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Die große Hitsingle blieb ihnen immer verwehrt, selbst
wenn sie in den Achtzigern mal eine Zeit hatten, in denen ihre Songstrukturen
direkter und weniger verspielt und/oder ausufernd waren. Davor und (für die
meisten Fans glücklicherweise auch) danach widmeten sich Camel eher dem
Progressivrock verwandten Arrangements und machen lieber mit ihren
fantastischen Alben von sich Reden.
Dabei gehören die Mannen um Andrew Latimer mittlerweile zu den kontinuierlich
arbeitenden, die nicht mit höchster Frequenz aber doch in verlässlicher
Beständigkeit Album um Album veröffentlichen. Dem ´99er "Rajaz" folgt
dieser Tage ihr neuester Streich, "A Nod and a Wink" (Paengg/SPV).
Ralf Koch sprach mit Songwriter, Sänger und Gitarrist, Andrew Latimer.
Das neue Album soll in drei Wochen, Ende Juli,
veröffentlicht werden, bisher gibt es nicht mal Vorabexemplare - seit Ihr
irgendwie in Verzug geraten?
Nein, nicht wirklich. Wir sind durchaus noch im Zeitrahmen.
Ich mag es nicht, ein fertiges Produkt erst lange herumliegen zu lassen. Da wir
eh nicht zu den Topstars gehören, deren neue CDs in die Charts einsteigen,
macht es nichts, wenn die Reaktionen darauf alle zur Veröffentlichung
vorliegen. Dass ich hier und jetzt mit Dir rede liegt ja eher an Deinem Einsatz
als an allgemeinen Promo-Terminen. Für mich ist dieses Album jetzt erst einmal
im Kasten und ich kann mich neuen Projekten widmen, von denen wir in diesem
Jahr noch einige vorhaben.
Zum Beispiel?
Ich arbeite bereits an einem Akustikalbum, was wir
veröffentlichen wollen. Und ansonsten kümmere ich mich mit meiner Frau und ein
paar angestellten um unser kleines Camel Production Label, da machen wir ja
mittlerweile einen viel größeren Anteil selber, als das früher der Fall war.
Eigentlich sollte das neue Album bei InsideOut
veröffentlicht werden, dann habt Ihr die Zusammenarbeit doch beendet, was ist
passiert?
Irgendwie sind wir nicht richtig auf einen grünen Zweig
gekommen mit der Zusammenarbeit. Momentan ist der deutsche Markt dadurch etwas
schwierig für uns, was ich sehr bedaure, weil ich sehr gerne in Deutschland bin
und ich viele Fans dort habe.
Label-Probleme scheinen Euch ja zu verfolgen, ich meine
im Endeffekt waren die es doch, die Dich dazu bewogen haben, Camel Productions
zu gründen, oder?
Mit Decca, unserer alten Plattenfirma haben wir uns in
Freundschaft getrennt. Eigentlich sollten wir noch zwei Alben abliefern, aber
sie wussten eh nicht mehr, wie sie uns vermarkten sollten, also ließen sie uns
gehen. Sie wollten Hitsingles, und sagten wir machten Progressivrock - und Progressivrock
war ein schlimmes Wort, mit dem sich nichts verkaufen ließe - ihrer Meinung
nach. Uns reicht´s sehr wohl! Danach schrieb ich das "Dust and
Dreams" Album und versuchte damit einen Deal zu bekommen, bis wir
realisierten, dass wir das eigentlich gar nicht brauchen, sondern lieber unser
eigenes Ding aufbauen. Und damit fahren wir sehr gut. Vielleicht erreichen wir
nicht mehr ganz so viele Leute, und es dauert länger, ein Album bekannt zu
machen, aber dafür haben wir auch weniger Mittelsmänner, die an den Alben mit
verdienen.
Sie wussten nicht, wie sie Euch vermarkten sollten,
Progressivrock war ein schlimmes Wort - wie würdest Du Eure Musik
kategorisieren?
Was wir immer versucht haben, war sehr melodischer,
emotionaler klassischen Rock, wenn Du so willst. Es gibt alle möglichen
Einflüsse darin, Jazz, Blues, jede Spielart eigentlich, und die sind zusammen
gefügt in unserem Sound, den viele als "progressiv" bezeichnen, was
eigentlich ein dummer Name ist. Den Ausdruck gab es noch gar nichts, als wir
mit diesem Sound angefangen haben, damals 1970. Wir machten unser Ding, und
irgendwann kam irgend jemand mit dieser Bezeichnung, um dem ganzen einen Namen
geben zu können. Was natürlich Quatsch ist, weil nichts davon wirklich
progressiv ist, aber ich verstehe, dass man immer Kategorisierungen braucht.
Wir haben alle diese Elemente, aber ich würde nie sagen, dass wir unbedingt
progressiv sind.
Da ich die neuen Songs noch nicht gehört habe, muss ich
Dich bitten, mir etwas über das Album zu erzählen! Wie lange habt Ihr daran
gearbeitet?
Ich habe im Januar angefangen, an dem neuen Album zu
schreiben, habe mich dann mit unserem Keyboarder, Guy LeBlanc, getroffen und
habe noch ein paar Songs mit ihm geschrieben. Ich brauche meist sehr lange, für
ein Album, weil ich sehr kritisch bin. Im Prinzip schreibe ich Material, das
für mehrere Alben reichen würde, aber nachdem sich die Stücke ein bisschen
gesetzt haben, fliegen die meisten Ideen wieder raus. Das dauert lange, aber
nur so kann ich wirklich zufrieden sein mit dem, was am Ende dabei herauskommt.
Das heißt, dass Du schon mehr oder weniger allein
verantwortlich bist für das Endresultat.
Ja, im Prinzip ist das schon sehr lange so, die Songs sind
zum größten Teil meine Vision. Ich meine, ich habe seit 1970 Songs für Camel
geschrieben, ich meine langsam zu wissen, wie sich die Stücke anhören sollten.
Das klingt nicht gerade, als wenn wir große Veränderungen
erwarten sollten zu neuen Album?
Nun, es ist schon irgendwie anders. Bei jedem Album habe ich
immer versucht, ein neues Terrain zu betreten, allerdings nicht zu weit weg von
dem, was man allgemein von uns kennt. Das neue Album hat definitiv die alten
Trademarks des Camel-Sounds, aber es gibt auch viele Bereiche, die wir bisher
nie betreten haben. Das Album behandelt im Prinzip das Wiederentdecken. Man
könnte es auch Zurückgehen nennen, aber es geht eigentlich um die Magie, die
man als Kind hatte. Die Fähigkeit, unvereingenommen an neue Dinge heran zu
gehen, neugierig zu betrachten, eine Fähigkeit, die man verliert, wenn man
älter wird. Gleichzeitig schaue ich zurück auf meine Einflüsse - Brian Wilson,
die Beatles, Genesis, und die Art, wie ich früher diese Musik gehört habe.
Beim letzten Album "Rajaz" bist Du über ein
Buch über Arabien auf das Thema des Album gekommen, was war es dieses Mal?
Verschiedene Dinge eigentlich, aber u.a. auch ein Buch,
namens "The Boy´s Life", was auch davon handelt, seine Kindheit
wieder zu entdecken, aber ich habe auch viel an meine Vorbilder gedacht, wie
ich sie früher gehört habe und wie sich ihr Bild für mich gewandelt hat. Sie
sind menschlich geworden. Eric Clapton, zum Beispiel, er ist keine Inspiration
mehr für mich. Oder auch Peter Green, Einflüsse, die man durchaus hört auf dem
neuen Album, manche mehr, manche weniger.
Eric Clapton ist menschlich geworden - heißt das, Du hast
gesehen, dass er auch Fehler macht?
Nun, er inspiriert mich nicht mehr. Clapton ruht sich auf
seinen Lorbeeren aus, er arbeitet nicht mehr an sich, und sein neues Material
ist nur noch bedingt interessant.
Er arbeitet nicht mehr an sich - wie lange übst Du denn?
Eine Menge, jeden Tag mindestens eine Stunde. Ich will mich
immer weiter verbessern, neue Techniken, etc., ich glaube immer noch, dass ich
mich noch verbessern muss.
Und Eric Clapton macht das nicht mehr?
Nein, ich denke nicht. Warum sollte er? Er ist Gott!
Nein, er ist menschlich geworden.
Ja, aber das weißt er ja nicht. Ich meine, Leute wie Paul
McCartney, die haben niemanden, der ihnen sagt, ´hey Paul, dieser Song ist
Müll´.
Wer sagt Dir das? Du selbst? Deine Frau? Deine Band?
Alle drei. In erster Linie ich selbst. Ich bin sehr
kritisch. Ich höre die Stücke meist für Monate selber, bevor ich sie irgend
jemand vorspiele. Dann kann es durchaus mal vorkommen, dass Susan sagt, das ist
Müll. Die Band ist da diplomatischer. Sie sagen, ´aha, sehr interessant,
Andrew´, und weigern sich, daran weiter daran zu arbeiten.
Was Du bisher zum Album gesagt hast, klingt alles sehr
autobiografisch...
Ja, ich denke schon. In meinem Alter schaut man ganz gerne
mal zurück. Ich habe sogar eine Dampflock auf dem Album. Ich liebe Züge! Es
geht darum, die Welt mit Kinderaugen sehen zu können. Mit der Magie der Kinder.
Nur textlich oder auch musikalisch?
Beides. Ich denke, es gibt viele Elemente und Sounds auf dem
Album, die man als Kind aufschnappt. Nicht in Form von Kinderreimen, sondern
mit Glocken, Flöten usw.
Ich muss noch einmal auf Deine Pläne, die Du am Anfang
erwähnt hattest, zurück kommen. Beinhaltet das auch Tour-Pläne?
Wir wollten eigentlich ab Oktober touren, aber wir haben das
auf das nächste Jahr verschoben, damit das Album erst einmal mehr Zeit hat, wie
gesagt, mit einem kleinen Label dauert das alles ein bisschen länger. Und
gleichzeitig haben wir Pläne für zwei DVDs und dann noch das Akustikalbum.
Auf der "Harbour of Tears"-Tour hieß es, es
würde die letzte Tour werden.
Ja, es sah erst so aus. Wir hatten sehr viel Stress, es ging
mir gesundheitlich nicht so gut, und wir hatten befürchtet, dass es die letzte
Tour wäre. Aber mittlerweile sieht es wieder besser aus, und ich liebe es zu
touren, also hoffe ich, dass ich das bis zum Lebensende noch machen kann.
Stichwort Akustikalbum - Du hattest erwähnt, dass Du
meinst zu wissen, was einen Camel-Song ausmacht... ist es nicht die E-Gitarre?
Doch, ja.
Wieviel Sinn macht dann das ganze akustisch?
Die Idee kam von der letzten Tour, wo wir einen Akustik-Part
hatten. Und das war eine Herausforderung, weil ich eigentlich kein
Akustik-Gitarrenspieler bin. Es war sehr interessant für mich, die Songs auf´s
Essentielle zu reduzieren und jeden Ton einzeln zu beachten, ohne eine große
Verstärkeranlage dahinter. Und die Resonanz war großartig, und wir haben es
alle sehr genossen. Also haben wir uns gesagt, wir sollten das noch einmal
angehen.
Und die Songs werden aus der gesamten Karriere sein?
Ja, ich wähle derzeit Songs aus. Und auch im Internet haben
wir einen Aufruf, Songs zu wählen.
Und es wird ein Solo-Album, oder ein Band-Album?
Guy wird spielen, Colin singt auf ein paar der Stücke,
Dennis wird wohl nicht involviert sen, aber die anderen.
Und die DVD wird eine Neuauflage des "Coming of
Age" Videos?
Ja, ergänzt durch Bonus-Material, Backstage, Rehearsals,
Soundcheck etc. Und außerdem arbeiten wir an einer DVD über die Geschichte der
Band, mit (neuen) Interviews mit mir, Andy Ward, unserem ersten Drummer, Doug
Ferguson, unserem ersten Bassisten und Pete Bardens, dem ersten Keyboarder. Und
wir sprechen alle über unsere Vergangenheit, ist schon interessant. Andys
Interview ist sein letztes, bevor er leider im letzten Januar gestorben ist.
Und das ganze ist ergänzt mit alten Live-Aufnahmen, BBC-Aufnahmen, Grey Whistle
Test etc.