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Dredg: Gavin Hayes

 Interview 2009

Wie so oft, hat es auch bei diesem US-Quartett aus der San Francisco Bay Area eine Weile gedauert, bis sie sich in Deutschland durchsetzen konnten, aber mit ihrem letzten Album „Catch without Arms“ konnten sie bereits klar punkten. Was vielleicht daran lag, dass der zuvor experimentellere Ansatz der Frühwerke einem deutlich Song-orientierterem gewichen war. Ihr neues Werk „The Pariah, The Parrot, The Delusion” erscheint nach mehreren Verzögerungen endlich Ende Mai und sollte den Erfolg fortsetzen, führt es doch die Songorientiertheit weiter fort, kombiniert sie allerdings hier und da auch mit den alten Stärken. Zeitpunkt Redakteur Ralf Koch unterhielt sich vorab mit Sänger Gavin Hayes.

 

Glückwunsch zum Album, wie frisch ist es denn noch für Euch?

Wir sind gerade fertig geworden, eigentlich habt Ihr die Songs direkt aus dem Studio bekommen…

Also keine weitere Verzögerung?

Oh bitte keine weitere Verzögerung!

Was war denn passiert?

Im Prinzip vor allem, dass wir das Album so haben wollten, wie wir uns das vorstellten. Und mit dem ganzen Mastering etc, da kann man sich schon mal etwas länger aufhalten… Dazu kam, dass der Veröffentlichungstermin ohneghin nie so richtig festgemacht wurde, deswegen haben wir uns etwas länger Zeit gelassen, als vielleicht dringend nötig gewesen wäre. Mit dem Ergebnis, dass wir jetzt wirklich zufrieden sind!

Also sind es doch eher drei ganze Jahre, die ihr braucht, um ein neues Album zu produzieren?

Es ist schon etwas länger, aber wir waren auch eine ganze Weile auf Tour mit dem letzten Album, wir hatten eine Menge Material für die neue CD geschrieben, so dass wir gut auswählen konnten – es ist ein schöner Luxus, etwas mehr Zeit zu haben.

Der Titel ist recht obskur – ist das neue Album ein weiteres Konzeptalbum?

Er ist inspiriert von einem Text, den wir gelesen hatten von Salman Rushdie, „Letter to the 6 billionth person“. Das heißt eigentlich ist er die Langform des Titels des ersten Songs, aber er hält auch die Songs des Albums als Ganzes ganz gut zusammen. Unser Gitarrist, Mark fand den Text, während wir das Album schrieben, und einiges daraus ließ sich mit den Songs, die wir geschrieben hatten, in Verbindung bringen. Und so ließen wir uns insgesamt für dieses Album inspirieren, auch was das Cover und die gesamte Präsentation des Albums betrifft.

Worum geht es in dem Brief?

Darum, demütig dem Unbekannten gegenüber zu sein. Es ist ein Brief an den noch ungeborenen sechsmilliardensten Einwohner – der mittlerweile geboren ist – und was er zu erwarten hat in unserer Welt, also eine kritische Sichtweise auf unsere Welt und die Art, wie wir leben. Man sollte ihn mal lesen, er steht überall im Internet. Und das interessante war, dass ein Großteil der Texte zwar schon fertig war, sie sich aber mit einer sehr ähnlichen Art der Sichtweise der Welt auseinandersetzen. Es geht z.B. um Fanatismus.

Und was haben die ’Stamps of Origin’-Sektionen dazwischen mit dem Konzept zu tun?

Sie runden einerseits das „Brief“-Konzept ab, das auch schon auf dem Cover deutlich wird und andererseits sind es intime Zwischentöne, in denen wir kurz innehalten, sporadische Ideen einwerfen und musikalisch nur mit Piano umsetzen.

Was würdest Du sagen hat sich insgesamt musikalisch geändert?

Im Vergleich zum letzten Album haben die Instrumentalpassagen wieder mehr Gewicht bekommen und die Entstehungsweise des Albums geht eher wieder in die Richtung die wir mit „El Cielo“ oder noch davor hatten, es ist also ein bisschen die Rückbesinnung auf alte Stärken. Dazu kommt, dass wir bessere Musiker sind, dass wir mehr experimentieren und dass wir den richtigen Produzenten hatten, der Lust hatte, das mit uns weiterzuentwickeln.

Apropos Experimente: Auf Eurer Homepage habt ihr die „Leaflets“, in denen ihr ein bisschen Einblick in Eure Studioarbeit gebt – sieht nach einer Menge Herumspielen aus!

Ja, Herumspielen, Ausprobieren, Experimentieren, das sind die Prozesse, die zu einem neuen Album führen können. Nicht alles wird benutzt, aber vieles davon bringt einen nach vorne.

Würdest Du mir zustimmen, dass das neue Album melodischer, vielleicht auch ein bisschen mehr Pop ist, als das letzte Album?

In Teilen vielleicht, ja, aber nicht als Ganzes. Aber es gibt bestimmt ein paar Songs, über die man das sagen kann. Allerdings haben viele das auch über unser letztes Album „Catch without Arms“ gesagt, ich denke, das ist einfach der weg, den wir gehen. Ich denke, wir haben eine gute Mischung aus guten, eher Song-orientierten Stücken und kreativen Ideen.

„Catch without Arms“ war etwas härter, oder?

Ja, das stimmt, ich denke auch es hatte mehr Rock. Und vielleicht ist das neue Album einfach eine gedankliche Weiterentwicklung. Ich meine, „Catch“ war bereits der Kontrast zu „El Cielo“, bei dem wir uns viel mit Klarträumen auseinandergesetzt hatten und einen ganz anderen Ansatz hatten. Aber nachdem wir damit viel getourt waren, hatten wir alle das Gefühl, dass das neue Album songorientierter werden sollte. Wir möchten uns auch weiter entwickeln, Dinge verändern. Es macht wenig Sinn, das gleiche Album immer wieder mit neuen Songs aufzunehmen.

Ihr werdet oft auch der Progressivrock-Fraktion zugeordnet, geltet sogar als eine der ersten Bands, die diesen Ansatz mit dem des Alternative Rock verbanden – kannst Du mit dieser Art Einordnung etwas anfangen?

Ehrlich gesagt fragst Du da glaube ich den falschen. Wir denken auch nicht in Schubladen, wir machen, was wir wollen und sind für jeden genau das, was er von uns denkt. Und wir lassen uns auch ganz bestimmt nicht beim Songwriting von solchen Gedanken leiten. Wenn Du mich so fragst, ich glaube dass wir zumindest schwer in eine bestimmte Schublade passen – was dann ja schon wieder zu Deiner Frage passen würde.

Du meinst, Ihr handelt nach anderen Herausforderungen, wenn ihr Songs schreibt?

Unsere Herausforderung ist, Dinge, die wir in der Vergangenheit gemacht haben, weiter zu entwickeln und in neue Ideen zu entwickeln, uns selber auch weiterzuentwickeln. Das ist in meinen Augen die Aufgabe eines Künstlers.

Um auf die „Leaflets“ zurückzukommen – kann man das überhaupt „Songs schreiben“ nennen, oder eher „Songs entwickeln“?

Ja und Nein, vieles kommt durch ’Jamming’. Wir nehmen Ideen, die wir hatten, versuchen sie zu entwickeln, kommen spontan mit neuen Ideen und wir nehmen alles auf und schauen hinterher, was brauchbar ist, was man zusammenfügen kann.

Klingt nach einem etwas längerem Prozess…

Wir waren acht Woche im Studio, wenn man alles zusammen rechnet. Zwischendurch waren wir raus, haben auch eine kleine Tour gespielt, haben ein paar der neuen Sachen schon ausprobiert.

Ihr seid seit 14 Jahren in der gleichen Besetzung zusammen – wie wichtig ist diese „Team“-Situation?

Es ist zumindest sehr hilfreich. Wir wissen genau, wie wir uns einschätzen müssen, wer welche Stärken hat, mit welchen Ideen wir kommen. Und ich denke, das ist auch Teil des Erfolges. Wir touren viel, wir präsentieren uns als Einheit und das wird erwidert von sehr loyalen Fans. Das spielt alles zusammen.

Du erwähntest die Klarträume, mit denen Ihr Euch für das „El Cielo“ Album beschäftigt habt – hast Du das selber ausprobiert?

Ja, ich habe ein bisschen damit herumexperimentiert. Das ist schon eine spannende Sache, aber man muss wissen, wie man damit umzugehen hat. Ich habe mich auch danach noch mit vielen Leuten drüber unterhalten und es kann auch zu echten Problemen führen – manche haben Angst, überhaupt noch zu schlafen.

Die ursprüngliche Idee von Klarträumen ist, dass man selber bestimmt, was man träumen möchte, wie man weiter träumen möchte und wann man damit aufhören möchte. Das Problem ist, dass sogar einer seiner Mitentwickler, Paul Tholey, letztendlich daran gescheitert ist und sich aufgehängt hat…

Siehst Du? Man muss es unter Kontrolle haben. Nein, so weit war ich nicht – und bin es auch nicht mehr. Ich komme gar nicht mehr dazu. Ich hatte die Träume eigentlich nur, wenn ich mal ein Nickerchen gemacht habe – und dazu hab ich heute gar keine Zeit mehr.