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Joan Armatrading 2007Joan Armatrading: Ich wusste schon immer was ich wollte!

Interview 2007

In der Karibik geboren, kam sie als Kind nach Birmingham, England, brachte sich Gitarre und Klavier und Komposition selbst bei und zog in den frühen Siebzigern nach London, um ihr Debütalbum “Whatever's for Us“ zu veröffentlichen. In Deutschland wurde sie in den Achtzigern bekannt durch Hits wie “Love and Affection“ oder “Drop the Pilot“. Wichtiger Baustein ihrer Musik war schon immer ihr Abwechlsungsreichtum. Pop, Rock, Reggae, Soul – Joan Armatrading fühlt sich in vielen Musikstilen zuhause. Ihrem vorletzten Album „Into The Blues“ ließ sie mit „This charming life“ zuletzt wieder eine Hommage an ihre erfolgreichen Achtziger folgen. Im Interview zum „Into The Blues“ Album sprach sie über Inspiration, Abwechslung, Definitionsfragen und Notwendigkeiten im Set ihrer Konzerte.

Bei Deinem Abwechslungsreichtum war v.a. das reine Blues-Album eine Überraschung, oder?
Nun, ich habe mein ganzes Leben schon Songs geschrieben, die vom Blues beeinflusst waren, aber Tatsache ist, dass ich immer verschiedene Stile gemixt habe – Jazz, Rock, Reggae, eben alle Stile die ich mag. Ich bin einfach besessen von Musik, da lass ich mich ungern fest nageln. Gleichzeitig habe ich immer gesagt, dass ich gerne einmal ein reines Blues-Album aufnehmen würde. Aber ich habe keine Ahnung, warum da die Zeit dafür richtig war, es steckte kein Plan dahinter. Ich sagte mir selbst, nein, eigentlich sagte mein Selbst zu mir, lass es uns angehen. Niemand kann sagen, wohin einen die Inspiration führt.

Du hattest also gar kein Einfluss darauf?
Nein, bis auf den generellen Wunsch, das zu machen – aber das ist Jahre her. Es hätte also auch schon 1982 oder 1986 oder 2010 sein können. Aber als ich erstmal damit angefangen hatte, fühlte es sich einfach großartig an. Der Blues kam so aus mir heraus, ich musste mich gar nicht umstellen. Ich hatte gar keine Popsongs oder was auch immer, die ich in einen Blues verwandeln musste, alles war gleich Blues. Gleichzeitig muss man natürlich dazu sagen, dass ja auch der Blues sehr abwechslungsreich ist, und dass dieses Album das auch deutlich beweist. Es gibt Swamp Blues, Blues Rock, Gospel Blues – ich brauche diese Abwechslung.

In der Tat, während der erste Titel noch ein reiner Blues ist, hat schon der zweite Song so viel Groove, dass es schon fast Dub ist. Und „Secular Songs“ ist nicht nur Gospel, das ist schon fast Pop, oder? Ist diese Vielfalt Deine Definition vom Blues?
Ja, absolut, es ist das alles. Ich glaube, manche Leute denken beim Blues immer an Melancholie, Trauer, und dass es einem schlecht gehen muss, um den Blues haben zu können. Dabei ist Blues doch so abwechslungsreich wie alle Musikstile. Wenn man Rock mag, hört man ja auch nicht nur Grunge. Für mich ist es am wichtigsten, dass der Blues eine Geschichte erzählt, dass man sagt, so begann es, so ging es weiter und da führt es mich hin.

Ist das so Blues-typisch?Joan Armatrding 2007
Ja, für mich schon. Natürlich kann „My baby is gone“ auch schon eine Geschichte für sich sein, aber Rock oder Pop-Musik braucht oft gar keine Geschichte. Da geht es um eine gute Hookline, um einen guten Rhythmus, eine Atmosphäre. Ich meine, ich habe selber Popsongs geschrieben, die hatten längst nicht alle eine Geschichte, die sie erzählten.

Hat der Song „Deep Down (I love you Baby)“ auch eine Geschichte? Der sagt – außer dieser Zeile – nicht viel, oder?
Ja, der Song hat eine Geschichte. Ich hatte mich mit diesem Typen unterhalten, und er sprach von all den Problemen, die er mit seinem Mädchen hätte, bevor er feststellte, dass er sie tief drinnen doch lieben würde. Das war mir einfach zu profan. Was will der Kerl? Naja, und das war für mich die Story. Diese wenigen Worte sagten so viel aus. Die Geschichte muss ja nicht immer en detail erzählt werden.

Die besten Texte sind ja eh die, die jedem Hörer Raum lassen für Interpretation.
Ja, alles ist offen für Interpretation. Man hat keine Kontrolle darüber, was andere Leute denken. Man kann klare Definitionen vorgeben, und trotzdem wird es Leute geben, die die Dinge anders sehen. Und ich habe zu Dingen ja auch meine eigene Meinung. Das ist wie in der Malerei. Wie Farben auf den Betrachter wirken, ist bei jedem anders.

Apropos Interpretation – ist „Something’s gotta blow“ noch ein Blues Song? Oder doch eher Rock?
Für mich ist es Blues. Aber Rock ist Blues. Kuck Dir die Stones oder Led Zeppelin an – das ist alles sehr Blues-orientiert. Und das ist die Schönheit des Blues. Blues ist die Wiege für so viele Arten von Musik. Man kann das gar nicht trennen. Auch wenn Jazz-Musiker improvisieren, ist das oft Blues.

Wie schon auf Ihrem letzten Album „Lovers Speak“ lesen wir im Booklet „All songs written arranged produced and recorded” by Joan Armatrading.  
Seit meinem allerersten Song habe ich meine Songs selber geschrieben und arrangiert – es stand nur nie auf den CDs. Ich wusste immer genau, was ich wollte, und wie der Song sich anhören sollte, welche Instrumentierung er bekommen sollte. Und ich habe auch schon immer die Sachen eingespielt. Die Plattenfirma hat mal eine Umfrage gestartet, wer wohl die Gitarrenparts auf meinen Alben spielt, und die Leute tippten auf Knopfler, Eric Clapton, Jimmy Page, all diese Leute, aber sie kamen nicht darauf, dass ich das selbst eingespielt habe. Die Leute waren immer fixiert auf meine Songs und auf meine Stimme. Was auch ok ist. Aber ich habe mein Ding immer allein durchgezogen.

Manchmal kann aber eine zweite Meinung auch hilfreich sein...
Ich spiele meine Songs nie Leuten vor, um sie nach ihrer Meinung zu fragen. Niemals. Der Zeitpunkt, zu dem andere Leute meine Songs hören, ist, wenn wir sie aufnehmen. Ich frage weder die Plattenfirma noch andere Musiker. Ich weiß, was ich will. Ich muss auch nicht mit anderen Leuten arbeiten. Das kann für andere Leute hilfreich sein, aber ich arbeite so nicht.

Joan Armatrding 2007Nun, immerhin hattest Du auch schon andere Musiker auf Deinen Alben.
Ja, aber die Demos waren immer schon komplett fertig. Und seit meinem Debüt 1972 habe ich schon immer viele verschiedene Instrumente gespielt. Ich arrangiere meine Songs gerne. Wenn die anderen Musiker also dazu kommen, hören sie den kompletten Song und wissen genau, was sie tun müssen.

Es ist also nur so, dass Du irgendwann gesagt hast, dass Du das nicht mehr brauchst?
Das habe ich gar nicht gesagt. Ich habe das nur auf diesen beiden Alben nicht gemacht. Abgesehen von der Rhythmusabteilung.

Es gab Zeiten, in denen Du fast jedes Jahr ein Album aufgenommen hast. Aus dieser Zeit stammt ein Zitat, dass Du keine Zeit hättest, andere Musik zu hören. Hat sich daran etwas geändert?
Ich höre nicht viel Musik. Ich höre erst recht keine, wenn ich schreibe – und ich schreibe sehr viel… Ich schreibe, weil ich es liebe zu schreiben und zu arrangieren – das ist mein Sinn meines Lebens.

Es bleibt also nicht viel Zeit für andere Sachen?
Oh, es gibt andere Sachen. Ich bin eine der Beauftragten der Open University, Präsidentin von Woman of the Year und verschiedene andere Wohltätigkeitsaufgaben, aber in erster Linie bin ich ein Songwriter, das ist, wozu ich geboren wurde.

Hat das Blues Album – oder dafür bereit zu sein – etwas mit Alter zu tun?
Nein. Wie gesagt, es gab auf allen meinen Alben schon Blues Songs.

Also wäre dieses Album so auch schon vor 30 Jahren möglich gewesen?
Wenn ich in der richtigen Stimmung dafür gewesen wäre, ja. Deswegen sagte ich ja, ich habe keine Ahnung, warum jetzt die Zeit dafür richtig war. Schon mein erstes Album hätte die richtige Zeit dafür sein können – Inspiration kann man nicht steuern. Ich setze mich ja nicht hin und warte darauf, dass mir ein Song in den Schoß fällt. Du erwähntest „Something’s gotta blow“. Der Song entstand, als ich in einer U-Bahn in London saß. Früher hatten sie mal, wenn es einen Selbstmord auf den Schienen gab, gesagt, es würde zu Verzögerungen kommen, bla bla bla. Aber dann haben sie sich entschieden, künftig den Grund zu nennen, damit jeder für sich die Sache verarbeiten könnte, und sich nicht einfach ärgern müsste, weil der Zug zu spät kommt. An dem Tag kündigten sie einen solchen Selbstmord an, wir waren dicht gedrängt in diesem Zug, den Leuten war heiß, die Luft war stickig und manch einer sah aus, als wenn sein Kopf gleich explodieren würde. Als ich an diesem tag nach Hause kam, schrieb ich den text für „Something’s gotta blow“. Aber warum an dem Tag?  Es war nicht das erste Mal, das ich in einer solchen Situation war, nicht einmal das fünfte Mal erst. Aber es kommen viele verschiedene Dinge zusammen, um für die richtige Inspiration, die richtige Kreativität zu sorgen. Es ist und bleibt ein Mysterium.

Du könntest also nicht sagen, wie sich das nächste Album anhören könnte?
Nein, keine Idee. Es könnte alles sein. Und ich weiß es nicht, bevor ich das nächste Album angehe, und die ersten Songs schreibe.

Welche Auswirkungen hat das jeweils aktuelle Album auf die Tournee? Wird das eine typische Joan joan_armatrading_2007Armatrading Show, oder ein Blues-Konzert?
„Love And Affection“ ist kein Blues-Song und ich werde auch keinen draus machen, also kann ich gar kein Blues Konzert machen. Und es gibt einige Songs, die ich nicht auslassen will und werde – Willow, Drop the Pilot, die Leute werden alle Songs hören, die sie hören wollen. Wenn ich auf ein Konzert gehe, will ich ja auch bestimmte Songs hören, da wäre ich doch enttäuscht, wenn die einfach weggelassen würden, nur weil sie gerade nicht ins Konzept passen. Trotzdem wird die Show ein gewisses Blues/Jazz-Feeling haben, wird der Rest der Songs so ausgewählt sein, dass es ein abgerundetes Set wird. Was im Endeffekt etwas ist, was ich immer gemacht habe.

Nun, manche Künstler scheren sich weniger um das, was ihre Fans unbedingt hören wollen…
Aber „Love And Affection“ ist nur ein Song. Ich stehe zwei Stunden auf der Bühne, da hab ich doch noch genug Zeit, all die anderen Songs unterzubringen, die ich spielen möchte. Ich finde es wichtig, diese Songs zu spielen. Wo auch immer ich in der Welt hinkomme, es ist nur möglich durch „Love And Affection“. Also wo immer ich auch hinkomme, werde ich diesen Song spielen. Aber ich habe kein Problem damit, ich bin sehr stolz auf den Song. Und immerhin variiere ich das Arrangement, also weiß man nie vorher, was einen erwartet.