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Roland Orzabal / Tears For Fears

 Interview 2001

 

Wie kaum eine andere Band hat das britische Duo Tears for Fears die Popszene der 80er Jahre geprägt, und das, obwohl in diesem langen Zeitraum nur 3 Alben auf ihr Konto gingen. Jedes einzelne jedoch setzte Maßstäbe für den aktuellen Stand und die Zukunft der Popmusik. Eine Tatsache, die sich nicht nur in nüchternen Zahlen wie Chartplazierung und Verkäufen spiegelt, sondern auch vor allem darin, dass die beiden mit jeder LP erfolgreich neue Wege beschritten. Das melancholisch angehauchte LP-Debut "The Hurting" von 1983 mit seinem leicht unterkühltem Synthie-Pop brachte mit "Pale Shelter" und "Mad World" eigentlich schon den Durchbruch, das insgesamt kompaktere und kräftiger arrangierte 85er - Album "Songs from a big chair" aber wurde mit den beiden Riesenhits "Shout" und "Everybody wants to rule the world" eine der meistverkauften LPs der Achtziger. Statt gleich an den Erfolg anzuknüpfen zogen sich die beiden darauf hin 4 Jahre zurück und ließen sich Zeit für ihr ambitioniertestes Werk "The Seeds of Love", eine erneute Steigerung des Abwechslungsreichtums und einmal mehr eine Band absolut auf der Höhe der Zeit.

Allerdings war dieses Album auch das Ende der Zusammenarbeit Orzabal/Smith. Die 1991 veröffentlichte Compilation  mit dem bezeichnenden Titel „Tears Roll Down“ war der beeindruckende Rückblick auf ein großes Kapitel Musikgeschichte. Ein Kapitel, das zwar weitergeführt wurde, mit „Elemental“ und „Raoul and the Kings of Spain“ sogar noch zwei weitere Alben hervorbrachte, dessen Zenit aber überschritten war. Das „Solo-Projekt“ Tears For Fears, so großartig die beiden letzten Alben waren, war nur noch die Hälfte wert.  Zeit für Roland Orzabal, einen Schlussstrich zu ziehen, und wieder von vorne anzufangen. Unter seinem Namen. Mit „eigenem“ Material. Mit einer neuen Zukunft.

Das dritte Album nach dem Split von Curt Smith, aber das erste, das nicht unter dem Namen Tears for Fears erscheint, sondern unter Deinem Namen - warum?

Gute Frage, und ich bin mir nicht einmal richtig sicher. Tears For Fears hatten bei fast allen Platten das selbe Thema, dass sich durch die Songs zog. Es ist ja kein Geheimnis mehr, dass wir uns benannt haben nach dem Buch von Arthur Janov über die Urschreitherapie, und seine Theorien über Kindheit, Kindererziehung, Neurosen und dergleichen waren Themen, die uns, Curt und mich, sehr lange inspiriert haben. Und selbst, als Curt nicht mehr zur Band gehörte, habe ich in der selben Art weiter gemacht, Songs zu schreiben bis zum letzten Album „Raoul and the Kings of Spain“. Damit war für mich die Linie dieser Statements beendet und der Bogen gespannt, von meiner Kindheit und meinem Vater bis hin zu meiner eigenen Vaterschaft und meinem ersten Sohn Raoul. Damit bin ich dann auch eine ganze Weile auf Tournee gewesen, und danach fand ich, das war genug zu diesem Thema, es war für mich abgeschlossen. Ich brauchte einen neuen Weg, und auch einen neuen Ansatz für mich zur Musik. Ich hatte Platten gemacht, seit ich 18 war, und ich brauchte eine Auffrischung.

 

Um bei den Texten zu bleiben - wovon handeln die Songs jetzt?

Nun, ich habe mein Leben lang Konzeptalben gemacht. Ich habe meist mit dem Albumtitel angefangen, und erst dann angefangen, Songs zu schreiben, die diesen Titel reflektierten. Dadurch sind die Songs immer sehr bedeutungsschwanger geworden. Das ist eine Art, als Künstler zu arbeiten, aber ich glaube, sie ist nicht mehr zeitgemäß. Die Zeiten haben sich geändert, die Kultur hat sich geändert. Wir kucken und Big Brother im Fernsehen an und der größte Star ist der DJ. Der Künstler an sich ist tot. Also wollte ich aufhören, zumindest für eine Weile, über mich zu schreiben, über meine Schmerzen, meine Vergangenheit und meine Geschichte. Also habe ich versucht, so viel über gar nichts zu schreiben, wie möglich. Was natürlich nicht möglich ist.

Also hat auch der Titel, „Tomcats screaming outside“ keine Bedeutung?

Nein. Eigentlich nicht. Das hat meine Frau mir mal zugerufen, als das Taxi da war. Und die Songs sind einfach bunt zusammengewürftelt. Endlich einmal konzeptlos. Über unsere Fast-Food-Kultur, frühreife Mädchen und die Notwendigkeit von Betäubungsmitteln. Aufregend, oder?

 

Dann kommen wir lieber zu musikalischen Änderungen. Gab es da auch einen roten Faden durch die Tears For Fears Alben?

Nun, die tff-Alben waren Bandalben, sie waren immer geschrieben für eine Menge Leute und auf der Basis von Rocksongs. Dieses Mal sprechen wir zum ersten Mal von 140 oder 160 Beats per Minute – und das ist schon ein etwas anderer Energielevel als die früheren Songs.

 

Mit dem Ausstieg von Curt Smith hat ja auch die Popularität von Tears For Fears immer mehr abgenommen, das letzte Album „Raoul...“ konnte gerade noch Bruchteile der Erfolge von euren ersten Alben einfahren – war das auch ein Grund für den Namenswechsel?

Nein, weil ich immer noch glaube, dass aus rein kommerzieller Sicht, der Name tff noch für größere Verkaufszahlen gesorgt hätte. Der Name Orzabal ist relativ unbekannt, von daher muss ich mir den Musikmarkt schon von sehr weit unten wieder erarbeiten. Trotzdem haben bei mir die künstlerischen Aspekte überwogen.

 

Und was hast Du für Erwartungen zum neuen Album?

Um ganz ehrlich zu sein, ich habe gar keine Erwartungen. Die Sache ist einfach die: ich habe so viele Jahre Musik mit so viel Erwartungen gemacht, es ist einfach ein Problem, wenn Du von einem Album 8 Millionen Einheiten verkaufst. Gelingt dir das bei nächsten Mal nicht wieder, dann bist du tot. Das ist Schwachsinn, und Musik sollte so nicht sein, und Leben auch nicht. Junge Musik gehen von einem ganz anderen Standpunkt an die Musik heran, und ich glaube, das wollte ich auch.

Würdest Du noch einmal ein Millionenseller sein wollen?

Manchmal ist das einfach gar nicht wichtig, denn der Prozess, mit dem du die Songs schreibst, ist der selbe. Das ist, wie das Leben eines Fußballers, egal ob Du in der 1. oder 3. Liga  spielst, Du gibst immer das was Du kannst, und du gehst raus und spielst.

Aber es ist ein Unterschied, ob Du vor 10,000 oder vor 500 Leuten spielst.

Nein, eigentlich nicht. Auf der letzten Tournee habe ich genau das getan, ich hatte 10,000 kreischende Fans vor mir genauso wie, z.B. in Amerika, 1000. Aber die Show bleibt die gleiche. Du gehst raus, und willst gut sein. Und manchmal machen kleine Gigs eh mehr Spaß.

Was sind Deine Ziele bei einem Live-Gig?

Das ist einfach: Du mußt eine Veränderung der Stimmung des Publikums hinkriegen. Am Anfang wissen sie nicht, was sie erwarten sollen, also arbeitest Du und arbeitest, und irgendwann kriegst Du sie. Und das ist es, was ich liebe. Diese Transformation. Und die Herausforderung.

Wieviel ist spontan?

Sehr wenig, um ehrlich zu sein.

Aber ist es nicht wichtig, auf das Publikum zu reagieren?

Es ist alles ein Schauspiel. Man kann spontan sein, aber man muss Plan B haben, man muss den sicheren Weg in der Hand haben, um sie trotzdem zu kriegen. Ich meine, es gibt Musiker, die kommen auf die Bühne, und sagen ´was für ein schreckliches Publikum heute´. Aber ich finde, das ist nicht richtig. Ich meine, ich habe wirklich schwierige Plätze gehabt.

Ich habe tff zuletzt auf der ´Seeds of Love´-Tour gesehen, und muss sagen, das kam mir doch recht statisch vor...

Ja, es war langweilig. Ich würde sagen, dass tff nie eine Live-Band waren bis zur `Elemental´-Tour. Die letzten beiden Tourneen waren ein großer Unterschied zu dem, was tff vorher waren, aber da gab es auch einfach Material, das dafür gemacht war, es live zu spielen. Es gab wesentlich mehr rockige Elemente. Ich habe gerade das Live-Video von der Tour mal wieder gesehen, und dachte, ´das ist eine Show-Band. Next Stop Las Vegas´.  Eine Best-of-Revue ohne Emotionen. Da frage ich mich, was ist mit Tears For Fears passiert? Die Entwicklung, die die Band vom 1. Bis zum 3. Album durchgemacht hat, war einfach verrückt.

Lässt sich das neue Material auf die Bühne bringen?

Ohne Probleme, du wirst überrascht sein.

Computer sei dank...

Natürlich, aber die haben wir auf den letzten Tourneen auch benutzt, da ist nichts falsches dran.

 

Wie ist heute Deine Beziehung zu Curt Smith?

Wir reden wieder miteinander! Nachdem wir das neun Jahre lang nicht getan haben. Und wir haben sogar einen Song zusammen geschrieben. Mal sehen, was sich daraus weiter entwickelt.

Magst Du noch darüber reden, oder lieber nicht? Was ist passiert damals?

Zugegeben, man wird immer wieder danach gefragt, aber das ist Teil des Show-Business... was ist passiert? Nun, wir starteten als Duo, zwei beste Freunde, die ihre Träume verwirklichen wollten. Und dann fingen wir an, uns weiterzuentwickeln, das alte Spiel. Und ich begann, Tears For Fears zur Verwirklichung meiner Selbst zu benutzen, modifizierte es immer mehr, knetete es von allen Seiten, und „The Seeds of Love“ war das letzte Ergebnis. Und auf dem weg dahin hörten wir auf, ein Duo zu sein. Ich meine, ich hatte Oleta Adams mit hinein gebracht, einen Bassisten, der Curts Parts einspielte, es wurde immer mehr zu meinem Baby.

Und dann hast Du ihn rausgeschmissen...

Nein, das hat er selbst besorgt. Nein, er hatte sich entfremdet, und hatte keine Lust mehr.

Die Songs waren also mehr oder weniger von Dir?

Ja. Immer schon. Ich meine, Teile davon waren „Co-writing“-Songs, aber der Großteil kam von mir.

Wird es eine Tournee zur neuen Platte geben?

Da sind wir wieder bei den Erwartungen zur Platte. Ich würde sehr gerne auf Tour gehen, aber das hängt von den Erfolgen der Platte ab. Insofern kann man natürlich sagen, dass ich hoffe, dass sich das Album gut verkauft!