand und entsprechend
weniger Medieninteresse – sein Soloalbum „Clear“ erschienen.
Du bist also zurück
nach Nordamerika gezogen?
Ja, ich habe hier in Kalifornien zwar schon ein paar Monate
meines Lebens verbracht, aber endgültig hierher gezogen bin ich vor 5 Jahren.
Das müsste die
Saga-Aufnahmen ja erleichtern, Jim wohnt ja auch in L.A., oder?
Irgendwie schon, er ist mein Nachbar. Aber das ist auch nur
so gekommen, weil meine Frau eben schon sein Nachbar war. Ich meine, so habe
ich sie ja kennen gelernt... eines Tages sah ich sie am Pool, und eine Sache
führte zur nächsten... und jetzt bin ich hier.
Deine Frau..
Nachbarin... Ist die auch neu?
Ja das ist sie. Nummer vier! Und sie war natürlich auch ein
Grund für mich, nach L.A. zu ziehen. Aber ich brauchte auch überhaupt ein paar
geographische Veränderungen.
Ich dachte, Du
hättest gerne in Deutschland gelebt...
Absolut! Und es gibt immer noch genügend Gründe, warum ich
das Leben in Europa dem ini Amerika vorziehe – teils auch ganz aktuelle
(lacht). Nein, die Leute haben einfach eine bessere Einstellung zum Leben. Und
ich freue mich jetzt schon wieder auf die Tour in Europa.
Obwohl das weniger an
der Lebenseinstellung der Europäer als am Enthusiasmus der Fans liegt, oder?
Natürlich. Ich meine, man sagt so oft, man liebt das touren,
auch nach 27 Jahren macht es immer noch Spaß, blablabla, aber ich muss wirklich
sagen: Diese 2 Stunden auf der Bühne ist exakt, was mich antreibt im Leben und
im Musikbusiness im speziellen. Das ist einfach magisch. Und natürlich unglaublich
viel Spaß.
Wenn nur die 22
Stunden zwischen den 2 Stunden täglich nicht wären...
Es gibt in der tat einige Sachen, die touren sehr
anstrengend machen, aber vieles davon habe ich einfach als gegeben akzeptiert,
so dass sie auch wieder Spaß machen. Und immerhin bin ich ja nicht monatelang
auf Tour. Das schlimmste ist nur, nicht zuhause zu sein. Gerade wenn man eine
junge Beziehung hat. Da muss auch der Partner mitspielen...
Darum die vierte
Ehe...
...man kann es nicht daran festmachen. (lacht)
Tourneen waren früher
etwas komfortabler, oder?
Ja, aber auch wesentlich stressiger! Da war ja noch viel
mehr Brimborium, was zum Touralltag dazu kam. Das brauche ich wirklich nicht
mehr. Und außerdem bin ich wirklich zu der Erkenntnis gekommen, dass Konzerte
Intimität brauchen, um zu funktionieren. Ein Konzert muss mehr sein, als seiner
Lieblingsband dabei zuzusehen, wie sie ihre Songs herunter spielt. Und je mehr
man die Konzerte auf Clubshows redzuziert, desto besser für das Publikum.
Trotzdem habt Ihr die
25-Jubiläums-DVD in Bonn mitgeschnitten.
Das war ein intimer 6000-Mann-Club ohne Dach. Ich meine, da
haben wir trotzdem geschafft, eine intime Atmosphäre zu schaffen.
Und in den 80ern
hattet Ihr diese Atmosphäre nicht?
In den 80ern sind wir mit
den ganzen US-Bands durch Stadien getourt, das war eine komplett andere
Geschichte. Ich will gar nicht mal sagen, dass es uns nicht gefallen hat – hey
wir hatten eine gute Zeit, wir waren Rockstars! Aber ich bin froh, dass das so
vorbei ist. Nee, das könnte ich mir heute gar nicht mehr vorstellen.
Mittlerweile gibt´s
Saga 27 Jahre, „Network“ ist Euer 16. (!) Album – und man kann es kaum fassen,
aber es scheint als wüsstet Ihr endlich, was Eure Fans am liebsten von Euch
hören wollen. Das Album ist unglaublich!
Vielen Dank. Ja, es ist vielleicht, dass wir wissen, was
unsere Fans wollen. Aber es ist auch einfach, dass wir endlich wissen, wer wir
sind! Gut, das hängt vielleicht auch zusammen. Ich meine, wenn jemand zehn Fotos
von Dir macht, und Du sollst das wählen, von dem Du meinst, dass es Dich am
besten repräsentiert, dann wählst Du garantiert ein anderes, als jeder andere,
der Dich kennt. Wir waren immer so dicht an unserer Musik, wir haben sie immer
subjektiv gesehen. Wir haben uns dieses
Mal gesagt, lasst uns eine Platte machen, wie wir sie früher gemacht
haben. Und ich meine das nicht analytisch, sondern vom Geist her.
Was sich auf den
Esprit des Albums auswirkt. Was aber vor allem zählt, ist die Qualität der
Songs!
Wir wollten Sachen schreiben, die jeder von uns richtig gut
findet. Wir sind mit gut 70 Ideen gestartet – Songideen, Fragmente, Riffs, etc
von jedem von uns. Und daraus wurden ca. 20 Songs, aus denen wir die besten 10
ausgewählt haben. Und wir haben die Songs immer wieder gespielt, bis sie nicht
tighter werden konnten. Und im Endeffekt waren die Aufnahmen wie ein
Live-Konzert ohne Publikum. Kaum Overdubs, zusammen in einem Raum – eben als
Band, und das war, wie wir angefangen hatten.
Also hat es sich auch
hier positiv ausgewirkt, dass Du nach L.A. gezogen bist?
Vielleicht. Ich meine, ich war wesentlich mehr involviert im
Songwriting als bei den letzten Alben, auch wenn ich bis auf eine kleine
Passage nichts eingespielt habe. Ich habe das gemacht, was ein Sänger
vielleicht tun sollte, nämlich sich auf seine Textmelodien zu konzentrieren.
Und auch dafür war es wichtig, an der Entstehung der Songs beteiligt zu sein.
Und was man auf der Platte hört, ist ungefähr 92% von dem, was ich an Melodien
in meinem Kopf hatte – und das ist schon ziemlich gut. Anfangs sind es meist um
die 20% (lacht).
Wir haben uns zuletzt
1999 getroffen, und da hattest Du schon ähnliches gesagt – ich meine, nicht
umsonst hieß das Album „Full Circle“.
Hmm, vielleicht. Vielleicht ist es auch einfach, dass wir
diesen Schuss in den Arm alle zwei Jahre brauchen. Vielleicht sollte ich aber
auch einfach den Beitrag unseres neuen Drummers, Christian Simpson, nicht
unterschätzen. Die Art, wie er spielt, und die Art, wie wir zusammen gespielt
haben – ich denke, er hat eine Menge Enthusiasmus mit hinein gebracht. Ich
meine, er stand immer vor dem psychologischen Problem, nicht zu wissen, ob er
wie Steve spielen sollte, oder ob er einfach er selbst sein sollte. Und ich
glaube, das Ergebnis ist die Kombination aus beidem.
Du sagtest, Du hast
nur einen Part gespielt – wie groß war Dein Einfluss im Songwriting?
Der Kern der Songs kam von den anderen, mein Einfluss lag
eher in den Arrangements. Ich habe meine Meinung mit einfließen lassen. Aber
ich habe mehr erklärt, als dass ich komponiert hätte.
Und bei Deinem
Soloalbum?
Das ist ca. 90% von mir. Nicht das Spielen, das sind
L.A.-Musiker und SängerInnen, aber die Songs sind alle von mir.
Und es sind die
selben Musiker auf dem ganzen Album? Ich dachte eher, Du würdest immer mal
hier, mal da einen Song aufnehmen. Ich meine, wir hatten ´99 das erste Mal über
dieses Album gesprochen...
Nein, es sind die selben Musiker. Ja, ich habe immer mit
meinen „Karrieren“ jongliert. Und ich hatte den Luxus, keinem Zeitdruck
ausgesetzt zu sein – was auch wieder eine Falle sein kann, weil man sich da
auch zu Tode arrangieren kann, aber ich denke, ich habe einen guten Weg
gefunden. Und die Aufnahmen waren der beste Part daran, vor allem die echten
Drums. Ich meine, die Hälfte der Stücke, die schon auf dem „Internet-Album“
waren, hatten ja nur Computer-Drums gehabt, und erst hier bekommen sie wirklich
„Leben“.
Die Tatsache, dass
die Hälfte der Songs „alt“ sind, macht es ja eigentlich noch überraschender,
dass das Album so lange gebraucht hat...
Ja, wie gesagt, ich musste immer Extra-Zeit dafür finden,
letzten Endes vor allem für die Aufnahmen.
Hast Du die mit Jim
gemacht?
Jim hat bei einem Teil geholfen. Vieles wurde in Deutschland
aufgenommen. Am Ende brauchte ich noch einen Refrain den Titeltracks, „Clear“,
bei dem hat er mir geholfen. Das letzte Stück war das letzte, das wir
aufgenommen haben, und die letzten Zeilen dafür entstanden ungefähr um 4 Uhr
morgens. „Clear“ ist auch das einzige Stück, dessen Text nach meinem „Crash“
geschrieben wurden.
Nach Deinem Crash?!
Vor gut zwei Jahren bin ich zusammen gebrochen,
Schlaganfall, ich war 6 Wochen in der Reha. Ich war dem Tode ziemlich
nahe.
Und die Gründe?
Alkohol! Ich bin froh, dass man es so extrem daran fest
machen konnte denn seit dem bin ich clean – und gesund! Ich hatte 4
Schlaganfälle auf dem Weg zum Krankenhaus, wie epileptische Anfälle. Die Ärzte
waren schon kritisch, was mein Durchkommen anging. Der 4. Mai 2002 ist mein 2.
Geburtstag, der Tag an dem die Person, mit der Du gerade sprichst, geboren wurde.
Ich tendiere manchmal dazu, von dem anderen Ich in der 2. Person zu sprechen.
Und alle Texte des Albums, das ist mir eigentlich erst bei dieser letzten
Aufnahmesession von „Clear“ aufgefallen, stammen aus der Phase meines „1.
Lebens“. Und als ich die Texte betrachtete, musste ich fest stellen, dass sie zumeist in der 2. Person geschrieben
sind. Manche davon stehen genügend in Beziehung zu mir, dass ich sagen kann,
hey- das war mein Unterbewusstsein, das da geschrieben hat. Und das macht die
texte ehrlich gesagt auch sehr interessant für mich selbst! Und nur bei „ Clear“ spreche ich von mir und in der 1.
Person, als jemand, der ein neues Kapitel aufschlägt.
Ich hatte keine
Ahnung...
Es gibt auch nicht viele, die davon wissen. Es ist mir nicht
peinlich oder unangenehm, darüber zu sprechen, aber ich bin ganz bestimmt nicht
stolz darauf. Aber es macht mir auch nichts aus – vielleicht kann ich dazu
beitragen, dass jemand anderes rechtzeitig mit Alkohl aufhört.
Du bist also nicht
nur „Clear“ sondern auch clean!
Mein Körper ist clean, mein Kopf ist clear – ich fühle mich
wirklich wieder jung! Und ich bin wesentlich gesünder als ich vor 20 Jahren
war. Wesentlich!
Zwei Alben zur
gleichen Zeit also... Hand auf´s Herz: Welches Album ist Dir wichtiger?
Sie sind zwei Seiten meiner Person. Sie sind gleich wichtig
für mich. „Clear“ ist viel, viel persönlicher, aber ansonsten kann man das
schwer messen. Das Ding ist auch: ich habe bewusst keinen Majordeal gewählt,
einfach aufgrund des Timings. Die „Clear“-Aufnahmen waren rund drei Wochen
vorher abgeschlossen, aber die Maschinerie für „Network“ war im Prinzip schon
gestartet. Das heißt, dass ich keine Zeit für Promotion gehabt hätte. Also
anstatt Zeit für die Saga Promotion wegzunehmen, habe ich für „Clear“ kleinere Wege
gewählt. Es ist ganz einfach so, dass „Clear“ derzeit auf ganz kleiner Flamme
kocht.
Und stellst Du das
Feuer noch höher?!
Absolut. Im nächsten Frühjahr, wenn die Saga Aktivitäten
vorerst vorbei sind, kommt „Clear“!
Also kein
„Clear“-Track auf der Tour? Kein Album im Merchandising Stand?
Es kommt alles auf den Euro in der Tasche zurück. Wir sind
auf Tour um „Network“ zu promoten – warum sollen die potentiellen Album-Käufer
also durch mein Soloalbum irritiert werden? Und was das Spielen betrifft - ich glaube,
dass es für die Jungs etwas komisch wäre, etwas von meinem Soloalbum zu
spielen. Soll ich ihnen die Riffs beibringen?
Nun, einige Songs
sind ja durchaus „Saga-ish“...
Klar, ich war 27 Jahre in der Band! Und ich bin ihr Sänger,
da ist es doch schon wahrscheinlich, dass es ein paar Parallelen gibt. Da kann
ich nichts dran ändern.
Nun, dafür ist das
Album wiederum erfreulich abwechslungsreich!
Danke, das war der Sinn der Sache. Das ist die Freiheit, die
ich als Solokünstler hatte. Und um auf die Eingangsfrage zum neuen Album
zurückzukommen, die Fans und damit verbundene Erwartungshaltungen gab es
einfach nicht.