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Flying Colors – Steve Morse
Interview 2019
Zehn Jahre, drei Alben – das wäre für eine normale Band
neben unzähligem touren wäre das ein fast normaler Output. Für die Jungs der
fliegenden Farben war das schon eine logistische Maximallösung, denn in
denselben zehn Jahren haben sie nebenbei noch diverse Alben mit ihren
eigentlichen Bands und Projekten aufgenommen – und auch für das gemeinsame
Livespielen blieben bislang immer nur einzelne Termine. Gerade mal zwei waren
es im Dezember für ihr neues Album – aber Gitarrist Steve Morse verspricht die
Suche nach Zugabemöglichkeiten. Und verrät Ralf Koch noch ein paar mehr Dinge
zum neuen Album!
Glückwunsch zum 3.
Album!
Danke, wir sind froh, dass wir es wirklich geschafft haben,
das fertigzustellen.
Scheint gar nicht so
einfach gewesen zu sein…
Nein, besonders für mich. Mike und Neal sind es gewohnt,
schnell zu arbeiten, aber ich brauche da meistens etwas länger, bremse die
anderen gerne auch etwas aus…
Album Nummer 3 – war
diese Band eigentlich immer als Band geplant, oder war das anfangs einfach nur
ein Spaßprojekt?
Ja! Jein…. Beides. Tricky Question. Ich hatte es immer schon so geplant, aber
ich war eigentlich viel zu beschäftigt mit Purple, um mir ein zweites
Fulltime-Projekt aufzubauen. Wie gesagt, Neal und Mike waren das schon eher
gewohnt, sie haben sich also diese Frage eigentlich nie so stellen müssen,
glaube ich. Also war das Ganze insofern als Projekt geplant, als ich davon
ausging, dass wir kaum die Gelegenheit haben würden, wirklich zusammen zu
arbeiten. Schreiben, Ideen austauschen, vielleicht mal zusammenkommen, ja. Aber
eine Bandidee, dass wir zusammenkommen, zusammen schreiben, das war anfangs gar
nicht so denkbar. Heute ist es das, was diese Band zu dem macht, was sie ist
und diese Songs auch so einmalig macht. Ich sage jetzt immer, bringt keine
fertigen Songs mit, das muss sich entwickeln. Also Ideen, ja, aber nichts Fertiges.
Hat sich die
Zusammenarbeit vereinfacht über die Alben?
Ja, wir sind mehr aneinander gewöhnt, wissen schon eher, was wir von den
anderen erwarten können, bringen Ideen auch schon anders ein. Das war schon bei
den Dixie Dregs so. Wenn ich für die Jungs Songs geschrieben habe, konnte ich
mir immer schon vorstellen, wie sich das bei den anderen anhören würde – und
mittlerweile geht es mit bei den Flying Colors genauso. Ich kenne Neals und
Caseys Stimmfarben und –volumen, die Sounds der anderen.
Kennst du alle Bands
und Projekte der anderen?
Ja mehr oder weniger, das ist für mich Voraussetzung dafür, intim mit ihnen
arbeiten zu können. Bei Casey war das besonders spannend – Mike hatte ihn
vorgeschlagen – denn ich kannte ihn vorher nur von VH-1 – und da hat er
Soft-Pop gemacht, und wir konnten uns gar nicht vorstellen, dass das passen
könnte. Aber als wir ihn erstmal getroffen haben, ihn gehört haben und wussten,
dass es seine Plattenfirma war, die ihn so eingepfercht hatte und ihm s
vorgeschrieben hatte, was er mit seiner Band Alpha Rev machen sollte, da wurde
uns klar, was seine Möglichkeiten waren. Merke: Never judge a book by its
cover!
Aber es war
schon so, dass ihr von Anfang an alle
Ideen mit einbrachtet?
Ganz am Anfang waren es nur Neal und ich – zusammen mit
Kerry Livgren. Das war die ursprüngliche Idee für eine intensive Writing
Session. Aber Kerry hatte einen Schlaganfall und konnte nicht – da standen Neal
und ich plötzlich etwas verlassen da. Wir trafen uns, es lief super und wir
wussten, dass wir das weiter verfolgen sollten – aber wie am besten? Es war ein
bisschen so wie mein Einstieg bei Deep Purple. Da sollte ich eigentlich nur aushelfen
für ca. 40 Shows. Aber es machte so viel Spaß zusammen, dass sie mich dabei
behalten wollten.
Ich glaube, das war
eine Sache, die du erwähntest, als wir uns 2010 unterhielten. Du erwähntest ein
Projekt mit Neal, wolltest aber noch nicht zu viele Details preisgeben – naja
und das erste Album erschien ja auch erst 2012.
Ja, das kann gut sein. Wir hatten eine Weile drüber
gesprochen, bis es wirklich losging.
Hat sich die
Bandidentität geändert über die Zeit?
Wir lieben die Abwechslung – also ja, es haben sich Dinge
geändert. Mike könnte dir darüber wahrscheinlich besser Auskunft geben, er hat
diese Fähigkeit, Dinge so wunderbar analysieren zu können. Deswegen ist es auch
so schwer, mit ihm zu streiten, weil er immer so gute Argumente hat.
Ich meine, Mike und
Neal kamen vom Prog – aber diese Band war eigentlich schon immer etwas anderes,
oder?
Ja, aber das kommt eben aus dieser Konstellation. Das macht
es so interessant für uns und so viel Spaß für alle. Wir haben keine
Limitierung, da taucht plötzlich ein Country-Bit auf, dann kracht die
Rock-Gitarre rein – es ist schwer zu kategorisieren. Wir sind zu rockig für
Jazz, zu jazzig für Rock, zu straight für Prog, zu Country für Rock.
Bedeutet diese Band
dasselbe für alle Mitglieder? Ihr habt alle eure anderen Bands und Projekte –
wie wichtig ist diese Band für euch?
Oh, für mich kann ich sagen, es gibt keine Band wie diese
für mich. Ich genieße diese Zusammenarbeit, ich genieße die Einmaligkeit
unserer Arbeitsergebnisse und ich bin stolz darauf, Teil dieses Teams zu sein.
Und damit dann auch noch Erfolg zu haben – nicht in Form von Albumverkäufen
oder Publicity, sondern, diese Erfolgserlebnisse, etwas einmaliges geschaffen
zu haben, das macht mich so glücklich.
Wie oft seid ihr für
das neue Album zusammengekommen?
Nicht oft. Und das auch och verteilt über zwei Jahre. Wir
kamen das erste Mal bei mir in Florida zusammen, das zweite Mal bei Mike in
Pennsylvania. Mit diesen beiden Sessions hatten wir mehr als genug Musik
zusammen. Neal und Casey arbeiteten dann an den Texten und wir kamen zusammen,
um das aufzunehmen. Aber diese unglaublich talentierten Jungs beim Arbeiten zu
erleben, ist was diese Aufnahmesessions zu spannend macht. Zu sehen, wie
schnell sie Ideen umsetzen und verarbeiten können, ist was diese Band so
wertvoll macht.
Gleichzeitig ist
diese Band eher klein im Vergleich zu euren anderen Projekten…
Ja, aber wir machen es alle für die Liebe zur Musik. Das
kreative Potential dieser Band ist riesig und es ist eine Riesenmöglichkeit,
sich hier auszuleben. Leider machen uns die zeitliche Limitierung auch schwer,
daraus mehr zu machen.
Ja, es gab gerade mal
zwei Konzerte in Deutschland…
…und das war schon die halbe Tournee in Europa! Das
Zeitfenster war einfach zu klein, dann kam Weihnachten und dann war für mich
auch schon wieder für Purple an der Reihe. Aber wir hoffen, dass wir nochmal
ein bisschen Zeit – sprich mehr Konzerte – nachschieben können. Aber Purple
werden mir auch im nächsten Jahr noch nicht viel mehr Zeit und Raum geben. Die
Infinity Tour ist zwar Anfang des Jahres vorbei aber es sind noch weitere Aktivitäten
geplant, über die ich aber noch nicht viel mehr sagen darf.
OK… dann lass uns
noch über einen Namen reden, den wir an dieser Stelle unbedingt noch fallen
lassen müssen: Bill Evans. Er ist so etwas wie der Erfinder der Colors.
Ja, so könnte man das sagen. Er hat Neal und mich
zusammengebracht. Ich kannte Kerry von früheren Aktivitäten, habe mit ihm
gespielt und habe sein Schreiben immer bewundert. Das Gleiche mit Neal, ich
habe ihn nie getroffen, aber da wir den selben Nachnamen haben, hatte ich mich
schon immer für ihn interessiert und immer gesagt, wir müssten es mal
zusammen probieren. Bill hatte die Idee,
dass wir das in dieser Dreierkonstellation machen sollten.
Ist Bill auch dabei,
wenn ihr jetzt zusammen schreibt?
Manchmal, ja. Für das neue Album kam er spät, aber er kam.
Er sollte eigentlich die Aufnahmen leiten, aber letztlich habe ich das gemacht
– was mich eigentlich ein wenig überfordert hat – die einzelnen Spuren der
Jungs und nebenbei noch das Songwriting, also war ich froh, als Bill kam. Und
bei den Aufnahmen bei Mike war Jerry (Guidroz, Anm.) dabei. Wir hatten die
Rough Takes, die die Grundlage für die Overdubs der einzelnen diente.
Was war dann Bills
Part?
Ich würde Bill einen Outside Insider der Band nennen und
auch als Bandmitglied, aber ich glaube nicht alle in der Band sehen ihn so. Er
macht Vorschläge, wie man etwas angehen könnte, manchmal in einer naiven,
objektiven Art, die sehr hilfreich ist. Genauso haben wir mit den Dixie Dregs
gearbeitet – alle machen das so und so, warum versuchen wir es nicht mal so und
so. Bill geht durch die Songs und pickt sich raus, was ihn stört. „Kannst du
das nochmal anders machen“?
Und kannst du
zusammenfassen, was er mit seiner Software (HPAR-Technologie; Harmonic Phrase
Analysis and Restoration) macht, die er
entwickelt hat?
Er bringt Transparenz in den Sound. Manchmal auf subtile
Art, aber seine Songs sind viel klarer als die, die wir aufgenommen haben. Für
einen Gitarristen ist eine Squire Strat etwas komplett anderes, als eine 1964
Strat, für den Hörer ist da nur ein subtiler Unterschied. Bill kann die
Aufnahmen der Noten belassen, aber ihren Charakter ändern und hörbarer machen,
ohne die Lautstärke zu verändern. Er verändert die Harmonien. Bill ist ein
Computernerd und seine Erfindung ist schon ziemlich nerdy, aber Steinberg wird
es nun übernehmen, glaube ich.
Und dann war da noch
diese Technik – nenn es Spielerei oder nicht – dass er mit euch auf Tour gehen
könnte und eure Fehler löschen könnte während ihr sie auf der Bühne macht… hab
ich das richtig verstanden?
Das ist möglich, dass er das machen könnte, aber so machen
wir das nicht. Aber ein anderes Beispiel: Ich hatte für das zweite Album einen
Teil, den ich aufgenommen hatte, während ich auf Tour war, und er war gut, aber
er klang nicht so wie ich ihn haben wollte. Also duplizierte er den richtigen
Verstärkersound und machte, dass meine Aufnahme so klang, als hätte ich sie mit
dem richtigen Verstärker aufgenommen. Und wenn es Noten gab, die nicht richtig
rüberkamen, weil meine Aufnahme nicht gut genug war, dann konnte er sie
wiederherstellen.
Beim neuen Album hat er z.B. ein Anschlaggeräusch, das ihn
störte, weil ich zu stark angeschlagen hatte, abgeschwächt. Oder ein anderes Beispiel:
Er hat einen Mix, den wir fertig hatten, für den wir aber nach einem
Festplattencrash die Spuren nicht mehr hatten, nachträglich wieder
auseinandergenommen. Er alle Spuren wieder einzeln sichtbar gemacht, obwohl sie
zusammengemischt waren. Das war nicht subtil, das war richtig groß, das war
Magie.