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Frost* -  Jem Godfrey und John Mitchell im Online-Chat

Interview 2021. Ältere Interviews: 2016   2006

Wer hat an der Uhr gedreht? Sind es wirklich schon wieder 5 Jahre seit ihrem letzten Studioalbum "Falling Satellites"?! In der Tat haben sie es geschafft, mit der zwischenzeitlochen Veröffentlichung ihrer EP, dem Rest ihrer „Satellites“-Aufnahmen im Januar 2020 sowie v.a. der 8-CD Box "13 Winters", die jeden Fan eine Weile beschäftigt gehalten haben dürfte, die Zeit so zu überbrücken, dass die Zeit wie im Flug verflogen ist. Und nun kommen sie also schon wieder zurück mit einem neuen Album, das voller Selbstbewusstsein einen Sound präsentiert, der trotz des mittlerweile fest zum Line-Up gehörenden John Mitchell so typisch Frost* ist, dass höchstens marginale Referenzen mit IQ oder It Bites (bzw. Lonely Robot) erlaubt. Zum Interview meldeten sich mit Jem Godfrey und John Mitchell gleich zwei Drittel der Band per online Konferenz bei Ralf Koch.

 

Mein erster Gedanke war, wow, ihr seid schnell! Aber dann habe ich gesehen, dass „Falling Satellites“ fünf Jahre her ist! Irgendwie habt ihr geschafft, euch ordentlich im Gespräch zu halten.

John: Hmm, interessante Sichtweise! Kann sein, ja. 

Jem: In der Tat war ich selbst überrascht, dass „Satellites“ schon fünf Jahre her ist. Das kann aber daran liegen, dass wir nach „Experiments“ eine 7-Jahres-Pause hatten, in denen so vieles anderes passiert ist – mein Studio, meine Kinder etc. Ja, und dann haben wir in der Zeit seit dem letzten Album zudem noch die Box veröffentlicht, ein paar Konzerte gespielt…

Zudem sind die Songs der EP, die ihr Anfang letzten Jahres veröffentlicht habt, nicht einmal Teil des Albums!

Jem: Nein, die gehörten eigentlich noch zum „Satellites“-Album, das sollte nämlich ursprünglich ein Doppelalbum werden, deswegen gab es noch so viele Songs, die ich zu der Zeit hatte. Nur irgendwie entschieden wir uns gegen ein Doppelalbum und eigentlich passten sie auch nicht zu der übergreifenden Idee des Albums, also haben wir uns die 6 Songs rausgepickt und sie als EP veröffentlicht.

Die ganze Veröffentlichungspolitik hatte also nichts mit Corona zu tun?

John: Nein, das neue Album haben wir sogar im September 2019 schon angefangen. Wir haben uns nach Cornwall verzogen und 6 Songs in 7 Tagen geschrieben, von denen jetzt 3 auf dem Album gelandet sind, ein weiteres ist auf der japanischen Version. Drei weitere Songs haben wir bei einer Session in Hastings geschrieben und drei hat Jem noch letztes Jahr geschrieben.

Ihr hattet also einen Zeitplan – und habt ihn sogar geschafft einzuhalten?

Jem: Jein. Wir hatten die ersten Songs und dann habe ich sie 3 Monate lang erstmal nicht mehr angerührt. Und dann kamen wir mit InsideOut ins Gespräch und einigten uns auf den Termin 2021. Allerdings sagten sie uns zu spät, wie früh sie das Album für die Vinylversion bräuchten, deswegen mussten wir es noch einmal schieben von März auf Mai, aber: here we are!

Das Interessante ist, dass ihr wirklich geschafft habt, euren eigenen Sound zu etablieren, den man nicht mehr an irgendwelchen Vergleichen festmachen muss, bzw. kann.

Jem: Das nehme ich als Kompliment. Gleichzeitig ist der Sound trotzdem das Ergebnis von uns beiden, und wir schreiben durchaus unterschiedlich. John schreibt auf der Gitarre, entsprechend sind seine Songideen eher Gitarrenbasiert, meine sind eher Keyboard-orientiert. Aber letztlich mischen wir das ganz gut. Er spielt was, und ich sage „Ah!“, dann füge ich etwas hinzu und er sagt „Oh!“ – also ist es ein wenig wie musikalisches Tennis. Sehr sportlich!

Der Song „The Boy who stood still“ hat einen starken Konzeptalbum-Charakter.

Jem: Da kommt das Albumcover mit ins Spiel. Wir hatten relativ früh eine Idee, wie es aussehen sollte, und als sich das entwickelte, inspirierte mich das wiederum zu dem Song. Und letztlich gibt es ein übergreifendes Thema für das Album, weil wir in den letzten 5 Jahren einfach eine überdimensionale Zunahme der Bedeutung der sozialen Medien beobachtet haben, jeder hat eine Stimme, jeder muss seine Meinung kundtun, nur hat keiner Zeit zuzuhören, weil jeder beschäftigt ist, seine Meinung kundzutun. Wir sind so schnell damit, zu kritisieren, zu bewerten, zu moralisieren – und diese 5 Figuren versuchen das zu verdeutlichen.

John: Die sozialen Medien haben so vieles verändert, jeder meint plötzlich, sich dort eine Bestätigung suchen zu müssen – und ist sich gar nicht der psychologischen Folgen bewusst.

Jem: Die Menschen werden doch komplett paranoid. Sie fühlen sich dadurch wichtiger als sie sind.

John: Besonders auf Progrock-Foren, ich weiß nicht, ob dir das schonmal aufgefallen ist (lacht). Nein, in der Tat haben die jungen Leute mittlerweile Angst, zu kommunizieren. Sie schaffen es nicht einmal mehr, den Telefonhörer abzunehmen und texten stattdessen lieber, weil sie so der direkten Konfrontation aus dem Weg gehen können.

„Island Life“ ist extrem hitverdächtig! Gibt es eine Chance, damit ins kommerzielle Radio zu kommen?
Jem: Zufälligerweise habe ich gerade heute Morgen eine Radio Edit Version davon gebastelt. Also: Mal sehen, aber man kann das leider nicht vorhersagen.

Aber hast du nicht entsprechende Kontakte, die da hilfreich sind?

Jem: Ja, aber da gibt es auch einen kleinen Interessenskonflikt, wenn man plötzlich selbst der Künstler ist, deswegen wirkt das meist nicht so günstig.

John: Zudem ist das eher Sache des Plattenlabels.

Ihr habt drei verschiedene Drummer. Wie ist das entstanden?

John: Es hat sich so entwickelt, nachdem Craig (Blundell) uns verlassen hat, weil er so beschäftigt war mit Steven Wilson. Wir dachten zuerst an Nick D´Virgilio, aber das wäre für Auftritte geografisch zu aufwändig geworden. Dann dachten wir an Pat Mastelotto, gar nicht so sehr wegen King Crimson, sondern weil wir 80er-Jahre-Kids sind, also wegen Mr. Mister. Dieser „Broken Wings“ Groove war genau das, was für uns für „Skywards“ vorstellten. Witzigerweise sah er uns auf dem Progferry-Gig und kam hinterher und meinte, was wir für einen tollen Gig gespielt hätten. Aber mir ging es gerade gar nicht so gut, weil ich mir einen Mega-Sonnenbrand auf den Beinen geholt hatte, und sagte nur ´oh yeah, thanks, mate´ und drückte den Knopf für den Lift, bis mir danach bewusst wurde: Hey, das war Pat Mastelotto! Oh no! Fail! Aber wir haben es trotzdem geschafft, in für zwei Songs auf dem Album zu gewinnen. Darby (Todd) haben wir bei einem Jazz-Gig gesehen und fanden ihn gut, Kaz (Rodriguez) ist ein Session-Drummer, den wir im Internet gefunden haben. Er ist echt eine Maschine, er macht eine Menge Pop und er versteht es perfekt, den Takt zu halten und spielt dir auf den Punkt ein, was du willst. Es gab noch weitere, aber so haben wir jetzt drei, das waren die Aufnahmen, die Live-Umsetzung steht auf einem ganz anderen Blatt.

Ihr hattet also verschiedene Drum-Sounds für verschiedene Songs im Kopf und habt danach die Akteure ausgewählt?
Jem: Absolut. Wir haben die Drums am PC skizziert und wussten, wer am besten passt. Sie schickten uns dann in den meisten Fällen verschiedene Versionen, von denen wir die beste ausgewählt haben. Nur bei „Waitung for a Lie“ war es Darby`s „1st take“, das schickte er mir schon 15 Minuten später zurück und es war perfekt.

OK, wir müssen noch einmal über die Box sprechen. Nach nur 3 Alben so eine Box rauszuhauen, ist ja nicht alltäglich…

Jem: Ja, es war ein bisschen die Idee der Plattenfirma. Wir waren ja schon eine Weile unterwegs und haben nur so lange gebraucht, diese 3 Alben einzuspielen. Und unser Deal war eigentlich am Ende und wir sprachen über Möglichkeiten, wie es weitergehen könnte. Und dann kam ich darauf, dass ich das „Experments“-Album gerne noch einmal überarbeiten würde. Wie es oft so ist, war vieles damals in letzter Minute entstanden und infolge ungünstiger Kommunikation wurde das Album zweimal gemastert, deswegen wurde es oft kritisiert für seinen harschen Sound. Das habe ich jetzt behoben und habe bei der Gelegenheit auch einiges an Überinstrumentierung wieder rausgenommen, deswegen meine ich, atmet es heute viel freier.

Die Philadelphia-Show gab es nur als CD, oder? Ich hab mal geschaut, bei Amazon wird sie für 553 € angeboten….

John: Hast du sie gekauft?

Klar, gleich zwei. Die verkauf ich jetzt für das Doppelte. Muss sich ja lohnen.

Jem: Es sollte ursprünglich eine Doppel-CD werden, wir mussten sie ein wenig kürzen.

Was für ein Intro! Was für ein Kompliment an das Publikum! So etwas Besonderes hört man selten!

Jem, Ja, danke. Wir hatten eine ganze Weile, uns auf die Show beim Rosfest vorzubereiten, deswegen wollten wir eine große Fanfare – auch weil wir wussten, dass wir die Show aufnehmen würden. Wir haben eine abgeänderte Version davon später noch einmal mit It Bites benutzt.

Wir? Hast du bei It Bites mitgespielt?
Jem: Nein, es war ein Frost*/It Bites Double-Headliner, 2010. Gee, das ist auch schon wieder 11 Jahre her…

Und die „Falling Satellive“ taucht in der Box zum ersten Mal auf?

Jem: Ja, das war Craigs letzte Show mit uns 2017. Es war das Ende einer Ära und wir fanden das passend, das festzuhalten.

John: Die Venue ist nicht besonders groß und wir verkauften die 500 Tickets so unglaublich schnell, dass es sich wirklich wie ein Homecoming anfühlt.

Ihr wart bislang nie sonderlich viel aktiv live, oder?
Jem: Nein, das stimmt. Ehrlich gesagt, meine ich auch, dass das nie unsere Stärke war, aber wir haben uns fest vorgenommen, daran zu arbeiten. Sobald wir einen neuen Drummer haben, werden wir das angehen, schließlich wollen wir ja das neue Album auf die Bühne bringen!

Ihr sucht also noch einen weiteren neuen Drummer?
Jem: Ja, es wird keiner der drei sein, wahrscheinlich wird es aber auch nur ein loses Mitglied sein. Wir fühlen uns als Trio sehr wohl, es erleichtert Vieles was das Songwritning angeht. Ich meine, John und ich schreiben die meisten Sachen und Nathan (King) bringt sich gerne mit ein, aber wenn sich jetzt noch eine vierte Person da einmischt…, nein, das muss nicht. Nein, ich denke, es wird eher so eine Chester Thompson-Sache werden, wir holen einen, wenn wir ihn brauchen.

John: Gute Idee eigentlich, wir besorgen uns seine Nummer! Besser wir nehmen Chester Thompson, als nach einer Chester Thompson-Sache zu suchen.

Apropos It Bites, John: Ich habe gerade von den Rereleases gelesen! Gibt es neue Extras?

John: Ja, nochmal neues Geld für altes Zeug! (lacht). Aber nein, nichts Neues. Ich habe sie remastered, und sie werden erstmals beide auf Vinyl veröffentlicht. Letztlich ist es eine vertragliche Sache. Das Label hat immer eine Lizenz für eine bestimmte Zeit und die galt es jetzt zu erneuern und da kommt man immer wieder auf neue Ideen. Und es gab noch zwei Songs, die wir hatten, die sind jetzt noch mit dazu gekommen… das Album war ohnehin schon zu lang, jetzt ist es noch länger!

Bedeutete Lonely Robot das Aus für It Bites?
John: Nein, It Bites kamen zum Ende, weil wir unser Manager ein komplettes Arschloch war. Es hat zwei, drei Jahre gedauert, bis ich überhaupt wieder daran dachte, Musik zu machen, weil das Ende wirklich böse war. Und ich bin sehr froh, dass ich Lonley Robot gestartet habe, weil ich dadurch den Spaß und den Enthusiasmus für Musik wiedergefunden habe.