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Sind die Pretenders
eine Band oder eine Ansammlung von Musikern um Sängerin Chrissie Hynde?
Vor
allem in letzter Zeit vor allem Zweiteres – und die Frontröhre Dreh-
und
Angelpunkt für die Band. Was die neuen Leute für die Band bedeuten,
erzähltesie mir (2009) anlässlich der Veröffentlichung ihres neuen
Albums „Break up the Concrete“.
Man könnte fast
sagen, wir haben hier lange nichts von Dir gehört…, die Pausen scheinen immer
länger zu werden, oder?
Hmm, das hab ich schon mal gehört. Tatsache ist, dass ich keine sehr ambitionierte Person bin. Musik ist nicht mein Leben, ich habe noch andere Dinge.
Das heißt, sie spielt
eine immer kleinere Rolle
Nein, gar nicht mal, aber es gibt andere Dinge nebenher. Und ich habe eine Paranoia, dasss ich die Öffentlichkeit nur langweilen würde, wenn ich ständig was neues auf den Markt schmeißen würde. Ich muss auch gar nicht immer im Mittelpunkt stehen. Ich bin eine ganze Weile durch Brasilien getourt mit ein paar Musikern und habe ein paar andere Dinge getan, aber ich muss das nicht an die große Glocke hängen.
Wovon hängt es dann
ab, ob Du ein neues Album veröffentlichst?
Nun, es wurde langsam peinlich. Ich bin getourt und hatte keine neuen Songs. Also dachte ich, wir sollten ein neues Album machen. Ich hatte eh ein paar Songs in meinem Kopf.
Es gab in den letzten Jahren einige Änderungen in der Band und ich wollte warten, bis die Zeit die richtige ist.
Es gab schon
rockigere Zeiten der Pretenders – es gab über die Jahre auch viele Besetzungswechsel
– inwieweit hat das eine mit dem anderen zu tun?
Ich denke, das neue Album hat eine Menge Amerikanischer Wurzeln, das kommt von unserem Pedal Steel Gitarristen. Ich habe einen richtigen Gitarrenheld in der Band. Und ich habe einen Bassisten, der eigentlich aus dem Punk kommt – ich glaube, wir sind momentan so dicht am orginalen Pretenders Sound, wie lange nicht mehr. Ich habe zwei Bandmitglieder in einem Jahr verloren, das war wirklich hart. Jimmy Scott, mein Gitarrist, war 25 als er gestorben ist und ich glaube, dass ich endlich jemanden gefunden habe, der ihn wirklich ersetzen kann. Ich meine ich hatte tolle Bandmitglieder, habe viele tolle Freunde gefunden, aber musikalisch ist dies wirklich das, womit ich angefangen bin.
Aber inwieweit kommen
die musikalischen Ideen von Dir?
Ich schreibe die Songs und habe eine Vision in meinem Kopf, wie sie klingen sollen, aber ich bin nur eine Person, nur der Komponist und der Dirigent mit seinem Stab. Der Sound kommt im Endeffekt von der Band.
Auch die Aufnahmeart
war beim neuen Album anders.
Ja, wir hatten keinen Produzenten und haben das ganze Album in nur elf Tagen aufgenommen. Das ist also schon fast live aufgenommen.
Wessen Idee war
dann, die Veröffentlichung des neuen
Albums mit einem Best-Of zu kombinieren?
Nicht meine, das kannst Du mir glauben. Aber Platten werden nicht mehr verkauft, also müssen sich die Plattenfirmen immer wieder neue Marketingstrategien ausdenken. Warum also nicht ein kostenloses Best-Of dazu kriegen? Platten sind doch eh zu teuer. Ich meine, es ist doch nur logisch, dass die Leute anfangen, sich Platten runterzuladen, wenn die so teuer sind. Ich würde ich freuen, wenn sich die Musikindustrie selbst zerstören würde durch den Scheiß, den sie machen. Die spinnen doch wirklich, was die für Geld um sich schmeißen. All diese Multi-Millionen-Dollar Verträge, das muss doch nicht sein. Also haben die Leute angefangen, sich ihr Recht zurückzuholen und klauen die Musik. Fein für sie, mach ich auch. Wenn man allerdings immer noch Alben an den Mann bringen möchte, dann muss man sich eben etwas einfallen lassen.
Ich meine, ich bin immer noch ein Album-Mensch, ich liebe es, Alben zu kaufen und zu hören. Wenn man Songs runterlädt, kriegt man ja oft nur einen Song, das ist doch Mist. Aber diese Tradition des Album, Seite 1 und 2, die sorgfältig vom Künstler ausgewählt wurden, oder aber auch eine Sammlung von 10, 11 Songs, die Dich auf eine musikalische Reise mitnehmen. Das ist, worum es in der Musik geht. Wenn man nur einen Song hört, verpasst man doch das Beste.
Also auch der
Versuch, mit dem Best-Of ein neues Publikum anzuwerben?
Ich weiß es nicht. Wer kauft denn überhaupt noch Platten? Ich bin 57, die Leute in meinem Alter, die ein Pretenders Album kaufen, werden mit den alten Sachen wohl vertraut sein. Wenn sie überhaupt noch Platten kaufen…
Die wahrscheinlich
noch eher als junge Leute… Aber apropos sorgfältig ausgewählt: Hast Du die
Songs für das Best-of zusammengestellt?
Jein. Ich hatte einen Anteil, ja,. Aber ich hätte gern ein paar mehr von den Rock-Songs mit drauf gehabt. Aber es gibt immer die zwei Sichtweisen – die des Künstlers und die des Publikums. Also haben wir ein paar Singles weggelassen, die unserer Meinung nach nicht so wichtig waren, und konnten dafür ein paar interessantere Songs mit dazu packen und haben andererseits aber auch die obligatorischen Hits dabei.
Und ist es nicht
seltsam, die neuen Songs so direkt neben die größten Hits zu stellen? Wo stehen
die neuen Songs dabei?
Ich vergleiche sie nicht. Es gibt das neue Album und es gibt das Best-of. Wenn du eins davon nicht brauchst, schmeiß es weg. Das Best-Of ist eine kostenlose Dreingabe, schenk sie doch Deinem Gärtner oder Deiner Schwiegermutter!
Es hat Dich also nicht irgendwie unter Druck gesetzt?
Nein, überhaupt nicht. Für mich gibt es keinen Druck oder Wettbewerb, wenn ich ein neues Album veröffentliche. Ich mache, was ich will. Wenn Du mich fragst, ich würde das Best-of wegschmeißen, weil ich die Songs ja schon alle kenne. Ich wäre mehr interessiert an den neuen Sachen. Tatsache ist, als ich dieses Best-of gehört habe, war es für viele Songs das erste Mal, seit ich sie aufgenommen habe. Ich meine, wir spielen sie live, aber die Studioversion war manches Mal eine richtige Überraschung für mich.
Was möchtest Du denn
mit einem neuen Album erreichen?
Oh, das ist einfach: Wenn die Leute es hören, und es gut finden, haben sie eine Idee davon, wie wir den Song haben wollten, bevor wir ihn auf die Bühne mitnehmen. Und wenn sie ihn dann live hören, haben sie das Gefühl, ihn schon zu kennen. Darum mache ich Alben. Man schreibt Songs, weil man etwas zu sagen hat, man nimmt sie auf, damit man sie präsentieren kann und man geht auf Tour, weil es der absolute Hammer ist. Und wenn man kein Album hat, kann man nicht auf Tour gehen, das ist der Kreislauf. Ich bringe keine Alben raus, damit ich neue Leute anziehe oder ein größeres Publikum erreichen kann. Ich liebe es, live zu spielen, und der ganze Aufnahmeprozess wie auch die Konzerte sind eine sehr intime Angelegenheit. Ich habe Shows in Arenen gesehen, die sich intim anfühlen, aber am liebsten mag ich Clubshows. Die sind wirklich intim. Ich sehe den Leuten am liebsten direkt in die Augen. Die perfekte Show ist doch, wenn jeder Teil davon ist, der Künstler, das Publikum, die Roadies, die Security.
Ich habe Euch das
erste Mal im Vorprogramm von U2 gesehen. Im Stadion. Nicht gerade eine
Clubshow…
Nein, eher nicht. Aber U2 wollten die größte Band der Welt sein. Und wir haben solche Gigs gemacht, Supports für Neil Young, ZZTop, damit wir auf Tour bleiben konnten und uns am Leben halten konnten.
Das letzte Album war
auf einem kleinen Label, das neue wieder auf einem Major…
Geschäfte, darum kümmert sich das Management. Vor „Loose Screw“ waren wir rausgeschmissen worden, weil wir nicht genügend Platzten verkauft hatten. Bevor wir das neue Album aufgenommen haben, hatten wir auch noch keinen Deal, wir hatten jahrelang keinen Deal. Aber das ist nicht mein Problem. Wenn die Labels uns nicht wollen, dann eben nicht. Das ist nicht mein Problem. Ich mache eh meine Sache, habe mein Band und freue mich auf die nächste Tour.
Inwieweit hat sich
denn die Wertigkeit von Musik in Deinem Leben geändert?
Nicht groß. Meine Kinder sind erwachsen, da habe ich eine Menge Zeit, kann mich also auch noch um andere Dinge kümmern. Und ich habe ein Privatleben und fühle mich auch nicht wie ein Rockstar, wenn ich nicht auf der Bühne stehe. Nenn es einen seltsamen Geschmack, aber meine Idee von einem guten Abend mit einem Typen ist es, einen Bus ins West End von London zu nehmen, oder wo ich auch gerade bin, und irgendwo auf einer Treppe zu sitzen und einen zu rauchen. Ich brauche keine Starallüren. Ich war neulich beim Bob Dylan Konzert und ich stand in der Schlange für mein Ticket. Und ein Typ von den Hells Angels, de ich kannte, kam vorbei und ich sagte hallo, und er fragte warum ich nicht zum VIP Eingang gehen würde. Da sagte ich nur, geh Du durch den VIP Eingang, ich fühle mich hier wohl. Das ist kein Leben für mich, ich brauche das nicht.
Du hättest also kein
Interesse mehr, zu den Tagen größeren Erfolges zurückzukehren?
Warum nicht? Wenn ein Song ein Hit werden würde, klar, würde ich auch mit machen. Ich hatte auch damit nie Probleme.
Ich habe letztens mit
Deinem Ex-Mann, Jim Kerr gesprochen – die hatten ja auch durchaus ruhigere
Zeiten und sind mit dem letzten Album wieder auf die größere Spur gewechselt…
Ich habe keine Ahnung, was Jims musikalische Seite angeht, da hab ich in den letzten Jahren wenig mitgekriegt. Ich glaube auch, dass die Pretenders und die Simple Minds wenig gemein haben. Da könntest Du lieber über die Pretenders und Kings of Leon sprechen, da gibt es mehr Gemeinsamkeiten.
Wobei gerade das
neuere Album die Rockseite ja wieder etwas zurückfährt. Da könnte ich schon
lieber den PJ Harvey-Faktor mit einbringen, der Deine Musik immer vor zu großer
Seichtigkeit bewahrt hat. Ich meine, es gab den Pop-Faktor, aber auch immer so
eine schräge Seite darin, oder?
Hmm, interessanter Gedanke. Ehrlich gesagt, hat mich noch nie jemand mit PJ Harvey in Verbindung gebracht, aber so wie Du das darstellt, macht es einen Sinn. Ich habe immer eher die Pop-Seite gesehen.
Eine Sache, die
wirklich anders ist auf dem neuen Album ist übrigens auch, dass es gar keinen
Reggae-Song gibt!
Nein, das stimmt. Als wir „Loose Screw“ aufnahmen, wollten wir ein reines Reggae-Album aufnehmen, deswegen waren wir ins Studio gegangen. Du weißt, was dabei herausgekommen ist… ich gaube, die Produzenten…., na ja. Dieses Mal hatten wir jedenfalls keinen Produzenten, der uns irgendwas vorgeben konnte.
Inwieweit wird sich
der Sound der aktuellen Band auf den Sound der alten Hits auswirken?
Oh, es hat eine Menge Frische reingebracht. James Walbourne ist so dicht am Jimmy Scott und bringt darüber hinaus noch seine eigene Seite mit rein. Und er spielt die Songs jeden Abend anders. Dazu kommt die Pedal Steel von Eric Heywood und die bringt natürlich auch für die alten Sachen eine echte Veränderung.