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Anathema - In Bed with Danny Cavanagh

Interview 2017

Das Musikerleben ist anstrengend. Und das Tourleben erst recht. Das für 18 Uhr terminierte Interview wird kurzfristig zunächst auf 18.30, dann auf 20 Uhr verlegt. Der Künstler ist unpässlich. Als Tourmanager (und Bassist) Jamie Cavanagh mich schließlich zu seinem Bruder Danny bringt, liegt der noch in seiner Koje des Nightliners und macht sich auch nicht die Mühe, sich groß aufzurichten. Wie er auch die Fragen, so hat es den Anschein, größtenteils so beantwortet, wie es ihm gerade in den Sinn kommt. Was einen gewissen Charme hat – und das Bild des Anathema Songwriters auf interessante Art vervollständigt.

 

 

Ihr seid durch eine Menge interessanter Stiländerungen gegangen – wie erklärst du das aus heutiger Sicht?

Du bist über 40, so wie ich. Denke mal zurück, weißt du noch, ob du dieselbe Person warst, als du 20 warst?

 

Gewisse Dinge haben sich geändert…

Siehst du, bei mir auch. Und meine Musik reflektiert das. Das ist, was passiert, wenn man ehrlich ist. Diese Musik ist nicht eine Karriere, sie ist eine Lebenseinstellung. Und die ersten Alben entstanden, als ich 20 war – und ich kann mich nicht einmal mehr daran erinnern, wie ich war, als ich 20 war.

 

Als du angefangen bist, war das damals keine Karriereaussicht für dich?

War es nie – und ist es auch immer noch nicht. Es mag erfolgreich sind, aber Karriere hieße, dass ich da mental anders dahinterstehe. Ich müsste ständig versuchen, den nächsten Level zu erreichen. Wenn ich ein Karrieretyp wäre, müsste ich ständig schauen, was ich am besten mache – und du würdest wahrscheinlich nicht einmal ein Interview bekommen.

 

Ist das nicht Teil des Business?

Nein! Nicht von meinem Business. Ich bin keiner von denen.

 

Ok, es hat also etwas mit Alter zu tun. Auch mit veränderten Zielen?

Nein. Wie gesagt, ich plane nicht. Das mag überraschend sein, aber mir geht es um die Kunst, und um nichts anderes. Weißt du, die meisten  Menschen in dieser Szene sind relativ engstirnig. Und die Geschäftsleute sind es auch.

 

In der Musikszene allgemein?

Besonders in diesem Genre.

 

Welches ist denn euer Genre?

Ich weiß es nicht. Ich hab ja nicht von mir gesprochen. Ich bin keiner von denen. Ich sehe das so: Unsere Musik ist echt, alle Geschichten sind echt. Sie sind nicht ausgedacht, das ist alles wirklich passiert. Sie sind nicht kreiert, um Platten zu verkaufen, alle Songs sind echt. Alle. Was ist dein Lieblingssong?

 

Puh. „Untouchable“ vielleicht?

Siehst du, das ist eine echte Geschichte. Ich hab mir nicht gedacht, hey, das wäre eine coole Geschichte. Ich musste sie schreiben. Wenn ich einen Stift aufs Papier setze, weiß ich nie, was passieren wird. Da ist nichts künstlich arrangiert, es passiert einfach. Das ist echt. Was nicht heißt, dass ich alles zu ernst nehme, keineswegs.

 

Mit jedem Album wurden die Reaktionen größer, erschwert das das Schreiben neuer Songs?

Ich denke nicht darüber nach. Ich schreibe nicht für ein Publikum, nehme auch nicht für die Fans auf. Nur für mich selbst.

 

Aber als Künstler möchte man sich ja auch weiterentwickeln.

Ja, aber das passiert natürlicherweise. Das mache ich nicht, um mir zu imponieren – geschweige denn unseren Fans. Wichtig ist, Risiken zu wagen. Man muss darauf vorbereitet sein, sein Publikum zu verlieren.

 

Könnte euch schon mal passiert sein…

Ja, aber das ist ok. Das habe ich von Thom Yorke gelernt. Das wichtigste ist, ehrlich zu sich selbst zu sein. Nur so kann man auch zu seinen Fans ehrlich sein. Und wir haben auch niemanden, der uns reinredet. Das ist gut. Und ich schere mich auch einen Dreck darum, was irgendjemand von uns erwartet.

 

Also was ist deine persönliche Herausforderung für ein neues Album?

Ich weiß es nicht. Ich habe auch keine Idee, wie das nächste Album klingen wird.

 

Eine eigene Weiterentwicklung z.B.? Man will ja auch nicht gefangen sein, in seiner eigenen Ausrichtung.

Nein. Wir sind nicht gefangen. Wo denn? In der Progszene?

 

In welcher Szene auch immer.

Ich habe aufgehört, darüber nachzudenken, es wäre eh nur frustrierend. Man kann es eh nicht kontrollieren. Ich habe keine Energie dafür. Ich gebe auch nicht viele Interviews. Ich freue mich, wenn ich eine positive Review lese, aber ich würde nichts ändern, wenn sie negativ wäre. Es ist eigentlich sehr lustig, seine alten Fans zu schocken. Wir haben immer wieder gehört, dass wir doch machen sollten, was wir auf dem letzten Album gemacht haben. Das ist nicht deren fucking Business!

 

Wie entstehen die Songs in der Regel?

Mit Vinnie und John. Wir stellen uns unsere Ideen vor und sortieren sie, sortieren sie aus, diskutieren sie.

 

Und die Songs, die die anderen nicht mögen, landen dann auf deinem Soloalbum?

Ja, so ungefähr. Songs, von denen die anderen meinten, dass sie sie im Moment eher nicht bräuchten. Es gibt immer zu viele Ideen. Also nehme ich mir welche vor und arbeite daran.

 

Die Songs deines neuen Albums „Monochrome“ sind also Songs, die du den anderen vorgestellt hast?

Die meisten, ja, aber nicht alle. Manche sind auch richtig alt. Der Älteste ist von 1998, einer ist von 2000, einer von 2001 – sie lagen also herum, und dafür waren sie mir zu schade. Aber die Band hatte keine Verwendung dafür. „Silent Flight“ z.B. ist doch ein guter Song, aber ich glaube, die Band hätte ihn anders gemacht.

 

Wäre meine nächste Frage gewesen… was wäre anders ausgefallen?

„The Excorcist“ wäre sicherlich auch ein guter Anathema-Song gewesen…

 

War das ein Grund für das Album – zu sehen, wie sie klingen, wenn du sie ohne die Band machst?

Nein, ich habe sie einfach gemacht. Ich hab nicht drüber nachgedacht. Da ist nichts arrangiert.

 

Also: was ist der Hauptunterschied?

Ich singe. Und Anneke singt. Aber ansonsten… gibt es keine großen Unterschiede. Aber „The Exorcist“, „Soho“, „Silent Flight“ – die hätte die Band auch gut machen können.

 

„The Excorcist“ ist sehr nah an der Band.

Ja, aber der ist aus dem Jahr 2000. Der Text ist neu. aber den hätte ich auch gesungen, wenn wir den mit der Band gemacht hätten. Aber ich brauchte einen starken Opener, also habe ich ihn von der Band geklaut. Sie haben ihn nicht vermisst. Wir haben so viele gute Songs.

 

Anneke als Gastsängerin war eine naheliegende Wahl, nachdem ihr schon immer wieder was zusammen gemacht habt.

Ja, in den letzten zehn Jahren haben wir ungefähr 40, 50 Gigs zusammen gespielt – mit meinen Songs, ihren Songs, Coversongs – youtube ist voll davon.

 

Gibt es Pläne zu dem Album? Weitere Konzerte z.B.?

Puh. Diese Tournee ist so lang, ich komme gar nicht dazu, darüber nachzudenken. Und es geht nächstes Jahr noch weiter. Prinzipiell ist da eine Solotour durchaus möglich, wenn ich ein Angebot bekommen sollte – ich meine, ich muss ja auch meine Miete bezahlen können – und ehrlich gesagt, wäre das das einzige, was mich derzeit aus dem Bett holen könnte. Ich bin echt müde. Wir sind seit zwei Monaten auf Tour, wenn wir hier fertig sind, letzten Monat waren wir in Südamerika… und ich schlafe nicht besonders gut im Bus.

 

Da wird man auf Tournee nicht viel zum Arbeiten kommen, oder? Siehst du die Städte, in denen ihr spielt?

Songs schreibe ich auf Tournee ohnehin nicht. Nein, ich habe gerade keine Energie mehr. Ich habe die Städte gesehen. Ich bekomme einen Eindruck, aber es ist für mich keine Priorität. Mir ist Energieerhaltung wichtiger.

 

Gibt es Zukunftspläne?

Nein. Ich schaffe es nicht einmal, über morgen nachzudenken. Ich habe heute insgesamt vielleicht knapp zwei Minuten an morgen gedacht. Oder weniger. Ich lebe im Jetzt. Das ist der Vorteil daran, dass ich das schon so lange mache, mir gelingt es, mich auf das Jetzt zu konzentrieren.

 

Ihr habt euch also auch noch nicht über Zukunftspläne unterhalten?

Es gab ein paar Ideen, aber noch nichts Ernstes. Ein paar flüchtige Unterhaltungen – aber ich denke, auch die könnte man auf insgesamt 5 Minuten zusammenfassen.

 

Verbringt ihr so wenig Zeit miteinander?

Nein, aber wir sprechen nicht über Zukunftspläne. Unser Vertrag ist ausgelaufen, also hören wir uns gerade Angebote an. Aber viel mehr gab es auch noch nicht.